Berlin. Der Minister soll weniger Geld bekommen, als er gefordert hat – ein Problem für die Bundeswehr. Experten fordern, schnell nachzulegen.
Ein Wochenende und zehn Flugstunden liegen hinter Boris Pistorius, als er sich erstmals zur großen Enttäuschung der vergangenen Tage äußert. „Ärgerlich“ sei es, dass er bei den jüngsten Haushaltsverhandlungen deutlich weniger bekommen hat als gefordert, sagte der Verteidigungsminister am Sonntag (Ortszeit) im fernen Alaska. Der SPD-Politiker besucht dort das Nato-Manöver „Arctic Defender“. Der Minister warnte: Wenn es so kommt, könne er eben „bestimmte Dinge“ nicht in der Geschwindigkeit anstoßen, wie es Zeitenwende und Bedrohungslage eigentlich erforderten.
Pistorius hatte für seinen Verteidigungsetat ein Plus von 6,7 Milliarden Euro gefordert und argumentiert, dass der Bundeswehr andernfalls ein „Rüstungsstopp“ drohe. Als dann aber Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) am vergangenen Freitag das Ergebnis ihrer wochenlangen Beratungen zum Bundeshaushalt 2025 präsentierten, wurde klar, dass der Minister zurückstecken muss. Sein Etat soll nur um bescheidene 1,2 Milliarden Euro wachsen. Das wird womöglich nicht einmal ausreichen, um steigende Betriebskosten bei der Truppe auszugleichen.
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Grundsätzlich ist die Bundeswehr derzeit noch einigermaßen auskömmlich finanziert. Sie zehrt vom Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro, das Ampel-Koalition und Union vor zwei Jahren im Angesicht des russischen Überfalls auf die Ukraine auf die Beine gestellt und im Grundgesetz verankert hatten. Das war ein wesentliches Element dessen, was Kanzler Scholz als „Zeitenwende“ bezeichnet: Ein grundlegender Kurswechsel in der deutschen Sicherheits- und Außenpolitik, zu dem auch die Sanierung der maroden Streitkräfte gehört.
Bundeswehr: Das Sondervermögen geht zur Neige
Doch das Geld aus dem Sondervermögen ist bereits ausgegeben oder fest verplant. Verteidigungsminister Pistorius befürchtet, dass Russlands Machthaber Wladimir Putin sein Land schon in wenigen Jahren so hochgerüstet haben könnte, dass er die Nato angreift. Die Forderung nach deutlich mehr Geld im regulären Haushalt begründete Pistorius damit, dass Deutschland jetzt dringend das notwendige Gerät bestellen müsse, um in den nächsten Jahren wirksam abschrecken oder sich notfalls verteidigen zu können.
Pistorius wollte aber auch ein Signal senden an die Nato-Partner: Deutschland übernimmt Verantwortung. Das sollte vor dem anstehenden Gipfeltreffen der Allianz die Botschaft sein, mit der der Minister anreisen wollte – insbesondere auch im Hinblick auf die Debatten in den USA. Der Nato-Gipfel beginnt am Dienstag in Washington, er soll bis Donnerstag dauern. Ganz gleich, wer im Herbst die Präsidentschaftswahlen in den USA gewinnen wird: Sowohl Amtsinhaber Joe Biden als auch Herausforderer Donald Trump verlangen von den Europäern, mehr für die eigene Sicherheit zu tun.
In Berlin hatte Kanzler Scholz nach der Haushaltseinigung über Pistorius gesagt: „Ehrgeizige Minister wollen immer ganz viel, und das ist gut.“ Den Umstand, dass sich das in Zahlen nur bedingt niederschlägt, kann man durchaus als Dämpfer für den beliebten Verteidigungsminister werten.
Boris Pistorius hofft auf Nachbesserungen im Bundestag
Der übte sich nun in Zweckoptimismus: „Wir werden sehen, was sich in den kommenden Wochen und Monaten ergibt.“ Schließlich wird der Haushalt noch vom Bundestag beraten und verändert. Das, was die Regierungsspitzen am Freitag auf den Weg gebracht hatten, war erst ein politischer Eckpunkte-Beschluss.
Die Zeitenwende werde gleichwohl nicht abgewürgt, betonte der Verteidigungsminister jetzt. Schließlich verspricht der Kanzler, dass der Verteidigungsetat von 53 Milliarden Euro im kommenden Jahr einen Riesensprung machen soll auf rund 80 Milliarden Euro im Jahr 2028.
Die enorme Steigerung wird erforderlich, wenn Deutschland weiterhin die Nato-Vereinbarung erfüllen will, mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Bis dahin wird das Nato-Ziel erreicht, weil die Regierung die Ausgaben des Sondervermögens über mehrere Jahre verteilt. Das ergibt einen entsprechend großen Handlungsbedarf, und ich bewerbe mich darum, ihn zu lösen“, sagte Scholz am Tag der Haushaltseinigung.
Verteidigungsetat muss „eher in Richtung drei Prozent gehen“
Wie der Zuwachs gestemmt werden soll, ist allerdings fraglich. „Die Bundeswehr und auch die Rüstungsindustrie brauchen vor allem Planungssicherheit“, mahnte am Montag der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter im Gespräch mit dieser Redaktion. Die Bundesregierung sei schon beim aktuellen Haushalt gefordert, durch Umpriorisierung genügend Mittel freizumachen, damit das Zwei-Prozent-Ziel der Nato aus dem Etat heraus erreicht werden kann.
Dies dürfte nicht geschehen „durch die Zweckentfremdung des Sondervermögens und andere Positionen, die aktuell eingerechnet werden“. Kiesewetter betonte zugleich, dass die Anforderungen an Deutschland im Nato-Rahmen in Zukunft zunehmen dürften. „Da muss ein verstetigter Verteidigungsetat eher in Richtung drei Prozent gehen.“
Auch innerhalb der Koalition steigt der Druck, beim Verteidigungsetat 2025 noch eine Schippe draufzulegen. Der Grünen-Haushälter Sebastian Schäfer sagte dieser Redaktion, die Spitzen der Regierung hätten einen Kompromiss gefunden, der eine gute Grundlage sei für die weiteren Verhandlungen mit dem Parlament. Nicht zuletzt bei der Sicherheitspolitik bestünden aber „weitere Notwendigkeiten“. Schäfer betonte: „Am Ende des Haushaltsverfahrens müssen wir unserer Verantwortung für die Sicherheit gerecht werden.“
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