Berlin. Die US-Wahl setzt die Ukraine unter Druck. Präsident Selenskyj wirbt für seinen „Siegesplan“. Doch der Kanzler hat ihm wenig zu bieten.
Das Versprechen von Olaf Scholz ist klar: „Wir werden nicht ruhen, bis der Frieden in Europa gesichert ist.“ So hat es der Bundeskanzler nach dem russischen Überfall auf die Ukraine in seiner „Zeitenwende“-Rede formuliert. Mehr als zweieinhalb Jahre später stellt sich die Frage: Was bedeuten diese Worte in der aktuellen Lage?
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Das gilt besonders, wenn die USA nach einem möglichen Sieg des US-Republikaners Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl in weniger als einem Monat und nach einer Amtseinführung Anfang 2025 als größter militärischer Unterstützer der Ukraine ausfallen sollten. „Bei der US-Präsidentschaftswahl steht die militärische und politische Unterstützung der USA für die Ukraine auf dem Spiel“, warnt der CSU-Außenpolitiker Thomas Silberhorn. „Donald Trump hat erklärt, dass er den Krieg durch ein Telefonat mit Putin beenden könne. Das kann natürlich nicht funktionieren, weil Putin nach wie vor die gesamte Ukraine unterwerfen will.“
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Ukraine: Scholz verspricht Hilfe, doch sein Spielraum ist begrenzt
Scholz und andere Vertreter der Ampel-Koalition hatten in der Vergangenheit angekündigt, im Fall eines Trump-Wahlsiegs mehr tun zu wollen. Ob militärisch, finanziell oder politisch – der Handlungsspielraum der Bundesregierung ist auch aufgrund von Scholz gezogener roter Linien inzwischen allerdings stark begrenzt.
Militärisch steht die Ukraine massiv unter Druck. Die möglichen Folgen der US-Wahl und eine nachlassende Unterstützung in anderen westlichen Staaten beunruhigen die Führung in Kiew zusätzlich. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj befindet sich deswegen trotz der massiven Sicherheitsvorkehrungen, die bei seinen Auslandsreisen erforderlich sind, auf einer Tour durch europäische Hauptstädte, um für seinen „Siegesplan“ zu werben.
Selenskyj auf Europa-Tour: Am Freitag ist er in Berlin
Nach Stationen in London, Paris und Rom kommt Selenskyj am Freitag nach Berlin, wo er neben Scholz auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier treffen soll. Die Rundreise des Ukrainers war kurzfristig angekündigt worden, nachdem ein Treffen mit rund 50 Unterstützerstaaten auf Einladung von US-Präsident Joe Biden auf der US-Militärbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz kurzfristig geplatzt war. Wegen der erwarteten Zerstörungen im US-Bundestaat Florida durch den Hurrikan „Milton“ hatte Biden entschieden, die Reise nach Deutschland abzusagen.
Der ukrainische Präsident hofft auf schnelle Entscheidungen zu Gunsten seines Landes. Im Oktober, November und Dezember gebe es eine „echte Chance, die Dinge in Richtung Frieden und dauerhafte Stabilität zu bewegen“, erklärte Selenskyj im Vorfeld seiner Reise und bezog sich mit dem Zeitraum offenbar auf die Amtseinführung des neuen US-Staatschefs im Januar. „Die Lage auf dem Schlachtfeld bietet die Möglichkeit, den Krieg spätestens 2025 durch entschlossenes Handeln zu beenden.“
Selenskyjs „Siegesplan“: Das fordert die Ukraine
Offen ist jedoch, wie dies gelingen soll. Die ukrainische Staatsführung wies am Donnerstag einen italienischen Medienbericht zurück, wonach sie zu einem Waffenstillstand mit Russland entlang der derzeitigen Frontlinie bereit sei. Der „Siegesplan“ von Selenskyj basiere darauf, dass die Ukraine vor einem gerechten Friedensschluss in die Position komme, Russland unter Druck zu setzen, sagt der Militärexperte Nico Lange dieser Redaktion. „Militärisch braucht es dafür die Erlaubnis, auch Ziele tief in russischem Gebiet zu treffen. Dazu benötigt die Ukraine die entsprechenden weitreichenden Waffen, dazu gehört auch der deutsche Marschflugkörper Taurus.“
Beides lehnt Scholz allerdings entschieden ab. Ein Kurswechsel des Kanzlers ist im Jahr vor der Bundestagswahl nicht zu erwarten, zumal die AfD und die BSW-Partei von Sahra Wagenknecht bei den Landtagswahlen mit ihren Forderungen nach einem Ende der Militärhilfe für die Ukraine starke Ergebnisse erzielten.
Taurus für die Ukraine? Scholz lehnt die Lieferung ab
Frankreich und Großbritannien beliefern die Ukraine zwar mit Marschflugkörpern vom Typ Storm Shadow, die mit einer Reichweite von bis zu 250 Kilometern aber nur halb so weit wie der Taurus fliegen. Zudem darf die Ukraine die Waffen nicht gegen Ziele in Russland einsetzen. Es ist äußerst fraglich, ob Selenskyj ein Umdenken erreichen kann, solange Biden und Scholz weiterhin zögern.
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Politisch brauche die Ukraine Sicherheitsgarantien des Westens, um Russland zu einem Friedensschluss zu bringen, ist sich der Sicherheitsexperte Lange sicher. „Es hat sich gezeigt, dass die einzige wirksame Abschreckung gegenüber Wladimir Putin eine Nato-Mitgliedschaft ist. In diesen Bereichen müssen sich allen voran Biden und Scholz sowie die anderen Unterstützer einen Ruck geben, um einen Frieden in der Ukraine zu ermöglichen“, fordert der Analyst. Eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine wird im Westen allerdings äußert zurückhaltend gesehen.
CSU-Politiker warnt: Hält die Ukraine Putin nicht auf, drohen weitere Kriege
Dass Selenskyj also mit großen Erfolgen von seiner Europa-Reise zurückkehrt, ist unwahrscheinlich. Aus Sicht des CSU-Politikers Silberhorn ist das ein Fehler. „Wir müssen in Europa darauf vorbereitet sein, mehr für die Selbstverteidigung der Ukraine zu tun“, sagte der frühere Staatssekretär im Verteidigungsministerium dieser Redaktion.
Wenn die Ukraine Putin nicht mehr aufhalten könne, gingen viele Ukrainer auf die Flucht, es drohten neue Kriege und Instabilität in Europa. „Es gibt leider nur schlechte Optionen“, fügte Silberhorn hinzu. „Die beste Option unter den schlechten ist für uns, die Ukraine mit allem zu unterstützen, was sie braucht, um Russland in die Schranken zu weisen.“
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