Karlsruhe.

Ein Wuppertaler Islamist starb bei einer amerikanischen Militäroperation in Pakistan. Die Bundesanwaltschaft prüft nun, ob gegen US-Truppen ermittelt werden muss.

Der Bundesregierung droht wegen des Todes eines deutschen Staatsbürgers in Pakistan ein diplomatischer Konflikt mit den USA. Die Bundesanwaltschaft prüft, ob sie wegen des Drohnenangriffs ermitteln muss, bei dem der mutmaßliche Islamist Bünyamin E. (20) aus Wuppertal im Oktober getötet worden war. Kommt sie zu einem positiven Ergebnis, müssten sich die Ermittlungen wohl gegen das US-Militär richten, das gemeinsam mit der Bundeswehr in Afghanistan kämpft.

„Wir haben einen Beobachtungsvorgang angelegt“, räumte der zuständige Bundesanwalt Rolf Hannich gestern in Karlsruhe ein. E. war nach Aussagen seiner Verwandten in einer Moschee in Mir-Ali im pakistanischen Ost-Waziristan durch die Drohne umgekommen. Mir-Ali gilt als Ausbildungslager islamistischer Netzwerke, in dem junge Eu­ropäer entweder auf den Kampf gegen die Nato-Truppen in Afghanistan vorbereitet werden oder aber auf Selbstmordanschläge in ihren europäischen Heimatländern.

Viele Rechtsfragen

Gegen E., der erst im Sommer dieses Jahres aus NRW nach Pakistan gereist war, wurde wegen einer möglichen Zugehörigkeit zur „Islamischen Bewegung Usbekistan“ schon seit längerem ermittelt. Er galt noch bis vor zwei Jahren als völlig unauffällig und ist offenbar von Familienmitgliedern in radikales Fahrwasser gezogen worden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dabei auch eine Wuppertaler Moschee eine Rolle gespielt hat und der Wuppertaler Islamische Förder- und Integrationsverein, in dessen Vorstand E. vertreten war.

Der Tod durch den Drohnenangriff, der nach WAZ-Informationen durch E.’s Bruder Emrah bestätigt wurde, der sich im gleichen Lager wohl in einem Nebenraum der Mo­schee aufgehalten hatte, wirft erhebliche und völlig verschiedene Rechtsfragen auf. Die Karlsruher Anklagebehörde prüft in dem Beobachtungsvorgang, ob Bünyamin E. Deutscher war oder auch die türkische Staatsangehörigkeit besaß, ob das Afghanistan benachbarte Pakistan überhaupt als Kriegsgebiet gilt und auch, wer möglicherweise den Befehl für den Drohneneinsatz gab. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Staatsanwaltschaft Wuppertal eingebunden werden oder das Verfahren sogar alleine führen muss.

Ferngesteuerte Bomben

Durch US-Drohnen, die als ferngesteuerte Bomben wirken, sollen im Konflikt am Hindukusch bereits mehr als 1000 Islamisten ums Leben gekommen sein. Die „Predator“-Flugkörper gelten als sehr treffsicher. Der Aufenthaltsort der drei Toten war also offenbar zuvor ausgespäht oder verraten worden. Die beiden anderen Opfer des Angriffs vom 4. Oktober sollen anders als Bünyamin E. bereits länger im Terrornetzwerk verstrickt gewesen sein – unter anderem über Kontakte zur islamistischen Szene in Hamburg.

Wegen des heiklen diplomatischen Themas hält sich auch die Bundesregierung zurück, die derzeit nicht einmal die deutsche Staatsangehörigkeit von E. bestätigen möchte. Berlin hat auf eine Anfrage der Bundesanwälte noch nicht geantwortet. Dennoch deutete man an, dass ein Anfangsverdacht für ein Tötungsdelikt nach Abschluss der Prüfungen das Ergebnis sein könnte.

Der Fall E. erinnert an die Vorgänge um den Deutschtürken Murat Kurnaz, der in Pakistan von den USA gefangen genommen worden war und von ihnen in das Lager Guantànamo ge­bracht wurde.