Berlin. Um für den Drohnenkrieg gerüstet zu sein, kommt bei der Truppe künftig ein spezieller Poncho zum Einsatz – mit magischem Beinamen.

Umrisse eines grauen Schattens huschen durch die Nacht. Ein Soldat bewegt sich im Dunklen, er ist nur schemenhaft zu erkennen. Der Mann trägt einen speziellen Antidrohnen-Poncho, der ihn nahezu unsichtbar macht – auch für Wärmebildkameras. Der Film eines Herstellers für militärische Schutzkleidung soll demonstrieren: In Zeiten moderner Kriegsführung reicht der klassische Tarnanzug nicht mehr aus.

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Dieser Meinung ist auch die Bundeswehr. Die Truppe schafft in einer ersten Tranche 1100 solcher Ponchos mit Schutz vor elektromagnetischer Aufklärung an. Mit den Tarnmänteln werden vorrangig die in Litauen stationierten deutschen Soldaten ausgerüstet. Dort an der Nato-Ostflanke stehen sie im besonderen Fokus von Russland. Die Anschaffung ist eine Lehre aus dem Krieg in der Ukraine, wo der massenhafte Einsatz kleiner, günstiger Drohnen eine bedeutende Rolle spielt.

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„In der Ukraine hat man zwei Lektionen lernen müssen: Wer heute keine Drohnen hat, hat verloren“, sagt der frühere Fallschirmjäger Matthias Bürgin dieser Redaktion und fügt hinzu: „Wer keinen Schutz vor Drohnen hat, hat auch verloren.“ Die Ukraine und Russland setzten Drohnen weit im Hinterland ein, Soldaten hätten selbst fernab der Front keine Ruhephasen mehr und müssten immer mit einem Drohnenangriff rechnen, analysiert der 48-Jährige. „Zum Schutz gehört neben der aktiven Abwehr auch die Tarnung.“

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Ex-Fallschirmjäger: „Wer heute keine Drohnen hat, hat verloren“

Bürgin ist Geschäftsführer der in Baden-Württemberg ansässigen Firma Saro GmbH. Sein Unternehmen hat den Auftrag bekommen, die Bundeswehr mit modernen Schutzponchos zu beliefern. „Bei den Antidrohnen-Ponchos kommt neben der optischen Tarnung eine weitere Ebene hinzu“, erklärt er sein Produkt. „Sie sollen Soldaten auch vor Aufklärung aus der Luft durch Drohnen schützen, die ihre Ziele mit einer Wärmebildkamera erkennen.“

Ein mit dem Antidrohnen-Poncho „Multicover“ Getarnter versteckt sich in dem Ästestapel am Waldboden.
Ein mit dem Antidrohnen-Poncho „Multicover“ Getarnter versteckt sich in dem Ästestapel am Waldboden. © Ghosthood | Ghosthood

Tarnung ist Bürgins Leidenschaft seit er zehn Jahre alt ist. „Die klassischen Nato-Muster waren mir in damals schon zu ineffektiv, weshalb ich meine Modellflugzeuge und Modellpanzer mit eigenen Kreationen bemalt habe“, erzählt er. Als Zwölfjähriger bastelte sich Bürgin einen Tarnanzug, um sich beim Versteckspiel einen Vorsprung zu verschaffen. Nach seiner Zeit bei der Bundeswehr entwickelte Bürgin sein eigenes Tarnmuster, das besser sein sollte als der klassische Flecktarn.

Anstatt wie andere Hersteller ein Muster am Computer zu entwerfen, suchte Bürgin nach Vorbildern in der Natur. „Ich bin in Laub- und Nadelwälder gegangen, auf Wiesen, in Steinbrüche und ins Gebirge und habe die Natur akribisch analysiert und bewertet.“ Bürgin brachte schließlich sein eigenes Muster auf den Markt, rüstete Polizei, Geheimdienste und nach einer Weile auch eine erste Nato-Streitkraft mit superleichten Scharfschützen-Tarnanzügen aus.

Deutsche Firma beliefert Ukraine mit Tarnanzügen und Tarnnetzen

Inzwischen beliefert seine Firma auch die ukrainische Armee mit Tarnanzügen und Tarnnetzen. Doch heutzutage brauchen Soldaten mehr, als in Wald oder Gebüsch schwer zu erkennen zu sein. Die Antidrohnen-Ponchos vertreibt Bürgin unter der Marke „Ghosthood“, was sich in etwa mit Geisterkapuze übersetzen lässt. Sie schützen nicht nur durch das Tarnmuster, der Stoff verbirgt auch Körperwärme vor Drohnen, die so ihre Ziele erkennen.

