Berlin. In der Ampel-Krise ruft Robert Habeck zum Durchhalten auf. Doch auch die anderen sollten nun liefern. Die Politik-News im Blog.
- Robert Habeck über Ampel-Krise: „Schlechteste Zeit, Regierung platzen zu lassen“
- SPD-Chefin über einen möglichen Koalitionsbruch: „Wir sind gut vorbereitet“
- SPD-Generalsekretär Matthias Miersch äußert sich mit klaren Worten zur Ampel-Krise
- CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sieht derweil keine Chance, die Ampel per Misstrauensvotum endgültig zu Fall zu bringen
Im Newsblog halten wir Sie über die wichtigsten bundespolitischen Entwicklungen auf dem Laufenden.
Politik-News vom 4. November – Medienbericht: Über 60 Prozent der geplanten Abschiebungen scheitern
7.25 Uhr: Deutsche Polizisten haben einem Medienbericht zufolge von Januar bis September dieses Jahres fast 62 Prozent der geplanten Abschiebungen nicht vollenden können. Das gehe aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Frage der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht (BSW) hervor, berichtete die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (NOZ, Dienstagsausgabe). Demnach scheiterten zwischen Januar und September 2024 von 38.328 geplanten Abschiebungen 23.610. Das sind 61,6 Prozent.
Für das ganze Jahr 2023 lag dieser Wert bei 65,6 Prozent: Damals scheiterten 31.330 von 47.760 geplanten Abschiebungen. 2022 betrug die Quote 64,3 Prozent, 2021 waren es 60,6 Prozent.
In Deutschland können seit Langem viele Abschiebungen nicht durchgesetzt werden, etwa weil die Betroffenen untertauchen, Gerichte eine Abschiebung verbieten oder der Flug nicht durchgeführt werden kann. Im Januar 2024 hatte der Bundestag mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen ein Gesetz für mehr und schnellere Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber beschlossen. Es sieht insbesondere verlängerte Haftmöglichkeiten für Abschiebepflichtige und mehr Rechte der Polizei bei Durchsuchungen vor.
Habeck: Die anderen sollen auch Vorschläge machen
7.05 Uhr: Im Streit der Koalition aus SPD, Grünen und FDP sind die Wogen noch immer nicht geglättet – und der Koalitionsausschuss am Mittwoch rückt näher. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rief angesichts der US-Wahl und des Ukraine-Kriegs zum Durchhalten auf. „Dies ist die schlechteste Zeit, eine Regierung platzen zu lassen und eine Leichtfertigkeit verbietet sich dort“, sagte er in den ARD-„Tagesthemen“. Die Ampel habe es immer wieder hinbekommen, in schwierigen Situationen auch Beschlüsse zu fassen. Aber: „Diese Koalition wird auch keine Liebesbeziehung mehr werden.“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Habeck wollen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur heute erneut zu einem Gespräch zusammenkommen. Dabei soll weiter geklärt werden, wie die Ampelkoalition in der Wirtschafts- und Finanzpolitik wieder auf eine gemeinsame Linie kommen kann. Am Mittwoch kommt mit dem Koalitionsausschuss dann eine größere Runde zusammen, der auch die Partei- und Fraktionschefs von SPD, Grünen und FDP angehören.
Der Streit innerhalb der Koalition hatte sich zuletzt durch Habecks Vorschlag für einen staatlichen schuldenfinanzierten Investitions- und Infrastrukturfonds und ein Papier von Lindner mit Ideen für eine wirtschaftspolitische Kehrtwende verschärft. Darin fordert der FDP-Chef eine „Wirtschaftswende“ mit einer „teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen“.
Das Milliardenloch im Bundeshaushalt, muss bis zur Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses gestopft werden, die am 14. November geplant ist. Habeck sagte, er halte eine Einigung über den Bundeshaushalt 2025 für möglich. Die freigewordenen Intel-Milliarden, die eigentlich im Klima- und Transformationsfonds vorgesehen seien, könnten einen Beitrag leisten, um die Haushaltslücke zu reduzieren, so Habeck. Das ist ein Entgegenkommen in Richtung Lindner. Der Intel-Konzern hatte den Bau eines Werks in Magdeburg verschoben, den Deutschland fördern wollte. Vorgesehen waren milliardenschwere staatliche Fördermittel.
Nach diesem Zugeständnis erwartet der Wirtschaftsminister ein Entgegenkommen der anderen Seite. „Nun erwarte ich allerdings auch, dass die anderen auch im eigenen Bereich mal Vorschläge machen und nicht immer nur – und das ist ja das schlechteste Spiel – immer den anderen sagen, was sie von ihnen erwarten“, sagte Habeck in den ARD-„Tagesthemen“. Er habe jetzt vorgelegt.
Ampel kurz vor dem Ende? SPD-Chefin: „Wir sind gut vorbereitet“
17.05 Uhr: Laut SPD-Chefin Saskia Esken ist ihre Partei auch für den Fall eines Koalitionsbruchs gut aufgestellt. „Wir sind als SPD bereit, mit der Situation, so wie sie sich entwickelt, auch umzugehen, und wir sind darauf auch gut vorbeireitet“, sagte Esken in Berlin auf die Frage, ob die SPD auch zum Anführen einer Minderheitsregierung bereit wäre, etwa wenn die FDP die Koalition verlassen würde.
