Tel Aviv/Teheran. In der Nacht zum Samstag kam der erwartete Vergeltungsschlag Israels. Ist ein direkter Gegenangriff zu erwarten? Ein Überblick zur Lage.
Israel hat seinen seit Wochen erwarteten Angriff im Iran in der Nacht auf Samstag durchgeführt. Der Schlag war eine Antwort auf den iranischen Angriff auf Israel mit mehr als 180 ballistischen Raketen Anfang Oktober. Laut iranischen Quellen waren gegen 2.15 Uhr Ortszeit an mehreren Orten laute Explosionen zu hören. Kurz vor sieben Uhr gab Israels Armeesprecher Daniel Hagari bekannt, dass die Luftwaffe ihre Angriffe abgeschlossen habe. „Unsere Flugzeuge sind sicher zurückgekehrt, nachdem sie militärische Ziele im Iran angegriffen haben“, sagte Hagari. „Wir haben unsere Ziele erreicht.“
Israels Angriff im Iran: Welche Ziele wurden getroffen?
Laut Israels Armeesprecher haben Dutzende israelische Kampfflieger mehrere iranische Raketenproduktionsstätten im Iran angegriffen. Im Vorfeld dieser Angriffe gab es Schläge auf Einrichtungen der iranischen Luftabwehr, die dem Ziel dienten, „Israels Handlungsfreiheit im iranischen Luftraum“ auszuweiten. Die Kampfflieger konnten ihre Einsätze also mit geringerem Risiko fliegen.
Insgesamt sollen mehr als zwanzig Ziele angegriffen worden sein. Das iranische Regime spricht von einem „begrenzten Schaden“, die Angriffe seien „erfolgreich abgewehrt“ worden, meldet die staatliche Nachrichtenagentur IRNA. Ob das Verschleierungstaktik ist oder der Wahrheit entspricht, ist schwer zu beurteilen. Ein israelischer Armeevertreter, der anonym bleiben möchte, sagte der israelischen Nachrichtenplattform, dass es „eine komplette Lüge“ sei – der Iran habe keinen einzigen der israelischen Angriffe abgewehrt.
Die Schläge betrafen mehrere Orte im Iran. Laut IRNA wurden Ziele nahe der Hauptstadt Teheran, in Khuzestan und Ilam angegriffen.
Schläge auf Anlagen der iranischen Ölindustrie oder sogar der Urananreicherung gab es nicht, obwohl sie in den vergangenen Wochen in israelischen Debatten immer wieder vorgeschlagen worden waren.
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Warum verschonte Israel Irans Öl- und Nuklear-Anlagen?
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu soll einen Schlag auf die Ölindustrie bevorzugt haben. In wochenlangen intensiven Gesprächen mit den USA soll Washington Israel aber von diesem Plan abgebracht haben. Entscheidend für den Meinungswandel in Israel war offenbar das Versprechen aus Washington, zurückgehaltene Waffenlieferungen zeitnah durchzuführen, sollte Israel von einem Schlag auf die Ölanlagen absehen. Hätte die Ölindustrie Schaden genommen, dann wäre ein Crash an den Finanzmärkten zu befürchten gewesen – mit direkten Auswirkungen auf die US-Wahlen am 5. November. Eine Börsenkrise hätte wohl dem republikanischen Herausforderer Donald Trump genützt. Ein Schlag auf die Ölindustrie hätte aber auch das Risiko einer weiteren Eskalation erhöht. Israel, aber auch die USA, wollen dies vermeiden. Laut einem Axios-Bericht soll Israel den Iran sogar am Freitag vorgewarnt haben – über Vermittlung des niederländischen Außenministers Caspar Veldkamp.
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Wie wird der Iran nun reagieren?
Der Iran hatte vor Israels Angriff angedroht, dass jeder Schlag mit mindestens ebenso schweren Mitteln beantwortet wird – sollte also Israel die iranische Ölindustrie angreifen, dann würde auch der Iran auf Israels Öl- und Gasverarbeitung abzielen. Da Israel offenbar nur militärische Ziele angegriffen hat, könnte das bedeuten, dass Teheran sich ebenfalls auf Einrichtungen der Armee konzentrieren könnte. Dass Teheran nicht reagiert, ist unwahrscheinlich. Die Frage ist, wie schwer der Angriff sein wird und wie viele ballistische Raketen diesmal eingesetzt werden. Das hängt wiederum davon ab, wie erfolgreich Israels Angriff im Iran war: Die Produktions- und Lagerstätten ballistischer Raketen waren der Schwerpunkt der Luftschläge am Samstagmorgen.
Nahost-Krieg: Wie geht es jetzt weiter?
Israel bereitet sich jetzt auf die iranische Antwort auf die Angriffe vor. Unterstützung erhält das Land von den USA: Der THAAD-Raketenschutzschild wurde in Israel platziert, vor fünf Tagen gab US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bekannt, dass der Schutzschild erfolgreich eingerichtet und nun „vollständig einsatzbereit“ sei.
Am Samstag erwartet die Armee aber offenbar keine unmittelbare Reaktion des Iran. Das lässt sich an den Richtlinien des Heimatfrontkommandos ablesen, die unverändert bleiben: Es gibt keine neuen Versammlungsverbote oder Einschränkungen für Schulen. Das kann sich aber jederzeit ändern: „Wir betreiben kontinuierliche Lageeinschätzung“, sagte Hagari.
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Der Schlag am Samstagmorgen war jedenfalls Israels bisher schwerster Angriff auf den Iran. Begründet wurde er mit der iranischen Attacke vom 1. Oktober, der fast die gesamte israelische Bevölkerung zwang, die Luftschutzräume aufzusuchen. Ein Palästinenser im Westjordanland wurde bei dem Angriff getötet. Der Iran hatte den schweren Angriff als Reaktion auf die gezielten Tötungen der Hisbollah-Führung und des Hamas-Führers Ismail Haniyeh bezeichnet. Teheran wird die israelische Antwort auf den iranischen Angriff nun als neue Provokation werten.
Alles hängt nun davon ab, in welchem Rahmen sich der iranische Gegenangriff bewegen wird – und ob er Schäden an Israels Militäranlagen oder sogar an der zivilen Infrastruktur bringen wird. „Wenn das Regime im Iran den Fehler macht, eine neue Eskalationsrunde zu starten, werden wir verpflichtet sein darauf zu antworten“, sagte Hagari.
Die iranische Antwort wird wohl nicht nur aus dem Iran selbst kommen, sondern auch von den pro-iranischen Milizen im Irak, im Jemen, aber auch von der Hisbollah im Libanon.