Berlin. Der FDP-Chef stürzt die Ampel mit seinem Grundsatzpapier noch tiefer in die Krise. Für Lindner scheint es nur noch ein Ziel zu geben.

Von der Ampel-Koalition ist man ja einiges gewöhnt. Seit fast zwei Jahren streiten SPD, Grüne und FDP ohne Unterlass. Immer wieder kam es zu Aussprachen, zu Kompromissen und zum Versprechen, dass fortan alles besser werde. Meistens hielten diese Schwüre nur ein paar Tage, wenn überhaupt.

Jetzt aber scheint das Regierungsbündnis tatsächlich am Abgrund zu stehen. Es läuft auf einen Showdown am Mittwoch hinaus: Dann trifft sich der Koalitionsausschuss, dem neben Kanzler Olaf Scholz (SPD) und den wichtigsten Ministern auch die Spitzen der beteiligten Parteien und Fraktionen angehören. Die Runde muss den Weg freimachen für den Bundeshaushalt 2025. Und sie muss Beschlüsse fassen, die dazu geeignet sind, der Wirtschaft neuen Schwung zu verleihen.

Kanzler Olaf Scholz (SPD, Mitte), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben derzeit einiges zu bereden. Für den kommenden Mittwoch ist ein Koalitionsausschuss anberaumt.
Kanzler Olaf Scholz (SPD, Mitte), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben derzeit einiges zu bereden. Für den kommenden Mittwoch ist ein Koalitionsausschuss anberaumt. © dpa | Kay Nietfeld

FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner hat mit seinem jüngsten Grundsatzpapier zur Wirtschafts- und Finanzpolitik die Latte sehr hochgelegt. Seine Vorstellungen unterscheiden sich fundamental von den Ideen von SPD und Grünen. Ob die Ampel aus diesem Schlamassel herausfinden kann, ist derzeit vollkommen unklar. So viel Chaos und Missgunst war in der Ampel noch nie.

Bundestagswahl: Wirtschaftspolitik als zentrales Schlachtfeld

Vielleicht ist es an der Zeit, alle Beteiligten und insbesondere die Freien Demokraten an einige grundlegende Dinge zu erinnern: Das, was man einmal angefangen hat, sollte man auch zu Ende bringen. Bereits getroffene Absprachen sind einzuhalten. Kompromisse sind keine Niederlage, sondern gehören zum Wesen der Demokratie. Und: Das Land ist wichtiger als die eigene Partei und die eigenen Befindlichkeiten. In Zeiten, in denen in Europa ein Krieg tobt und Autokraten weltweit auf dem Vormarsch sind, gilt das allemal.

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Es ist vollkommen in Ordnung, dass sich jetzt jede der drei Ampel-Parteien für den nächsten Bundestagswahlkampf positioniert. Das entscheidende Schachtfeld dort dürfte die Wirtschaftspolitik werden. SPD und Grüne wollen den schützenden und lenkenden Staat, die FDP fordert mehr Markt und niedrigere Steuern. So weit, so gut.

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Politik-Korrespondent Thorsten Knuf © Funke Foto Services | Reto Klar

Gerade bei den Liberalen stellt sich aber die Frage, was sie eigentlich wollen. Ihr vorrangiges Ziel scheint zu sein, es irgendwie in den kommenden Bundestag schaffen. Zuletzt flogen sie aus diversen Länder-Parlamenten. Sie reagierte darauf stets mit noch mehr Druck auf die Berliner Koalitionspartner. Bislang ohne Erfolg: Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, dann würde die FDP auch hier an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Das könnte das Ende Freien Demokraten sein. Die Liberalen versuchen jetzt vor allem, ihre Kernklientel in der Wirtschaft anzusprechen. Ein Wahlergebnis von sechs oder sieben Prozent der Stimmen würden sie vermutlich als Sieg feiern.  

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Es irgendwie wieder in den Bundestag schaffen zu wollen ist aber etwas anderes, als das Land unbedingt mitregieren zu wollen. Selbst wenn die FDP in einem künftigen Parlament gebraucht werden sollte, um eine demokratische Mehrheit zu bilden, wäre das Regieren für sie kaum angenehmer als das Dasein in der Ampel. Das gilt auch, wenn sie es mit der Union zu tun bekäme. Mit CDU-Chef Friedrich Merz als Kanzler könnten die Liberalen vermutlich ganz gut. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder hingegen dürfte sich einen Spaß daraus machen, sie vorzuführen. Und wären Sozialdemokraten oder Grüne mit von der Partie, würde es erst recht nichts mit der reinen FDP-Lehre.

Vor knapp einem Jahr, als es mal wieder hoch herging in der Ampel und die Union nach Neuwahlen rief, sagte der Finanzminister: „Das ist keine Zeit für Hasardeure.“ Vielleicht erinnern er und seine Leute sich in den kommenden Tagen ja daran. Und die anderen Koalitionäre auch.