Berlin. US-Wahlkampfexperte erklärt, warum der Ex-Präsident mit dem Rücken zur Wand kämpft und wieso Harris‘ Strategie clever ist.
Donald Trump setzt im Wahlkampf gegen Kamala Harris jetzt auf Rassismus. Harris nennt ihn nur noch „weired“ (seltsam). Beides könnte aufgehen kann, sagt US-Wahlkampfexperte Julius van de Laar.
Was war das wichtigste Ereignis der Woche aus US-Sicht?
Julius van de Laar: Kamala Harris hat das Momentum auf ihrer Seite. Das erste Mal seit eineinhalb Jahren befindet sich Trump in der Defensive. Mehr als 10.000 Fans und Neugierige haben ihr bei Kundgebung in Atlanta zugeschaut — von solchen Mengen konnte Joe Biden nur träumen.
Hat das Auswirkungen auf Trumps Wahlkampfstrategie?
In der ersten Woche haben er und die Kampagne der Republikaner unterschiedliche Linien getestet, um Harris zu definieren: Mal ist sie ist zu liberal, mal zu radikal, dann wird sie als ineffektiv skizziert — quasi das unsichtbare Schoßhündchen Bidens. Ich gehe davon aus, dass einige der Attacken auch verfangen, vor allem mit Blick auf die Migrationspolitik, ein Thema bei dem Trump in allen Umfragen signifikant vor den Demokraten liegt und Harris große offene Flanken hat. Diese Woche jedoch wird eine neue Strategie sichtbar: In einem Gespräch mit schwarzen Journalisten setzt Trump auf Rassismus: Er sagt, Harris sei in Wirklichkeit nicht mal schwarz, sondern eine Inderin. Er will vermitteln: Kamala Harris ist „anders“ — also keine von uns. Den Amerikanern soll gesagt werden: Wenn ihr sie wählt, bekommt ihr eine Inderin als Präsidentin. Das ist stark verkürzt, zeigt aber die grobe Attacken-Linie.
Kann eine solche Strategie erfolgreich sein?
Durchaus. Das Trump-Team hat erkannt, dass man für einen Sieg vor allem die eigene Basis mobilisieren muss. Die Wahlbeteiligung in den Vereinigten Staaten ist extrem niedrig. Trump setzt nicht auf die sogenannten moderaten Wechselwähler, er sieht sein größtes Wahl-Potenzial in der Mobilisierung in seiner Anhängerschaft, bei denen, die in vergangenen Wahlen nicht zur Urne gegangen sind.
Wen hat er im Blick?
Vor allem junge Männer, die noch nie wählen waren. Dazu baut er seine Marke weiter aus. Er betont, dass das Attentat ihn noch wütender gemacht hat — quasi: Ich bin wütend für euch, weil ihr ständig über den Tisch gezogen werdet.
Zur Person
Julius van de Laar ist ein international tätiger Politikstratege und Kommunikationsberater. Er lebte 7 Jahre in den USA. Nach dem Studium der Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Furman University in den USA arbeitete er in den US-Präsidentschaftswahlkämpfen 2008 und 2012 als hauptamtlicher Wahlkämpfer für Barack Obama.
Spürt man Verzweiflung im Trump-Team?
Verzweiflung konnte ich bisher nicht erkennen. Aber: Trumps kompletter Wahlkampf war auf Biden ausgerichtet. Auf einmal ist Trump der älteste Präsidentschaftskandidat aller Zeiten. Das heißt in keiner Weise, dass Trump diese Wahl verloren hat – es wird aber sicherlich knapper werden, als wenn Joe Biden der Kandidat der Demokraten geblieben wäre. Harris schwebt im Augenblick auf einer Welle von Erleichterung und Euphorie. Es ist schwer vorstellbar, dass das bis zum Wahltag in diesem Maß anhalten wird.
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Trump fremdelt derzeit mit seinem Vize. War J.D Vance die falsche Wahl?
Stand heute: Ja.
Wird Trump ihn austauschen?
Ich würde es ihm raten, doch es entspricht nicht der DNA von Trump, einen Fehler einzugestehen. Vielleicht wird er aber sagen: als ich Vance auswählte, hieß der Gegner Biden. Jetzt haben wir eine neue Situation. Wenn er clever ist, versucht er Nikki Haley an seine Seite zu bekommen. Die könnte in dieser veränderten Dynamik wirklich nützlich für ihn sein.
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Harris kommentiert Trumps Aussagen nur noch mit „weird“. Ist das eine gute Idee?
Das ist eine cleveres Branding. „Weird“ bedeutet seltsam, komisch — ein Sonderling. Das ist eine gute Klammer. In der Vergangenheit haben die Demokraten gesagt: Er ist Rassist, er ist Sexist. Das war abturnend für alle, die Trump unterstützt haben. Jetzt bezeichnen sie ihn als „weird“. So wie ein Präsident nicht sein sollte.
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Was sagen denn die neusten Umfragen?
Trump liegt weiter vorn, sein Vorsprung ist leicht eingedampft. In einigen wichtigen Staaten ist Harris inzwischen fast gleichauf. Ich denke, dass sie die 270 Wahlmänner-Stimmen, die sie braucht, vor allem im Süden gewinnen will.
Womit muss man rechnen, wenn Trump merkt, dass er die Wahl verliert?
Trump kämpft mit dem Rücken zur Wand. Für ihn geht es um sehr viel. Wird er nicht gewählt, wartet der nächste Staatsanwalt. Er kandidiert auch für seine Freiheit. Trump wird alles tun, um diese Wahl zu gewinnen. Er wird vor nichts zurückschrecken. Der 6. Januar 2021 hat gezeigt, zu was er fähig ist. Er hat zum Sturm aufs Kapitol aufgerufen, um im Amt zu bleiben.
Name | Kamala Harris |
Geburtsdatum | 20. Oktober 1964 |
Amt | Vize-Präsidentin der USA |
Partei | Demokraten |
Familienstand | verheiratet, zwei Stiefkinder |