Düsseldorf. 20 Prozent mehr Straftaten durch Clan-Kriminalität in NRW. Bekommt Schwarz-Grün das Problem nicht in den Griff? Was die Opposition Reul vorwirft.
Innenminister Herbert Reul versteht sich als Vorreiter im Kampf gegen die Clan-Kriminalität in NRW. Nun gerät er unter Druck. Grund ist das neue Lagebild Clan-Kriminalität des Landeskriminalamts in NRW (LKA NRW), das am Dienstag veröffentlicht wurde. Die NRW-Polizei hat im vergangenen Jahr 20,3 Prozent mehr Straftaten mit Clanbezug als in 2021 gezählt.
Zum Hintergrund:Clankriminalität: Rund 20 Prozent mehr Straftaten in NRW
Clan-Kriminalität in NRW: SPD wirft Reul „Kontrollverlust“ vor
SPD und FDP warfen dem Minister am Dienstag vor, das Problem Clan-Kriminalität nicht in den Griff zu bekommen. Die SPD wirft Schwarz-Grün sogar einen „Kontrollverlust“ vor. Laut Christina Kampmann (SPD) reiche die Strategie der 1000 Nadelstiche, auf die Reul beim Kampf gegen die Clan-Kriminalität setzt, nicht. Die „großen Köpfe“ der Clans könne man damit nicht beeindrucken.
FDP-Landesvorsitzender Henning Höne hält die Nadelstich-Strategie zwar grundsätzlich für „okay“. Er wirft Schwarz-Grün aber vor, sich zu stark auf die Suche nach einer korrekten Bezeichnung für das „Phänomen“ Clan-Kriminalität zu konzentrieren, anstatt das Problem zu bekämpfen. „Diese Art Politik zu machen, stärkt in mir nicht das Vertrauen, dass Clan-Kriminalität wirklich ein Schwerpunkt dieser Regierung ist“, so Höne am Dienstag.
Die Opposition ist der Meinung, das Problem müsse breiter angepackt werden. Zur Bekämpfung der Clan-Kriminalität sollten Polizei, Staatsanwaltschaft und Finanzbehörden enger zusammenarbeiten, so die Liberalen. Man müsse sich mehr als bisher darauf konzentrieren, Vermögen der Clanmitglieder wie zum Beispiel teure Autos sicherzustellen. Laut SPD lasse sich das Problem nur in einem „breiten Schulterschluss“ von Bund und Ländern bekämpfen.
Das Clan-Problem wird in NRW immer größer
Seit Jahren versucht NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) mit einer Strategie der „1000 Nadelstiche“ gegen die Clan-Kriminalität in NRW anzukämpfen. Das neue Lagebild Clankriminalität des Landeskriminalamts (LKA) nährt allerdings Zweifel, ob die Landesregierung bei ihrem Kampf gegen die Clans wirklich vorankommt.
Was ist das Problem?
Das Lagebild zeigt einen Anstieg von Straftaten durch Clankriminalität von 20,3 Prozent im Jahr 2022. 6.573 Straftaten wurden zuletzt gezählt. Auch die Zahl der Tatverdächtigen soll um 11,2 Prozent auf 4.035 gestiegen sein.
Welche Straftaten begehen Clan-Kriminelle?
Ein knappes Drittel der Straftaten machten 2022 die sogenannten Rohheitsdelikte wie beispielsweise Raub, Bedrohung oder Körperverletzung aus. Oft wurden auch „Straftaten gegen die persönliche Freiheit“ registriert, also Freiheitsberaubung. 14,9 Prozent der Straftaten waren Vermögens- und Fälschungsdelikte. Drauf folgten Diebstähle mit 14,6 Prozent.
Wer sind die Tatverdächtigen?
Die meisten Tatverdächtigen sind männlich (81,1 Prozent) und zwischen 26 und 30 Jahre alt. 53,4 Prozent von ihnen waren deutsche Staatsbürger. 16,7 Prozent Syrer, 13,6 Prozent Libanesen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Anteil syrischer Tatverdächtiger um 2,5 Prozent.
Wo gab es Razzien?
Die Polizei in NRW hat im Jahr 2022 bei 615 Razzien an über 1.570 Orten Clan-Kriminalität kontrolliert. Darunter waren 220 Shisha-Bars, 60 Restaurants, 30 Spielhallen und 90 Wettbüros. Fast jeder vierte dieser Orte wurde unmittelbar danach durch die Behörden geschlossen. Begründungen: fehlende Konzessionen, Hygienemängel, Verstöße gegen die Bauordnung. Bei den Razzien schrieben Polizeibeamtinnen und -beamte mehr als 820 Strafanzeigen.
Welche Städte sind besonders betroffen?
Viele Straftaten im Bereich der Clankriminalität gab im Jahr 2022 es im Ruhrgebiet. Essen hatte einen Anteil von 11,2 Prozent, Recklinghausen 8,4 Prozent und Gelsenkirchen 6,6 Prozent. Zuletzt kam es im Juni 2023 in Essen und Castrop-Rauxel zu einer größeren gewaltsamen Auseinandersetzung unter Beteiligung krimineller Clan-Mitglieder. Ähnliche Tumulte gab es im Juni 2022 in Essen-Altendorf. Dort beschäftigte eine Auseinandersetzung zwischen etwa 200 Angehörigen zweier türkisch-arabischer Großfamilien die Polizei. Vier Menschen wurden durch Messer, Schlagstöcke oder andere Waffen verletzt. Die Polizei leitete elf Ermittlungsverfahren gegen 28 Verdächtige ein.
Welche Fortschritte gibt es im Kampf gegen Clan-Kriminalität?
2022 hat sich laut dem Lagebericht die Arbeit der Sicherheitskooperation Ruhr (SiKo-Ruhr) bezahlt gemacht, der in einem Ermittlungsverfahren der Bundespolizeidirektion Kleve ein Erfolg gelang: Es konnten sieben türkisch-arabischstämmige Tatverdächtige aus dem Clan-Milieu in Essen, Aachen und Bremen ermittelt werden. Zudem wurde die Zahl der Clan-Namen im aktuellen Lagebild von 113 auf 116 erweitert. Das LKA wertet das Phänomen Clankriminalität auf der Grundlage einer namensgebundenen Recherche aus.
Was sagt der Innenminister dazu?
Innenminister Herbert Reul (CDU) will den „Dauerlauf“ im Kampf gegen Clankriminelle nicht aufgeben. „Die Struktur der Tatverdächtigen, der Straftaten und der regionalen Schwerpunkte verändert sich von Jahr zu Jahr, wenn auch manchmal nur im Detail. Wer das Phänomen erfolgreich bekämpfen will, muss dranbleiben.“