Brüssel. Im Wahlkampf hat Donald Trump der EU und der Nato heftig gedroht. Die Sorgen sind groß. Europa bereitet sich auf einen Handelskrieg vor.

Der ungarische Premierminister Viktor Orban jubelte schon, als Donald Trumps Triumph noch gar nicht feststand. „Auf dem Weg zu einem schönen Sieg“, kommentierte Orban als erster EU-Politiker die US-Wahl. Auch andere Rechtsaußen-Politiker in Europa wie die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni, eine erklärte Trump-Anhängerin, gratulierten sehr früh und herzlich. Doch in Brüssel und in den meisten anderen EU-Hauptstädten löst der Sieg Trumps – obwohl nicht überraschend – Schockwellen aus.

Hinter vorgehaltener Hand werden in Brüssel große Befürchtungen laut: Von einem drohenden Handelskrieg zwischen USA und Europa ist die Rede, einer neuen Nato-Krise und einem Ende der amerikanischen Unterstützung im Ukraine-Krieg, was Europa überfordern werde. Der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange (SPD), sagt: „Mit Trump stehen uns unberechenbare und unruhige Zeiten bevor.“

Die offiziellen Gratulationen klangen versöhnlicher. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, sie freue sich auf eine erneute Zusammenarbeit mit Trump, um eine starke transatlantische Agenda voranzutreiben. Auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte bemühte sich um freundliche Töne: „Ich freue mich darauf, wieder mit Donald Trump zusammenzuarbeiten, um den Frieden durch Stärke durch die Nato zu fördern“, erklärte Rutte und versuchte, möglichen Ausstiegsüberlegungen Trumps vorzubeugen: „Über die Nato haben die USA 31 Freunde und Verbündete, die dazu beitragen, die Interessen der USA zu fördern, die amerikanische Macht zu vervielfachen und die Sicherheit der Amerikaner zu gewährleisten.“ Rutte hatte schon vorab dazu aufgerufen, sich „keine Sorgen wegen einer Trump-Präsidentschaft zu machen“. Trump, sagt Rutte, „stand und steht hinter der Nato“.

Nato-Generalsekretär Mark Rutte geht davon aus, dass Russland Truppenunterstützung braucht.
Nato-Generalsekretär Mark Rutte geht davon aus, dass Russland Truppenunterstützung braucht. © AP/dpa | Virginia Mayo

Dabei klangen Trumps Äußerungen im Wahlkampf eher wie eine Kampfansage. Er drohte Staaten in Europa mit dem Ende des Nato-Beistandspakts, wenn sie nicht genug für Verteidigung ausgeben würden. Mehr noch: Er würde Russland „sogar dazu ermutigen zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen“, sagte der Republikaner. Gift für ein Bündnis, dessen Abschreckungswirkung vor allem auf Vertrauen fußt. Trump beschimpfte zugleich die EU als „Mini-China“ und skizzierte seine Sicht bei einer Kundgebung in Pennsylvania so: „Ich sage Ihnen was, die Europäische Union klingt so nett, so wunderbar, nicht wahr? All die netten kleinen europäischen Länder, die zusammenkommen“, rief er. „Sie nehmen uns unsere Autos nicht ab. Sie nehmen uns unsere landwirtschaftlichen Produkte nicht ab. Sie verkaufen Millionen und Abermillionen von Autos in den Vereinigten Staaten. Nein, nein, nein, sie werden einen hohen Preis dafür zahlen müssen.“

US-Zölle würden Deutschland 180 Milliarden Kosten

„Die EU ist ein Feind“, hatte Trump, der sich als „Zölle-Mann“ bezeichnet, schon während seiner ersten Amtszeit erklärt. Nun plant er, für Importe in den USA einen allgemeinen Zoll von 20 Prozent einzuführen, was unter den EU-Staaten Deutschland am härtesten treffen dürfte – über die vier Jahre von Trumps Amtszeit werde das die deutsche Wirtschaft mit 180 Milliarden Dollar belasten, rechnet das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vor.

Die Risiken sind klar, aber reichen die Vorbereitungen? Beim Handelskonflikt ist die EU wohl noch am besten präpariert, die USA sind der wichtigste Handelspartner. In Brüssel hat eine Arbeitsgruppe der EU-Kommission, die der Präsidentin Ursula von der Leyen unterstellt ist, eine Doppelstrategie entwickelt: Mit Trump soll das Gespräch geführt werden, die EU will eine Steigerung der Importe aus den USA anbieten und eine engere Abstimmung in der Handelspolitik gegenüber China. Sollte das nicht verfangen, ist die EU auf die Einführung von Gegenzöllen in gleicher Höhe als Vergeltung vorbereitet, es liegt bereits eine Liste mit betroffenen Produkten vor – mit dem Risiko, dass Trump die EU-Staaten zu spalten versucht, weil ihre Exportinteressen unterschiedlich sind. EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis droht in Richtung Washington: „Wir haben unsere Interessen mit Zöllen verteidigt, und wir sind bereit, unsere Interessen wieder zu verteidigen, wenn es nötig ist.“ Handelspolitiker Lange sagt: „Wenn Trump seine angekündigten Zollphantasien in die Tat umsetzt, dann werden wir ihn in die Realität zurückholen und uns wehren.“

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen lässt bereits Pläne ausarbeiten, wie sich die EU gegen die von Trump angekündigten neuen Zollhürden wehren kann.
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen lässt bereits Pläne ausarbeiten, wie sich die EU gegen die von Trump angekündigten neuen Zollhürden wehren kann. © dpa | Philipp von Ditfurth

Kommissionsbeamte trafen sich in den letzten Wochen laufend mit Vertretern der EU-Staaten, um auch andere absehbare Probleme zu erörtern – etwa das Ende der US-Hilfe für die Ukraine oder der Fortbestand der Sanktionen gegen Russland. „Wir werden große Schwierigkeiten bekommen“, sagt ein an den Gesprächen beteiligter EU-Diplomat, „Trumps Unberechenbarkeit wird ein großes Problem sein“.

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Als mittelfristig zentrales Sorgenkind gilt die Sicherheitspolitik. Zwar haben die Nato-Staaten ihre Verteidigungsausgaben schon deutlich erhöht, doch ist unklar, ob Trump das genügt. Eine Befürchtung ist, dass Trumps Absage an weitere Ukraine-Hilfen Nachahmer in den EU-Staaten findet – und Europas Geschlossenheit zerbricht, das Kalkül von Russlands Präsident Wladimir Putin doch noch aufgeht. Dass Europa viel mehr in seine militärischen Fähigkeiten investieren muss, um den USA einen Teil der Bündnislasten abzunehmen, ist inzwischen eine Binse. Die Konsequenzen sind aber noch nicht ausreichend gezogen. Angesichts der Bedrohung durch Russland schätzt die EU-Kommission den Mehrbedarf für die Verteidigung Europas auf 500 Milliarden Euro in zehn Jahren – wie das finanziert werden soll, ist völlig unklar.

Es trifft sich gut, dass die EU-Staats- und Regierungschefs am Freitag zu einem Sondergipfel in Budapest zusammenkommen und dort am Tag zuvor auch mit Partnerstaaten der neuen „Europäischen Politischen Gemeinschaft“ beraten. „Es wird ernst, sagt ein EU-Diplomat, „es gibt jetzt viel zu bereden“.