Jerusalem. Alles schaut auf den Libanon – doch dann beginnt Israel mit dem Beschuss der Huthi-Rebellen. Wie viele Fronten verträgt das Land?

Wenn Israels jüdische Mehrheit am Mittwochabend den Beginn des Neuen Jahres feiert, werden viele Familien zerrissen sein, weil eines ihrer Mitglieder an der Front ist. Wobei man von eher von „einer der Fronten“ sprechen sollte: An Kampfzonen gibt es in diesem Krieg viele, und sie alle heizen sich auf. Das wurde schon zu Beginn dieser Woche allzu deutlich.

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Zwar blickt derzeit alles auf den Libanon. In der Nacht auf Montag waren israelische Kampfflieger aber auch über Syrien und dem Jemen unterwegs – und im Gazastreifen gehen die Streitkräfte immer noch aus der Luft und am Boden gegen Hamas-Terroristen vor.

Indes deutet vieles darauf hin, dass eine Bodenoffensive im Libanon bevorsteht. Laut mehreren US-Medienberichten, die ihre Informationen wohl von gut informierten Kreisen im Pentagon beziehen, könnte eine größere Invasion im Südlibanon noch im Laufe dieser Woche beginnen. Kleinere, punktuelle Missionen der israelischen Bodentruppen finden laut diesen Berichten schon seit Monaten statt. Sie sollen die Invasion vorbereiten helfen: Eliteeinheiten der israelischen Armee durchbrechen gezielt an mehreren Punkten die Landgrenze, um das Feld auszuspähen und Informationen zu sammeln, die für die Vorbereitung der Taktik wichtig sind.

Israel: Nur eines hält Netanjahu noch von einer Bodenoffensive ab

Bei diesen Vorstößen sollen die Soldaten auch in die Tunnel der Hisbollah vorgedrungen sein.

Was Israel derzeit noch von einer Bodenoffensive abhält, ist der Widerstand der USA. Die Biden-Administration befürchtet einen regionalen Flächenbrand und versucht Jerusalem seit Beginn des Kriegs von einer Ausweitung der Kampfzonen abzuhalten. Das ist aber längst geschehen – zuerst mit der Kriegserklärung durch die Hisbollah am 8. Oktober 2023, zuletzt durch die Pager-Attacken und gezielten Tötungen durch Israels Armee und Geheimdienste. Die Eskalationsschraube drehte sich auch in der Nacht auf Montag weiter: Erstmals seit 2006 griffen israelische Kampfdrohnen Ziele im Zentrum der libanesischen Hauptstadt Beirut an. Laut Armee waren palästinensische Terroristen das Ziel der Attacke.

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Fast ein Jahr nach Beginn des Kriegs in Gaza ist die Armee auch im Norden und Süden des Gazastreifens noch damit beschäftigt, Infrastruktur der Hamas zu vernichten. Am Montag war eine aufgelassene Schule im Norden des Gazastreifens das Ziel eines Luftschlags. Die Armee erklärte, dass es sich um ein Kommandozentrum der Hamas handelte, laut palästinensischen Angaben diente das Gebäude der Zivilbevölkerung als Schutzraum. Am selben Tag wurde auch ein Gebäude weiter im Süden des Gazastreifens beschossen. Ein Ende der Gaza-Kampagne ist nicht in Sicht. Von allen Fronten wird sie wohl die meisten Opfer bringen – schon jetzt sind es laut palästinensischen Angaben mehr als 41.000 Tote. Im Vergleich aller Kriegsschauplätze könnte die Libanon-Offensive wiederum die größte Zahl an Flüchtlingen bringen.

Israel im Konflikt mit seinen Nachbarn: Schiitische Milizen greifen an

Neben den Auseinandersetzungen mit den unmittelbaren Nachbarn im Westen und Norden sieht sich Israel auch mit zunehmendem Beschuss aus weiter entfernt liegenden Gebieten konfrontiert.

Vorgeblich aus Solidarität mit den Palästinensern greifen schiitische Milizen im Irak und im Jemen nun fast im Tagesrhythmus Israel an. Am Sonntag lösten Drohnen aus dem Irak Luftschutzalarm in Israels südlichster Stadt Eilat aus. Tags davor hatten proiranische Huthi-Milizen im Jemen eine Lenkrakete auf Israel abgefeuert. Ihr Ziel war der Internationale Flughafen Ben Gurion nahe Tel Aviv, auf dem etwa zur Zeit des Angriffs der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu landete – es war seine Rückkehr von der UN-Generalversammlung in New York. Es war der dritte Huthi-Angriff mit einer Langstreckenrakete in diesem Monat, dazu kamen einige Drohnenangriffe.

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Israels Luftwaffe flog daher zu den bisher schwersten Schlägen im Jemen aus. Dutzende Ziele wurden dabei angegriffen. Unter anderem war der Hafen von Hudaida betroffen, Ölaufbereitungsanlagen und Kraftwerke sollen bei dem Angriff zerstört worden sein. Die Huthis sollen über den Hafen iranische Waffen ins Land gebracht haben, erklärte Israels Armee.

Nahostkonflikt - Jemen
Feuer in der jemenitischen Hafenstadt Hudaida: Die Stadt wird von den Huthi-Rebellen kontrolliert. © DPA Images | -

Israel: Westjordanland ebenfalls unter Beschuss

Eine weitere Front findet zwar weniger Aufmerksamkeit, doch auch im Westjordanland hat Israels Armee nach Beginn des Gazakriegs die Angriffe intensiviert. Luftangriffe auf palästinensische Städte und Flüchtlingslager finden nun auch dort in regelmäßigen Abständen statt. Seit dem 7. Oktober wurden laut UN-Angaben dabei 676 Palästinenser getötet. Bulldozer der Armee gruben zum Teil ganze Stadtteile auf und zerstörten Wasserleitungen und Elektrizitätsnetze. Israels Militär gibt an, mit diesen Angriffen Hamas-Stellungen und andere terroristische Zellen beseitigen zu wollen.

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Für Israels Armee sind die zahlreichen Fronten herausfordernd, aber laut Experten schaffbar. Trotz aller Differenzen kann sich der Staat auch weiterhin auf die Unterstützung der USA verlassen – und das wird sich auch nach der Wahl nicht ändern, ob die Nachfolge Joe Bidens nun Kamala Harris oder Donald Trump heißen wird. Problematisch wird es für Israel wohl eher mittelfristig, wenn sich die wirtschaftlichen Folgen bemerkbar machen. Schon jetzt stufen internationale Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit Israels herab. Das könnte das Wachstum bremsen, wodurch dann auch für das Militär weniger Mittel und weniger Innovation zur Verfügung stehen.