Düsseldorf. Ministerpräsident Wüst hat im Landtag „das umfangreichste Sicherheits- und Migrationspaket in der Geschichte NRWs“ vorgestellt. Alle Infos zum Nachlesen.

  • Ministerpräsident Hendrik Wüst hält heute im NRW-Landtag eine Regierungserklärung.
  • Er äußert sich zu den Themen Migration, Integration und Abschiebung.
  • Die Rede und die Reaktionen zum Nachlesen in unserem Newsblog.

Drei Wochen nach dem Messer-Attentat von Solingen versucht NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) wieder in die Offensive zu gehen. Bei einer kurzfristig anberaumten Unterrichtung präsentierte er an diesem Mittwoch ab 10 Uhr im Düsseldorfer Landtag ein „Sicherheitspaket“.

Unter dem Titel „Nordrhein-Westfalen nach Solingen: Sicherheit, Migration, Prävention - den Worten Taten folgen lassen“ stellte der Regierungschef erweiterte Befugnisse für seine Sicherheitsbehörden, eine Neuordnung der Zuständigkeit in der Migration und Präventionsmaßnahmen vor. Manche Reformen kann NRW in Eigenregie veranlassen, anderes will man auf Bundesebene über die Länderkammer zumindest unterstützen.

Die Rede und die Reaktionen zum Nachlesen in unserem Newsblog:

11.35 Uhr: AfD-Mann Markus Wagner ist dran und zeichnet erwartungsgemäß ein düsteres Bild von Deutschland. Hendrik Wüst sei „der Obergrüne mit CDU-Parteibuch“. Wüst ignoriert die Provokationen und schlendert durch die Reihen der CDU-Fraktion. Interessant: CDU-Innenminister Herbert Reul verlässt ebenfalls die Regierungsbank und geht zielstrebig auf Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer zu. Er weiß, bei wem er sich bedanken muss, dass so umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen in Windeseile durchgewunken wurden. Quellen-TKÜ, 14-Jährige in der Verfassungsschutzdatei, mehr Druck auf Abschiebekandidaten, neue Datenbanken zu islamistischen Gefährdern, eine zweite Abschiebehaft - das galt bislang für viele Grüne undenkbar. Mit der FDP hätte Reul vieles bis 2022 so niemals durchbekommen. Damit beenden wir den Live-Ticker aus dem Landtag.

11.25 Uhr: Jetzt tritt Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer ans Rednerpult und muss tapfer Maßnahmen verteidigen, gegen die sie mitunter jahrelang argumentiert hatte. „Wir sind als schwarz-grüne Koalition selbstverständlich untereinander abgestimmt“, betont Schäffer. Lange sperrten sich die Grünen etwa dagegen, Flüchtlinge so lange zentral in Einrichtungen zu versammeln, bis sie abgeschoben werden. Die frühzeitige Verteilung auf die Kommunen sollte Integrationserfolge bringen, meist klappte das aber nicht. Jetzt sagt Schäffer im Landtag: „Von schnellen Verfahren profitieren auch die betroffenen Menschen, denn es ist einfach nur fair und richtig, ihnen Klarheit über ihre Perspektive zu geben.“

„Von schnellen Verfahren profitieren auch die betroffenen Menschen, denn es ist einfach nur fair und richtig, ihnen Klarheit über ihre Perspektive zu geben.“

Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer

11.12 Uhr: Höne attestiert Wüst nach seiner kurzen Phase der Merkel-Verehrung nun in der Migrationspolitik eine „180 Grad-Wende“, die jedoch die Balance aus Sicherheit und Freiheit und unsere Art zu leben, nicht gefährden dürfe. Wüst schmeiße sich „mutig hinter den ausfahrenden Zug“, höhnt Höne. Vieles sei zudem nicht stimmig: Warum wurde das Geld für eine zweite Abschiebehaft in NRW im Landeshaushaltsentwurf 2025 gestrichen, wenn jetzt doch eine solche gebaut werden solle? „Das Flüchtlingsministerium ist mit dem heutigen Paket zu einer nachgeordneten Behörde der Staatskanzlei geworden. Gut fürs Land, schlecht für die Ministerin“, sagt Höne zum Schluss seiner Rede.

