Washington/Berlin. Wer auch immer ab Januar im Weißen Haus sitzt: Dies hat weitreichende Konsequenzen für Europa und Deutschland. Sind wir darauf vorbereitet?

Der plötzliche Rückzug von Joe Biden hat die Karten im US-Präsidentschaftswahlkampf neu gemischt. Was würde ein US-Präsident Donald Trump für Deutschland bedeuten? Und: Wären wir darauf vorbereitet?

Der Druck auf Deutschland dürfte in vielerlei Hinsicht zunehmen. Präsident Donald Trump würde die militärische Unterstützung für die Ukraine radikal zurückfahren, vielleicht sogar auf null. Bislang betrug die US-Hilfe für die Ukraine mehr als 100 Milliarden Dollar. Unter Trump müssten die Europäer künftig diesen Anteil allein stemmen.

Donald Trumps Drohkulisse

Trump selbst fuhr bei einer Wahlkampfveranstaltung im Februar eine gewaltige Drohkulisse auf. Wenn Nato-Länder nicht genug in ihre Verteidigung investierten, könne Russland mit ihnen machen, „was auch immer zur Hölle es will“.

Auch interessant

Unter Trump würde Sicherheit zum Wirtschaftsgut, auch für Verbündete. Auf die Frage, ob die USA Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs verteidigen würden, sagte er dem Magazin „Bloomberg Businessweek“: „Ich denke, Taiwan sollte uns für die Verteidigung bezahlen. Wir sind nichts anderes als eine Versicherungsgesellschaft.“ Die Marke von mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung, zu der sich die Nato-Partner 2014 verpflichtet hatten, würde sehr wahrscheinlich deutlich nach oben verschoben. 

„Trump könnte die US-Beistandspflicht im Rahmen der Nato indirekt infrage stellen, um die Europäer unter Druck zu setzen. Dieses Damoklesschwert würde während Trumps Amtszeit wahrscheinlich erneut über Europa hängen“, sagte Dominik Tolksdorf von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) unserer Redaktion.

Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass ein Nato-Exit unmittelbar bevorsteht. „Kurzfristig ist unter Trump nicht mit einem Nato-Austritt der USA zu rechnen – zumal der Senat bei dieser Frage noch mitzureden hätte. Auch würden große Teile der Republikaner dies zumindest derzeit nicht befürworten“, sagte Martin Thunert vom Heidelberg Center for American Studies der Uni Heidelberg unserer Redaktion. „Trump wird aber Bedingungen stellen, dass die Europäer deutlich mehr für ihre Verteidigung ausgeben. Das gilt vor allem für große Nato-Staaten wie Deutschland. Es geht auch um Lastenteilung in Bedrohungslagen gegebenenfalls auch außerhalb Europas – etwa durch China oder den Iran –, die für die USA besonders wichtig sind.“

Trump wird auf Protektionismus setzen

Trump wirbt allerdings in seiner großspurigen Rhetorik, den diplomatischen Zauberschlüssel für alle internationalen Krisen gefunden zu haben. Er sei in der Lage, den Krieg zwischen Moskau und Kiew „innerhalb von 24 Stunden“ beizulegen. Wie ein solcher Wunder-Deal aussehen soll und ob Trump ein Diktat-Frieden nach dem Geschmack des russischen Präsidenten Wladimir Putin vorschwebt, ließ er offen.

Auch interessant

Mit Blick auf Israel dürfte Trump den engen Schulterschluss mit Premierminister Benjamin Netanjahu pflegen, wie in seiner ersten Amtszeit. Dafür wird er umso stärker den Iran und dessen Atomprogramm ins Visier nehmen.

In der Wirtschaftspolitik wird Trump erneut auf Protektionismus setzen. Er hat bereits angekündigt, die Zölle für Exporte nach Amerika um zehn Prozent und für chinesische Produkte sogar um bis 60 Prozent zu erhöhen. Das würde deutsche Unternehmen besonders hart treffen. Die USA waren 2023 mit einem Volumen von 158 Milliarden Dollar der größte Exportmarkt für die deutsche Wirtschaft.

Sind wir darauf vorbereitet?

Aus Kreisen der Bundesregierung wird immer wieder hervorgehoben, dass Gespräche mit Republikanern und Demokraten geführt würden. Man sei auf jeden Wahlausgang vorbereitet.

Ob das im Falle eines Trump-Wahlsieges tragen würde, wird bezweifelt. „Die Ampelkoalition scheint mir noch keine engen Drähte zu den Trump-Leuten aufgebaut zu haben“, gibt Thunert zu bedenken. „Richard Grenell, der in Berlin äußerst unbeliebte frühere US-Botschafter, wird in der Trump-Außenpolitik vermutlich eine wichtige Rolle spielen – als Außenminister, Verteidigungsminister oder Sicherheitsberater.“