Washington. Die Republikaner wollen inhaltlich werden, doch Trumps Taktik gegen Harris zielt weiter unter die Gürtellinie – aller Kritik zum Trotz.

Kellyanne Conway, seine frühere Chefberaterin. Nikki Haley, Ex-Rivalin um die Präsidentschaftskandidatur. Kevin McCarthy, Ex-Sprecher des Repräsentantenhauses. Es waren keineswegs republikanische Hinterbänkler, die Donald Trump in dieser Woche öffentlich inständig dazu aufgerufen haben, das mit der „Charakter-Hinrichtung” von Kamala Harris endlich zu unterlassen. 

Viele Wähler, die den Haudrauf-Stil – den aktuellsten Umfragen nach zu urteilen – leid sind, könnten sonst am 5. November bei der Präsidentschaftswahl „in den Armen der Demokraten landen”. Dennoch bezeichnet der Ex-Präsident Harris weiter öffentlich als dumm, ihre ethnische Zugehörigkeit zur afroamerikanischen Community zweifelt er an. Und er dichtet ihr „das Lachen einer verrückten Person“ an. 

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Geht es nach den Republikanern, sollte Trump gerade jetzt – unmittelbar vor dem Demokraten-Parteitag in Chicago, der Harris das Dauerscheinwerferlicht der Medien bescheren wird – kühl und messerscharf bei den Dauerbrenner-Themen ansetzen „und so eine klare Alternative aufzeigen”: Viele Amerikaner treiben Inflation, Verbraucherpreise, Einwanderung und Kriminalität weiter um. 

Trump leitet die Angst, noch vor der Wahl ins Gefängnis zu müssen

So gesehen schien die Staffage, die bei Trumps zweiter großen Pressekonferenz binnen weniger Tage links und rechts des Rednerpultes aufgebaut war, ein Habe-verstanden-Zeichen zu sein: Anhand von Lebensmitteln wie Wurst, Cornflakes, Eiern und Obst, so die Erwartung seiner Kampagne, sollte Trump die trotz gesunkener Inflation unverändert hohen Verbraucherpreise durchdeklinieren und griffig darstellen, was dagegen zu tun ist.

In Bedminster sollte Donald Trump über die hohen Verbraucherpreise sprechen. Doch er hielt sich nicht an den Plan.
In Bedminster sollte Donald Trump über die hohen Verbraucherpreise sprechen. Doch er hielt sich nicht an den Plan. © Getty Images via AFP | ADAM GRAY

Aber Trump dachte nicht daran. Fast eine Stunde lang ignorierte er die optischen Handreichungen und zog stattdessen ganz im Stil bekannten Wehklagens zum Beispiel über Richter her, die ihn angeblich im Auftrag von Joe Biden und Kamala Harris hinter Gitter bringen wollten. Hintergrund ist das für Mitte September anstehende Strafmaß im New Yorker Schweigegeldprozess um den Porno-Star Stormy Daniels. Trump war im Mai schuldig gesprochen worden.

Nun will der 78-Jährige erreichen, dass Richter Juan Merchan die Höhe der Strafe erst nach der Wahl verkündet. Trump befürchtet offensichtlich, der unbeugsame Jurist könnte ihn noch vor dem 5. November ins Gefängnis stecken und leitet aus dieser Beurteilung der Lage die Ermächtigung ab, Harris öffentlich weiter pauschal zu verunglimpfen.

Donald Trump sagt: „Ich habe das Recht auf persönliche Attacken“

„Ich habe das Recht auf persönliche Attacken“, erklärte Trump in seinem Golf-Resort Bedminister. „Ich bin ihr sehr böse, dass sie das Justizsystem gegen mich und andere Leute einsetzt.” Tatsache ist, dass die Vizepräsidentin mit den gegen Trump laufenden Strafverfahren „nichts zu tun hat”, so das Justizministerium. Und so ließ der Präsidentschaftskandidat die Chance, die Demokraten beim Thema Verbraucherpreise zu stellen, nicht nur verstreichen – er verhedderte sich auch in Widersprüche.

Dass Harris am Freitag bei einer Kundgebung in North Carolina erläutern sollte, was die Regierung im Sinne von Millionen Amerikanern konkret gegen Wucherpreise in der Lebensmittelbranche zu unternehmen gedenkt, bezeichnete Trump als „kommunistische Preiskontrollen”. Ohne zu erklären, wie er denn dafür sorgen würde, dass etwa der Preis für den national beliebten Frühstücksspeck nicht mehr „durchs Dach geht”.