11.05 Uhr: FDP-Fraktionschef Henning Höne legt los und den Finger gleich in die offene Wüst-Wunde: „Das Attentat von Solingen hätte mit der vorhandenen Rechtslage verhindert werden müssen.“ Dass dies nicht gelungen sei, liege in der Verantwortung der schwarz-grünen Landesregierung. „Niemand soll in der Debatte jetzt so tun, als hätte es an fehlenden rechtlichen Möglichkeiten gelegen.“ Die Methode Wüst „schöne Bilder, kein Maschinenraum“ stoße gerade an ihre Grenzen. Höne spießt auf, dass Wüst selbst am Montag in der Vorbereitung des Sicherheitspakets noch Zeit gefunden hatte, auf dem Hof von Reit-Olympiasiegerin Isabell Werth „Möhrchen an Pferde“ zu füttern.

10.54 Uhr: Jetzt spricht CDU-Fraktionschef Thorsten Schick. Er versucht dem Eindruck entgegenzuwirken, dass Wüst nicht die „geeinte“ Position der schwarz-grünen Landesregierung vorgetragen habe. Es sei „schäbig“, das zu behaupten, findet Schick. Das Kabinett habe alle Beschlüsse gestern gemeinsam getroffen. Klar scheint aber zu sein, dass die Grünen bei dem Sicherheitspaket nicht viel zu bestellen hatten. Flüchtlingsministerin Paul folgt der Debatte reglos. Die grüne Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur tippt auf ihrem Handy herum und wird gelegentlich vom neben ihr sitzenden Wüst in ein Getuschel verwickelt.

10.44 Uhr: Ott stellt klar, dass sich die SPD niemals für pauschale, sofortige Zurückweisungen ohne Rücküberstellungsverfahren an den NRW-Grenzen auf Kosten der europäischen Nachbarn hergeben werde. Das sei „Asylradikalismus der Union“, der sich am Erbe von Helmut Kohl und Angela Merkel versündige. „Der Flirt mit dem Populismus“ werde nur zu einem Strohfeuer in den Umfragen führen, warnt der Oppositionsführer.

10.40 Uhr: Lustiger Versprecher: Ott spricht Wüst versehentlich mit „Herr Merz“ an. Der lacht das auf der Regierungsbank weg. „Manche Freudsche Fehlleistung kann man sich nicht besser wünschen“, schiebt Ott hinterher. Hintergrund: Nach dem Solingen-Anschlag ist Wüst, der sich zwei Jahre lang eher gegen den konservativen Merz-Kurs in der Union gestellt hatte und auf die heimatlos gewordenen Merkel-Wähler schielte, auch eilig auf die Abschiebe- und Zurückweisungslinie eingeschwenkt.

10.34 Uhr: Ott erwähnt die schweren NRW-Behördenfehler bei der gescheiterten Abschiebung des späteren Solingen-Attentäters und beklagt, dass Wüst sich bis heute nicht dafür bei den Hinterbliebenen entschuldigt habe. Die Ankündigung einer Datenbank für ausreisepflichtige islamistische Gefährder zeige doch nur, dass das Land keinen Überblick habe und „nicht auf der Höhe der Zeit“gewesen sei. „Beim Anschlag von Solingen hat nicht das Asylrecht versagt, sondern ihre Landesregierung“, kritisiert Ott.

„Beim Anschlag von Solingen hat nicht das Asylrecht versagt, sondern ihre Landesregierung.“

SPD-Oppositionsführer Jochen Ott

10.30 Uhr: Jetzt kontert SPD-Oppositionsführer Jochen Ott. Er stellt gleich darauf ab, dass der unter Druck stehende Ministerpräsident Wüst sein Sicherheitspaket offenbar mit heißer Nadel gestrickt und nicht einmal seine Koalitionsfraktionen eingebunden hat: „Bis heute Morgen liegt dem Parlament kein einziger geschriebener Satz vor.“

10.28 Uhr: Wüst beendet seine Rede. Bemerkenswert: In den hinteren Grünen-Reihen rührt sich keine Hand. Prognose: Die Zeit der schwarz-grünen „Geräuschlosigkeit“ ist vorbei. Wüst steuert in der Migration um, will offenbar nicht länger den „Merkel-Erben“ spielen und mutet dem Koalitionspartner einiges zu.