Die SPD würde die Ampel also weiterführen: „Wir sind auf jeden Fall dafür aufgestellt, diese Regierung weiterzuführen.“ Das jüngste umstrittene Papier mit Vorschlägen von FDP-Chef Christian Lindner betrachte sie „als Beitrag zum Wahlkampf“. Kein einziger konkreter Punkt sei geeignet für eine Regierung unter sozialdemokratischer Führung.
SPD-Spitze zum Koalitionskrach: „Weglaufen gilt nicht“
9.48 Uhr: Im erbitterten Streit der Ampel-Koalition über die Wirtschafts- und Finanzpolitik sieht die SPD-Spitze noch Kompromissmöglichkeiten. Generalsekretär Matthias Miersch (55) sagte im ARD-Morgenmagazin, das Bündnis mit FDP und Grünen sei nicht am Ende. „Ich halte nichts davon, jetzt hier in irgendeiner Form ein Ende an die Wand zu malen.“ Die Koalition habe „eine verdammte Verantwortung in diesen schwierigen Zeiten“.
Unabhängig von der US-Wahl diese Woche komme es darauf an, dass es eine stabile Bundesregierung gebe, die sich nicht streite wie in den vergangenen Wochen, sagte Miersch. „Deswegen: Alle müssen sich am Riemen reißen. Und: Weglaufen gilt nicht.“
Ende vergangener Woche hatte FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner in einem Grundsatzpapier eine Neuausrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik gefordert. Das heizt den Richtungsstreit in der Koalition an.
Dazu sagte Miersch: „Wir haben eine ernste Lage.“ Jetzt müsse miteinander geredet werden. Das Dreier-Bündnis habe schon bewiesen, dass es gemeinsame Wege finden könne. Er sei zuversichtlich, dass es allen darum gehe, Stabilität herzustellen – „und dazu rufe ich alle auf“. Zur Stimmung in der Bevölkerung sagte er: „Klar ist: Alle sind genervt.“
Klingbeil mahnt Koalition zu gemeinsamem Kampf gegen Wirtschaftskrise
8.46 Uhr: Angesichts des Streits um die Wirtschaftspolitik hat SPD-Chef Lars Klingbeil die Parteien der Ampelkoalition zum gemeinsamen Kampf gegen die Wirtschaftskrise aufgefordert. „Es darf dabei keine Tabus geben“, sagte Klingbeil der „Augsburger Allgemeinen“ (Montagausgabe). Es gehe dabei nicht um Parteiinteressen, sondern um das Land und um die Rettung von Arbeitsplätzen.
Der SPD-Vorsitzende wies dabei Kritik am Alleingang des Kanzlers beim Industriegipfel zurück. „Wenn der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland sagt, ich rette die Industriearbeitsplätze in diesem Land, dann braucht er dafür keine Erlaubnis“, sagte er. Es sei richtig, dass der Kanzler hier eine klare Priorität gesetzt habe. „Und ich erwarte, dass alle diese Priorität erkennen und ihn dabei unterstützen“, appellierte Klingbeil an die Koalitionspartner.
Er erwarte, dass auch FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner dies im Zweifelsfall ähnlich sehe. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein liberaler Finanzminister sagt, dass es ihm egal sei, was in diesem Land mit Unternehmen, mit der wirtschaftlichen Stärke oder mit Industriearbeitsplätzen passiert“.
CDU-Generalsekretär sieht keine Chance für Misstrauensvotum
8.17 Uhr: CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann (47) sieht keine Chance, die zerstrittene Ampel-Koalition mit einem Misstrauensvotum im Bundestag endgültig zu Fall zu bringen und eine neue Regierung zu bilden. „Weil es mit diesen Grünen nicht geht — in der Migrations- und in der Wirtschaftspolitik“, sagte er im Berlin-Playbook-Podcast des Nachrichtenmagazins „Politico“ (Montag). „Ein Misstrauensvotum würde nur Sinn machen, wenn es auch eine realistische Mehrheit gibt, die dafür sorgt, dass wir einen neuen Kurs bekommen in Deutschland.“
Im Bundestag ist ein erfolgreiches Misstrauensvotum gegen den Kanzler zwingend mit der Neuwahl eines anderen Regierungschefs verbunden. Dafür bräuchte die Union eine Mehrheit, für die auch die FDP nicht ausreichen würde, falls sie die Seiten wechseln sollte. Da die CDU mit AfD und Linken jegliche koalitionsähnliche Zusammenarbeit ausgeschlossen hat, bliebe nur der theoretische Fall einer Dreierkoalition mit den Grünen – den Linnemann ausschließt. Ein Neustart ist damit auf diesem Weg nicht möglich: „Das geht nur mit Neuwahlen und damit klaren Verhältnissen“, sagte er.
Die Politik-News vom 28. Oktober bis zum 3. November finden Sie hier.