Essen/Neuss. Ein neues Lagebild zeigt einmal mehr: Nirgendwo anders in NRW sind kriminelle Clans so aktiv wie im Ruhrgebiet.

Der Verkehr. „Das ist ein blöder Tag“, mault NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Auf dem Weg zur Vorstellung des Lagebildes Clankriminalität 2021 ist er im Stau steckengeblieben und deshalb mit Verspätung eingetroffen. Dann aber bessert sich Reuls Laune schnell. Schließlich hat er gute Nachrichten: Die Zahl der Straftaten durch kriminelle Clanangehörige ist in NRW im vergangenen Jahr gesunken - von 5780 auf 5460.

Das sind jetzt zwar nur knapp sechs Prozent, aber wenn es um die Höhe des vorläufig sicher gestellten Vermögens geht, werden die Zahlen eindrucksvoller. Das hat sich nämlich von knapp vier auf über zehn Millionen Euro mehr als verdoppelt. 8,4 Millionen Euro davon waren Bargeld, 1,1 Millionen Immobilien, der Rest Luxusuhren oder Sportwagen. Es handele sich um Größenordnungen, die den Clans „an die Substanz gehen“, glaubt Reul. „Nordrhein-Westfalen ist kein Honigtopf für kriminelle Clans mehr.“

Zwei Clans für fast 20 Prozent der Taten verantwortlich

Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, sbei der Vorstellung des Lagebildes „Clankriminalität 2021“.
Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, sbei der Vorstellung des Lagebildes „Clankriminalität 2021“. © dpa | Federico Gambarini

Dennoch hat immer noch fast jedes fünfte Ermittlungsverfahren im Bereich der Organisierten Kriminalität Clan-Bezüge. Raub, Betrug, Körperverletzung, Sexualstraftaten – die Clans lassen kaum etwas aus, was das Strafgesetzbuch auflistet. Der Schwerpunkt aber liegt im Bereich der organisierten Drogenkriminalität. Und die meisten Taten 2021 wurden – auch immer noch – im Ruhrgebiet begangen. 599 waren es in Essen, es folgen Recklinghausen (444), Gelsenkirchen (391), Duisburg (352), Bochum (299) und Dortmund (283).

Die Zahl der bekannten kriminellen Clan-Namen in NRW liegt laut Lagebild bei 113. Allein zwei dieser Clans sind für knapp 20 Prozent aller Straftaten verantwortlich. „Grundsätzlich beobachten wir weiterhin, dass wir es bei der Clan-Kriminalität mit ausgeprägten Intensivtätern zu tun haben“, sagt Reul. „Das zeigt, wie wichtig es ist, vor allem bei Heranwachsenden präventiv tätig zu sein.“ Inzwischen öffneten zum Glück viele Mitglieder von Clan-Familien der Polizei die Tür, um ihren Kindern eine Ausstiegsperspektive zu eröffnen. „Aktuell arbeiten wir an sieben Standorten im Ruhrgebiet mit 34 Kindern aus polizeibekannten Familienclans zusammen.“

Deutlich weniger Gegenwehr bei Tumultdelikten

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Ein in den vergangenen Jahren besonders im Revier auftretendes Phänomen ist mittlerweile anscheinend auf dem Rückzug. Die Zahl der sogenannten Tumultdelikte sei über die Jahre von der ursprünglichen Größenordnung auf einen Bruchteil von noch 37 Taten in 2021 gesunken, weiß Michael Schemke, Inspekteur der Polizei in NRW.

Wo die Verwandtschaft früher oft schnell in hoher zweistelliger Personenzahl erschien und Beamte bedrohte, wenn einer der ihren von der Polizei kontrolliert wurde, erlebe man mittlerweile „deutlich weniger Gegenwehr“. „Wir haben“, ist Schemke überzeugt, „den Respekt auf der Straße zu großen Teilen zurückgewonnen.“ Alles kein Grund nachzulassen. „Wir sind noch lange nicht fertig“, sagt der Polizeiinspektor. „Ich habe immer gesagt“, pflichtet Reul ihm bei, „der Kampf gegen die kriminellen Clans wird ein Marathonlauf.“