Berlin. In Kiew schaut man angespannt auf die USA. Eine Wahl Trumps wäre für das Land existenzbedrohend. Was hieße Harris‘ Wahl für die Ukraine?

Die US-Wahl treibt außerhalb Amerikas viele Staaten um, insbesondere Partnerländer. Für die Ukraine ist der Ausgang geradezu existenzbedrohend. Der scheidende Präsident Joe Biden war wie ein Schutzengel. Mit dem nun unvermeidlichen Wechsel kommt es zum Neustart in der Ukraine-Politik.

„Wir werden Präsident Bidens Führung immer dankbar sein“, schrieb Präsident Wolodymyr Selenskyj auf X. Er habe seinem Land „im dramatischsten Moment der Geschichte unterstützt“. Er hoffe aufrichtig, „dass Amerikas anhaltend starke Führung verhindern wird, dass das russische Böse Erfolg hat“. Dessen kann er sich nicht sicher sein.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Ein demokratischer Präsident bietet die größte Aussicht auf Kontinuität, allen voran Vizepräsidentin Kamala Harris. Vor gut einem Monat war sie Selenskyjs Einladung zum Friedensgipfel in der Schweiz gefolgt. Selenskyj kann sie an ihren Worten messen:

  • Kamala Harris kündigte ein Hilfspaket von mehr als 1,5 Milliarden Dollar an;
  • und rief dazu auf, „Diktatoren die Stirn zu bieten“, selbstredend war Kremlchef Wladimir Putin gemeint.
  • Zu Selenskyj sagte sie, „die USA teilen Ihre Vision“. Das Ende des Krieges dürfe nicht ohne die Ukraine bestimmt werden. 

Harris begründet Feuerschutz für die Ukraine

Bemerkenswert war ihre Begründung: „Amerika steht nicht aus Nächstenliebe an der Seite der Ukraine, sondern weil es in unserem strategischen Interesse ist.“ Die Bedingungen von Kremlchef Wladimir Putin für Friedensverhandlungen wies sie als abwegig zurück. „Er ruft nicht zu Verhandlungen auf, er ruft zur Kapitulation auf.“

Putin stellt eine direkte Bedrohung für amerikanische Interessen in Europa dar. Für viele Außenpolitiker und Militärs in Washington ist es deswegen ein Wert an sich, dass Putin den Ukraine-Krieg nicht gewinnt. Auf den Einfluss solcher Sicherheitskreise hofft Selenskyj. Er weiß: „Nicht alles hängt von uns ab.“ Ein gerechtes Ende des Krieges hänge auch von Finanzen, Waffen, politischer Unterstützung, von der Einheit in der EU, in der Nato, in der Welt.

Nach dem Rückzug von Biden nahm der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, Kontakt zum Harris-Berater Philip Gordon. Der Amerikaner gilt als möglicher neuer Sicherheitsberater, falls Harris als Kandidatin nominiert und die US-Wahl gewinnen sollte.

Auch interessant: Ukraine-Krieg: Woran Friedensgespräche mit Putin scheiterten

Trump bei der Eitelkeit packen?

Bei Harris weiß Selenskyj, woran er ist; bei Trumps Vizepräsidenten-Kandidat JD Vance auch. Der argumentiert, dass die Unterstützung für Selenskyj & Co. „unnötig kostspielig“ sei. Eine Rückkehr der Ukraine zu ihren Grenzen vor der Invasion nannte er „fantastisch“. Und meint damit: utopisch. Noch 2022 sagte er in einem Podcast-Interview mit Steve Bannon, einem langjährigen Berater Trumps: „Was mit der Ukraine passiert, ist mir so oder so egal.“

Die Ukrainer wissen, dass das Wort Ukraine im Programm der republikanischen Partei nicht mal vorkommt. Sie feilen an Strategien, um Trump für sich einzunehmen. Ihm ist sein Image wichtig – starker Führer – und er will ins Geschäft kommen. Der Wiederaufbau der Ukraine verspricht, ein Milliardengeschäft zu werden. Und das Eingeständnis, dass die USA die Ukraine nicht mehr schützen können, würde den peinlichen Abzug aus Afghanistan in den Schatten stellen. Das sollte mit Trumps Ego unvereinbar sein.

Das könnte Sie auch interessieren: Trump will Frieden zwischen Selenskyj und Putin arrangieren

Selenskyj kann sehr einnehmend sein. Er hat Trump gleich nach der Nominierung gratuliert und mit ihm Treffen verabredet, um die Schritte zu „einem gerechten und wirklich dauerhaften Frieden“ zu klären. Er wehrt sich gegen die totale Fremdbestimmung. Bei Trump kann er sich nicht sicher sein, dass der keinen Deal mit Putin auf Kosten der Ukraine macht, bei Harris schon eher.