Der aufgespannte Antidrohnen-Poncho macht den Unterleib des Soldaten für Wärmebildkameras nahezu unsichtbar. Der ungeschützte Oberkörper ist hingegen gut zu erkennen.
Der aufgespannte Antidrohnen-Poncho macht den Unterleib des Soldaten für Wärmebildkameras nahezu unsichtbar. Der ungeschützte Oberkörper ist hingegen gut zu erkennen. © Ghosthood | Ghosthood

„Wir erreichen die thermale Tarnung dadurch, dass wir durch verschiedene Veredelungen den Stoff so behandeln, dass Soldaten darunter von Wärmebildkameras nicht erkannt werden“, erzählt er. Die genaue Zusammensetzung verrät er nicht – sie ist ein Geschäftsgeheimnis. „Ich sage immer scherzhaft, wir verwenden Feenstaub.“

Russlands Krieg gegen die Ukraine hat der Bundeswehr und ihren Partnerarmeen schmerzhafte Lücken in ihren Fähigkeiten schonungslos vor Augen geführt. „Der Einsatz von Drohnen in der Luft, zu Land und zu Wasser ist wesentliches Merkmal moderner Kriegsführung geworden“, sagt der oberste Soldat der Bundeswehr, Generalinspekteur Carsten Breuer, dieser Redaktion. Sie seien zwar kein neues Mittel, „neu ist aber die Nutzung auf allen Ebenen, in einem breiteren Einsatzspektrum und in größerem Umfang – noch verstärkt durch den technologischen Fortschritt, vor allem im Bereich der Software.“

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Die technische Entwicklung bei Drohnen ist rasend schnell, das gilt ebenso für die Gegenwehr durch Störgeräte und elektromagnetische Waffen. Die Ukraine und Russland versuchen ständig, sich einen technischen Vorteil gegenüber dem Gegner zu verschaffen. „Der Einsatz von Drohnen ist eine militärische Schlüsselfähigkeit“, sagt Breuer. Der Generalinspekteur rief vergangenes Jahr die Task Force Drohne ins Leben, um die Bundeswehr für den Drohnenkrieg zu rüsten. Die Expertengruppe sollte Bemühungen der Bundeswehr in dem Bereich bündeln und Vorschläge machen, wie die Truppe sich schnell besser aufstellen kann.

Bundeskanzler Olaf Scholz bekommt bei einem Truppenbesuch eine Überwachungsdrohne vorgeführt.
Bundeskanzler Olaf Scholz bekommt bei einem Truppenbesuch eine Überwachungsdrohne vorgeführt. © AFP/Getty Images | Getty Images

Ein wichtiger Punkt der seit kurzem vorliegenden Empfehlungen ist die schnellere Beschaffung handelsüblicher Klein- und Kleinstdrohnen, wie sie im Internet oder in Baumärkten angeboten werden. Damit nicht mal wieder langwierige Beschaffungsprozesse alles aufhalten, sollen Kommandeure den Einkauf selbst in die Hand nehmen können, um mit ihren Soldaten den Umgang und die Abwehr mit Drohnen zu üben. „Hierbei darf aber nur auf festgelegte Produkte zugegriffen werden, die entsprechende Sicherheitsforderungen einhalten“, betont ein Ministeriumssprecher gegenüber dieser Redaktion.

Die Bundeswehr reagiert außerdem darauf, dass mit Beginn des Ukraine-Kriegs die Sichtung mutmaßlich feindlicher Drohnen über Kasernen in Deutschland massiv zugenommen hat. Die Truppe kauft Störsender und „elektronische Zielhilfen zur wirksamen Bekämpfung von Drohnen“, wie der Ministeriumssprecher erklärt. Zu dem Maßnahmenpaket gehören zudem die Tarnponchos, die das Haus von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) geordert hat.

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    Die Bundeswehr setzt auf das Modell Multicover: Der Poncho ist weniger als ein Kilo schwer, zusammengepackt können Soldaten ihn als Kissen nutzen. Der Tarnmantel lässt sich auch als Unterstand oder als Tarnnetz aufspannen, um darunter zu schlafen, ohne einen tödlichen Drohnenangriff fürchten zu müssen. Allerdings können die äußeren Umstände den Schutz dieser militärischen Tarnkappe beeinträchtigen. „Lufttemperatur, Luftdruck, Sonnenstand, Wind, Bodentemperatur, Boden- und Luftfeuchtigkeit beeinflussen die Wirkung“, erklärt Bürgin.

    Seine Ponchos kosten pro Stück „deutlich unter 1000 Euro“, Bürgin unterbietet damit nach eigenen Angaben die Konkurrenz. Bereits in den kommenden Wochen sollen die 1100 Tarnmäntel bei der Bundeswehr ankommen. Dort denkt man bereits an weitere Bestellungen. „Eine weitergehende Ausstattung der Truppe nach dieser ersten Tranche ist vorgesehen“, erklärt das Ministerium.

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