10.25 Uhr: Noch ein Hammer: Wüst kündigt doch eine zweite Abschiebehaftanstalt in NRW an. „Das gehen wir jetzt an“, sagt er. Die angeschlagene grüne Flüchtlingsministerin Paul hatte gerade erst die Millionen für die seit Jahren geplante zweite Abschiebehaft am Düsseldorfer Flughafen umgewidmet. Sie sollte auf die lange Bank geschoben werden. Versteinerte Miene bei den Grünen-Abgeordneten. Sie verweigern Wüst zwischendurch den Applaus.

10.22 Uhr: Das ist eine komplette Kehrtwende von Schwarz-Grün: Ausreisepflichtige Asylbewerber müssen bis zur Abschiebung in Aufnahmeeinrichtungen des Landes bleiben! Im Koalitionsvertrag hatten die Grünen noch die frühe Zuweisung an die Kommunen durchgesetzt. Wörtlich hieß es dort: „Wir wollen eine schnelle dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in den Kommunen. Familien mit Kindern und vulnerable Personengruppen wollen wir nach drei Monaten, alle anderen Personengruppen möglichst nach sechs Monaten in die Kommunen zuweisen, um somit den Zugang zu speziellen bedarfsorientierten Betreuungsangeboten zu schaffen.“ Durch die frühe Zuweisung in die Städte wurden allerdings oft allerlei juristische Abschiebehindernisse geschaffen.

10.18 Uhr: „Wir zeigen Handlungsfähigkeit und Konsequenz“, sagt Wüst. Für die Grünen ist das alles schwer verdaulich. In den hinteren Reihen wird schon ab Minute 12 der Wüst-Rede nicht mehr mitgeklatscht.

10.16 Uhr: NRW legt gesonderte Dateien zu ausreisepflichtigen islamistischen Gefährdern und Hasspredigern an. Die Sicherheitsbehörden kennen diese Personen, aber offenbar nicht das für Abschiebungen zuständige Flüchtlingsministerium der Grünen Josefine Paul. Ein klassisches Schnittstellen-Problem. Die neuen Dateien sind wohl ein erstes Eingeständnis, dass die Ressortaufteilung in NRW gescheitert ist. Seit 2017 ist in NRW nicht mehr das Innenministerium für Flüchtlinge, Kommunen und Abschiebungen zuständig, obwohl viele Sicherheitsfragen gerade hier entschieden werden.

10.15 Uhr: Schwarz-Grün macht sich im Bund für eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung stark. Internetprovider sollen verpflichtet werden, vorsorglich IP-Adressen zur Verbrechensbekämpfung eine Zeit lang zu speichern. Der Europäische Gerichtshof hatte die Möglichkeiten zuletzt erweitert, im Bund steht jedoch die FDP auf der Bremse. NRW will jetzt mit einer Bundesratsinitiative Druck machen.

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10.14 Uhr: Die Mindestaltersgrenzen für die Speicherung und Nutzung von personenbezogenen Daten durch den Verfassungsschutz sollen abgesenkt werden. Weil sich immer mehr Jugendliche über die sozialen Netzwerke islamistisch radikalisierten, soll die in NRW bestehende Altersgrenze für die regelmäßige Datenverarbeitung von 16 Jahren auf ab 14 Jahre heruntergesetzt werden.

