Atlanta. Kamala Harris reagiert geschickt, als es um eine Schlüsselfrage der US-Wahl geht. So lief ihr erstes TV-Interview als Kandidatin.

Seit Wochen steht Kamala Harris unter Druck, Reportern Rede und Antwort zu stehen. Nun hat sie ihr Versprechen eingelöst, bis Ende August das erste Interview zu geben. Nicht nur das: Sie trat gleich gemeinsam mit ihrem designierten Stellvertreter, Tim Walz, dem Gouverneur von Minnesota, auf.

Und die Vizepräsidentin enttäuschte nicht. Sattelfest in den Themen, selbstbewusst und redegewandt. Sie dürfte damit den republikanischen Spitzenkandidaten Donald Trump, dessen Entgleisungen zunehmend aus dem Ruder laufen, weiter verunsichert haben.

Welche Themen im Mittelpunkt stehen würden, war von vornherein klar: Die Migrationskrise, die hohe Inflation und die allgemeine Unzufriedenheit der Wähler mit dem Zustand der amerikanischen Wirtschaft. Und natürlich Trumps endlose Serie von persönlichen Angriffen und geschmacklosen Beleidigungen, die am Mittwoch mit einem sexistischen Post auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social einen neuen Tiefpunkt erreichte. 

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Bei Schlüsselfrage antwortet Kamala Harris geschickt

CNN-Reporterin Dana Bash kam direkt zur Sache. Zunächst ging es um das Thema, das alle Amerikaner beschäftigt, nämlich die hohen Preise. Harris erinnerte daran, dass Trumps Verharmlosung der Corona-Epidemie vor vier Jahren den Weg bereitet hatte für die Lieferkettenengpässe, die zur hohen Inflation führten. Heute aber liege die Teuerung bei weniger als drei Prozent. Diesen Trend wolle sie fortsetzen. Insbesondere, indem sie ein Verbot von Preisabsprachen in der Lebensmittelindustrie und bei Pharmaherstellern durch den Kongress bringen will.

Auf die Frage angesprochen, wie sie zum Thema Fracking steht, das sie vor fünf Jahren noch abgelehnt hatte, antwortete die Vizepräsidentin auch geschickt. „Meine Werte sind dieselben geblieben, wir müssen erneuerbare Energien fördern.“ Dies schließe aber nicht aus, dass wer dazu lernt, auch neue Positionen einnehmen kann. Die Wende zur grünen Energie sei in vollem Gange, gleichwohl bedeute dies nicht, dass es keine Koexistenz mit fossilen Energieformen wie Fracking geben könne, so die Vizepräsidentin. Das Thema ist deswegen wichtig, weil es in Pennsylvania, dem wichtigsten aller Swing States, die Wahl entscheiden könnte.

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Harris: Trump hat wichtiges Gesetz torpediert

Souverän auch ihre Antwort darauf, wie sie mit dem Zustrom illegaler Einwanderer umgehen würde. Seitdem sie und Präsident Joe Biden fraglichen Anträgen auf Asyl einen Riegel vorgeschoben hätten, sei die Zahl der illegalen Einwanderer deutlich zurückgegangen. Zudem erinnerte Harris daran, dass die derzeitige Regierung mit Republikanern im Kongress zusammengearbeitet hatte, um eine Einwanderungsreform zu verabschieden. Blockiert hätten die Reform konservative Vertreter der Opposition nur deswegen, weil Trump das Gesetz torpedieren wollte, da er das Reizthema für den Wahlkampf braucht.

In die Rolle ihres volkstümlichen und sympathischen Stellvertreters schlüpfte Vizepräsidentschaftskandidat Walz. Er sei nicht nur stolz auf sein Vierteljahrhundert als Mitglied der Nationalgarde und seine Karriere als Lehrer. Er machte auch den Kontrast zum republikanischen Vizekandidaten J. D. Vance deutlich. Dieser hatte ihm vorgeworfen, sich einem Einsatz im Irak-Krieg entzogen zu haben und hinsichtlich seiner militärischen Karriere gelogen zu haben. Walz‘ Antwort: „Niemals werde ich ein anderes Mitglied des Militärs angreifen.“

Als das Interview am Donnerstag (Ortszeit) in der abendlichen Primetime begann, lag die Vizepräsidentin in nationalen Umfragen um dreieinhalb bis 4 Prozentpunkte vor Trump. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern sich die beiden Spitzenkandidaten hingegen nach wie vor in den kritischen „Swing States“ Pennsylvania, Michigan, Wisconsin, Georgia und Arizona. Da entweder Harris oder Trump in fast allen anderen Staaten uneinholbare Vorsprünge haben, werden die sogenannten Elektoren in diesen Staaten, die einen hohen Anteil an unentschlossenen Wechselwählern haben, den Ausgang entscheiden.

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Harris nimmt Republikanern Wind aus den Segeln

Mit ihrem souveränen Auftritt in dem etwa 45-minütigen Interview dürften Harris und Walz ihren republikanischen Gegnern weiter Wind aus den Segeln genommen haben. Zuvor hatte der Ex-Präsident Harris‘ Weigerung, sofort nach der Bekanntgabe ihrer Kandidatur ein Interview zu geben, scharf kritisiert. Er geißelte sie als „schlechte Debattiererin“ und schlichtweg „dummen Menschen“. Gleichwohl sind sich politische Beobachter einig, dass die Vizepräsidentin durch ihr gemeinsames Interview mit Walz vielmehr den Republikaner als intellektuelles Leichtgewicht enttarnte.

Auf Trumps schmutziges Spiel ließ sie sich nicht ein. Seine unzähligen Entgleisungen und Attacken quittierte sie mit dem trockenen Hinweis: „Nächste Frage, bitte.“ Dann lobte sie ihren derzeitigen Chef. Biden sei ein ehrenwerter Mann, der sich durch Liebe und Loyalität zu seinem Land auszeichnet. Ihr Gegner sei genau das Gegenteil, nämlich „nichts davon“. Und sie selbst? „Ich glaube an Stärke, die sich nicht darauf gründet, wen man niederschlägt, sondern wen man hochhebt.“

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