Essen. Im ADAC-Mobilitätsindex bekommt NRW nur durchschnittliche Noten. Handlungsbedarf sieht die Studie bei Unfallbekämpfung und Klimaschutz.
Weniger Tote, mehr Unfälle sowie Rückschritte bei der Zuverlässigkeit und Klimaverträglichkeit: Das NRW-Verkehrssystem tritt nach Auffassung von Experten in wesentlichen Bereichen seit Jahren auf der Stelle. Laut dem am Montag vorgestellten ADAC-Mobilitätsindex hat Nordrhein-Westfalen zwar leichte Fortschritte beim Klimaschutz und der Verfügbarkeit von Mobilitätsangeboten gemacht. Diese wurden aber durch Rückschritte bei der Zuverlässigkeit der Verkehrssysteme und der Verkehrssicherheit wieder aufgehoben.
Experte sieht enormen Handlungsdruck
Der von den ADAC-Verkehrsexperten entwickelte Landesindex zur Bewertung nachhaltiger Mobilität stagniert demnach seit 2015. „Die Ergebnisse verdeutlichen einen enormen Handlungsdruck. Das Verkehrssystem hat sich viel zu langsam in Richtung Nachhaltigkeit verändert“, sagte Prof. Roman Suthold, Mobilitätsexperte des ADAC in NRW, bei der Präsentation der Studie. Es müsse gelingen, Mobilität weiterhin zu ermöglichen und gleichzeitig die großen gesellschaftlichen Ziele zu erreichen, so Suthold. Dazu brauche es mehr Anstrengungen und Tempo.
So viele Staus wie sonst nirgendwo
Defizite weist der NRW-Verkehrssektor vor allem in den Bereichen Klima und Umwelt sowie Zuverlässigkeit auf. Als einer der Hauptursache für die insgesamt stagnierende Entwicklung sieht die Studie die Stauanfälligkeit des NRW-Straßennetzes. Kein anderes Bundesland verzeichne so viele Staus. Auch sei es nicht gelungen, die CO2-Emissionen an Rhein und Ruhr deutlich zu senken. Andere Luftschadstoffe wie Feinstaub und Stickoxide konnten bis zum Ende des Erhebungszeitraums dagegen erheblich reduziert werden.
Keine Verbesserung bei der Lärmbelästigung
Der Energieverbrauch pro Einwohner stieg indes mit einem Plus von 1,5 Prozent sogar leicht an, die Lärmbelastung stagnierte. ADAC-Experte Suthold fordert die Städte auf, ihre Luftreinhaltepläne konsequent umzusetzen. „Wir brauchen weniger Autoverkehr, gerade in den Städten. Die Verbraucher müssen ihr Mobilitätsverhalten ändern, sie müssen dazu aber auch in der Lage sein. Ohne einen schnelleren Ausbau des öffentlichen Verkehrs, der Ladeinfrastruktur oder von Radwegen wird dies nicht gelingen“, so Suthold.
Zahl der Verkehrstoten sinkt
Licht und Schatten gibt es zudem bei der Verkehrssicherheit: Die Zahl der Verkehrstoten sank zwischen 2015 und 2019 von 522 auf 456 im Jahr. Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der Schwerverletzten. Und die Gesamtzahl der Unfälle wuchs so stark wie in keinem anderen Bundesland. Unfallanalysen zeigten, dass es in Sachen Verkehrssicherheit besonders auf Landstraßen erheblichen Handlungsbedarf gebe. Ein Lob gab es für den ÖPNV. Die großen Verkehrsverbünde hätten ihr Angebot ausgeweitet und qualitativ aufgewertet, heißt es in der ADAC-Studie.
Lob für den ÖPNV
Beschäftigt haben sich die Experten des Analyse- und Beratungsunternehmens Prognos auch mit dem Faktor Bezahlbarkeit von Mobilität. Betrachtet wurden die Kosten je Haushalt im Verhältnis zur Einkommensentwicklung. Von 2015 bis 2019 wurde die Mobilität laut der Studie in Deutschland trotz Preissteigerungen bezahlbarer. Grund: Im Betrachtungszeitraum erhöhten sich die Einkommen deutlich stärker als die Kosten für Mobilität. Der Indexwert stieg damit auch in NRW auf 104 Punkte.
Steigende Preise für Benzin, ÖPNV-Tickets und Fernzüge
Dieser Trend werde sich aber nicht fortsetzen. Im Gegenteil. Verkehrsexperte Suthold prognostiziert steigende Preise für Benzin, ÖPNV-Tickets und Fernzüge. Das führe dazu, dass sich die Bezahlbarkeit von Mobilität nicht mehr so positiv entwickele. Suthold: „Die individuelle Kaufkraft wird nicht bei allen Menschen gleichermaßen zunehmen, sofern es nicht gelingt, die Schere in der Einkommensentwicklung wieder zu schließen.“
Ministerin fordert mehr Hilfe vom Bund
NRW-Verkehrsministerin Ina Brandes (CDU) forderte am Rande der Präsentation die Bundesregierung dazu auf, die für den Nahverkehrs-Ausbau dringend erforderlichen Regionalisierungsmittel des Bundes wie im Koalitionsvertrag angekündigt ab diesem Jahr zu erhöhen. „Wir erwarten eine spürbare Erhöhung. Nur so werden wir gemeinsam für ein verlässliches Angebot im öffentlichen Nahverkehr sorgen und unsere Klimaschutzziele erreichen können“, so die Ministerin. Damit noch mehr Menschen das Auto stehen ließen, brauche es zudem „zeitgemäße und flexible Angebote, die zur persönlichen Lebenslage passen“, sagte Brandes mit Blick auf E-Tarife im ÖPNV.