Berlin. Rauft die Koalition sich noch einmal zusammen oder zerfällt am Mittwoch die Regierung? Wer jetzt was will und wie es weitergehen kann.
Am Mittwochabend brechen entscheidende Stunden für die Ampel-Koalition an. Die Spitzenvertreter des Bündnisses haben einen Termin im Kanzleramt – und es steht nicht weniger als das Fortbestehen der Bundesregierung auf dem Spiel. Der entscheidende Teilnehmer dürfte der FDP-Vorsitzende und Finanzminister Christian Lindner sein.
Was passiert am Mittwochabend?
Um 18 Uhr kommen die Partei- und Fraktionschefs und wichtige Minister zu Olaf Scholz. Der Bundeskanzler berät seit Tagen intensiv mit Lindner und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne), sie wollen am Mittwochabend einen Plan für den Bundeshaushalt 2025 vorlegen, in dem eine Milliardenlücke klafft. Außerdem ist das Ziel, sich auf eine ganze Palette von Maßnahmen zur Belebung der Wirtschaft zu einigen. Beide Themen sind allerdings zwischen den drei Koalitionspartnern höchst umstritten. Über allem steht die Frage: Verlässt Lindner die Koalition, wenn ihm die Beschlüsse nicht reichen?
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Was fordert Lindner?
Nicht weniger als eine „Wirtschaftswende“ mit „teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen“. Was das für den Finanzminister konkret bedeutet, hat er in dem 18-seitigen Papier aufgeschrieben, das am Freitag öffentlich geworden war. Der FDP-Chef fordert unter anderem einen Einstieg in die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags, niedrigere Unternehmenssteuern und ein Aus (oder zumindest eine deutliche Verschlankung) für Gesetzesprojekte wie das Tariftreue- und das Lieferkettengesetz. Außerdem will Lindner beim Klimaschutz auf die Bremse steigen: Statt 2045 soll Deutschland nach seiner Vorstellung Klimaneutralität erst für 2050 anstreben, der Klima- und Transformationsfonds soll aufgelöst und die Förderung für Erneuerbare Energien beendet werden.
Was bietet Habeck an?
Der Bundeswirtschaftsminister hatte nach dem Bekanntwerden des FDP-Papiers lange öffentlich geschwiegen. Am Montag dann meldete Habeck sich mit einem eindringlichen Appell zu Wort, nicht auseinander zu gehen. „Dies ist die schlechteste Zeit dafür, dass die Regierung scheitert“, sagte er.
Um seinen Willen zur Einigung zu unterstreichen, machte Habeck dem Finanzminister auch gleich öffentlich ein Angebot: Die 10 Milliarden Euro, die ursprünglich einmal dafür gedacht waren, die (inzwischen verschobene) Ansiedlung von Intel in Magdeburg zu fördern, könnten dazu genutzt werden, zumindest zum Teil das Loch im Haushalt zu füllen. Bisher hatte Habeck darauf beharrt, dass dieses Geld im Klima- und Transformationsfonds bleibt. Denn auch der ist überbucht.
Die Reaktion aus der FDP am Dienstag fiel allerdings kühl aus: „Robert Habecks sogenanntes Angebot ist eine Mogelpackung, denn die Intel-Milliarden hat er nicht und kann sie deshalb auch nicht verdealen“, sagte der Christoph Meyer, Vize-Fraktionschef der FDP, am Dienstag. Er forderte Habeck auf, Vorschläge zur Haushaltskonsolidierung zu liefern, die für die FDP akzeptabel seien.
Die grüne Kompromissbereitschaft kennt allerdings auch Grenzen. Eine Verschiebung der deutschen Klimaziele auf 2050 dürfte mit den Grünen kaum machbar sein.
Was will die SPD?
Ob die SPD Habecks Intel-Vorschlag unterstützt, ist unsicher. Kanzler Scholz will Industriearbeitsplätze sichern und Unternehmen durch geringere Stromkosten unterstützen, indem er durch einen staatlichen Zuschuss die sogenannten Netzentgelte senkt. Die Netzentgelte sind ein fester Bestandteil des Strompreises und zuletzt deutlich gestiegen. Bisher werden nur Konzerne mit sehr hohem Verbrauch entlastet. Scholz will das ausweiten, aber auch das kostet Milliarden – die Intel-Milliarden galten bisher als Möglichkeit, den Plan des Kanzlers zu finanzieren. Scholz nannte Habecks Vorschlag am Dienstag immerhin eine „Handlungsoption“.
SPD-Chef Lars Klingbeil ist offen dafür, mindestens die bürokratische Last für Unternehmen zu senken. Die Soli-Abschaffung oder Einschnitte bei Bürgergeld und Rente sind für die Sozialdemokraten jedoch ein rotes Tuch. Das gilt auch für das von Lindner geforderte Aus für ein Gesetz, mit dem die Bezahlung nach Tarif gestärkt werden soll.
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Wie kann es weitergehen?
Am Ende des Mittwochabends wird sich die Koalition auf einem von drei Wegen wiederfinden. Möglichkeit Nummer 1: Die Koalition hat noch einmal die Kraft gefunden zusammenzukommen, und sich auf den Haushalt und Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft geeinigt. In diesem Fall könnte der Bundestag wie bisher geplant am 14. November in der Bereinigungssitzung den Haushalt 2025 fertigstellen. Und die Chancen wären deutlich gestiegen, dass die Koalition bis zum regulären Wahltermin im September 2025 im Amt bleibt.
Möglichkeit Nummer 2: Die Ampel-Koalition steht vor unüberbrückbaren Differenzen, und einer der Partner entscheidet sich, die Zusammenarbeit aufzukündigen. Denkbar ist, dass Christian Lindner und die FDP-Regierungsmannschaft zurücktreten – aber auch, dass die Forderungen der Liberalen für den Kanzler zu weit gehen und Scholz sie rausschmeißt.
Die dritte mögliche Option ist eine Verschiebung der Entscheidung. Juristisch ist das machbar, der Bundeshaushalt kann auch nach dem 14. November noch beschlossen werden. Und der „Herbst der Entscheidungen“ geht nach Lesart der FDP sowieso bis zum 21. Dezember. Scholz zeigte sich am Dienstag zuversichtlich, dass seine Regierung die nächsten Tage überlebt. „Wenn man will, kann man sich einigen“, sagte der Bundeskanzler. Das sei möglich, daran müssten jetzt alle arbeiten.
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