10.13 Uhr: NRW erweitert die Befugnisse der Sicherheitsbehörden im Umgang mit „Staatstrojanern“. Polizei und Verfassungsschutz soll es künftig erlaubt werden, sogenannte Quellen-TKÜ verstärkt einzusetzen. Dabei werden Sicherheitslücken in IT-Geräten genutzt, um heimlich Ausspäh-Software auf Handys und Laptops zu bringen. Das ist eine Konsequenz aus der unbemerkten Radikalisierung des Solingen-Attentäters und der Tatsache, dass islamistische Einzeltäter heute nicht mehr so sehr in Moscheen von Hasspredigern aufgestachelt werden, sondern in den sozialen Netzwerken. Sechs Anschläge in NRW konnten in den vergangenen Jahren nur deshalb verhindert werden, weil ausländische Geheimdienste vorher verdächtige Kommunikation abgeschöpft und den deutschen Kollegen einen Tipp gegeben hatten. Pikant: Für die NRW-Grünen ist die erweiterte Quellen-TKÜ eine Zumutung. Schon die bisherigen Regelungen zur IT-Überwachung im NRW-Polizeigesetz ging ihnen eigentlich zu weit.

„Die Belastungsgrenze unserer Gesellschaft ist an vielen Stellen erreicht.“

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst

10.10 Uhr: Das ist ein neuer Sound: Die Migration beschreibt Wüst als zentrale Herausforderung für das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat. „Die Belastungsgrenze unserer Gesellschaft ist an vielen Stellen erreicht.“ Wenn man einen weiteren Vertrauensverlust verhindern wolle, müsse sich „substanziell“ etwas ändern. Deshalb habe Schwarz-Grün nun das „umfassendste Sicherheitspaket in der Geschichte unseres Landes“ geschnürt.

10.08 Uhr: „Es gibt eine Zeit vor Solingen und es gibt eine Zeit nach Solingen.“ Wüst beginnt seine Rede emotional und schildert zunächst seine Begegnung mit Ersthelfern nach dem Terrorakt. Er spricht von einer „doppelten Zäsur für Deutschland“ und meint damit auch die AfD-Erfolge bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland unmittelbar nach dem Terrorakt.

10.02 Uhr: Die Sitzung beginnt. Hendrik Wüst geht noch einmal auf der Regierungsbank konzentriert sein Redemanuskript durch. Doch zunächst wird Wissenschaftsministerin Ina Brandes (CDU) als neue Landtagsabgeordnete vereidigt. Sie ist für Ex-Finanzminister Lutz Lienenkämper nachgerückt, der als Vorstand der Bundesbank nach Frankfurt gewechselt ist.

Hintergrund: NRW-Regierung nach Solingen-Attentat unter Druck

Schwarz-Grün ist schwer unter Druck geraten, weil die Abschiebung des späteren Solingen-Attentäters Issa al H. im vergangenen Sommer an NRW-Behördenfehlern scheiterte. Obwohl eine Rückführung des 26-jährigen Syrers nach Bulgarien, das als erstes EU-Einreiseland nach der „Dublin-Verordnung“ seine Zuständigkeit für das Asylverfahren erklärt hatte, Anfang Juni 2023 fest terminiert und organisiert war, kam sie am Ende nicht zustande. » Lesen Sie dazu: Solingen-Attentäter wurde auch in Österreich registriert.

Eine Chronik der Ereignisse in Solingen

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    Bittere Kuriosität: Issa al H. war in der Nacht des Zugriffs vorübergehend nicht in seinem Zimmer in der Flüchtlingsunterkunft Paderborn, saß aber wenige Stunden später wieder dort beim Mittagessen. Dennoch wurde kein weiterer Abschiebeversuch unternommen. Der Mann konnte in Deutschland bleiben und wurde Ende August 2023 nach Solingen zugewiesen.

    Messerangriff in Solingen - Mehr zum Thema:

    Wüst stellt sich vor Pauli

    Wüst stellt sich mit seiner auf 20 Minuten angesetzten Unterrichtung im Landtag auch vor die angeschlagene Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne). Sie hat nicht nur politisch die am Ende fatalen Fehler der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld (ZAB) und der Zentralen Unterbringung Paderborn (ZUE) zu verantworten. Die 42-Jährige wird auch wegen ihres persönlichen Krisenmanagements hart kritisiert. Nach dem Attentat mit drei Todesopfern und mehreren Schwerstverletzten war Paul vier Tage lang nicht zu sehen. » Lesen Sie dazu: Solingen-Täter – NRW räumt neue Panne bei Abschiebung ein.

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