Essen. . Wer im Ruhrgebiet Bus und Bahn fährt, gerät schnell an seine Grenzen. Gibt es eine Lösung? Pro Bahn macht einen überraschenden Vorschlag.

13 kommunale Verkehrsbetriebe, sechs Bahnunternehmen, zwei Gleisbreiten: Die Kleinstaaterei des Nahverkehrs zeigt das Ruhrgebiet als ein Zerrbild der Zersplitterung. Wenigstens sorgt der Verkehrsverband Rhein Ruhr (VRR) als übergeordnete Dachorganisation für ein einheitliches Tarifsystem und eine zentrales Regionalzug- und S-Bahn-Netz. Dennoch bleibt das ÖPNV-Angebot des größten deutschen Ballungsraums in den Augen vieler Revierbürger weit hinter modernen Mobilitätsansprüchen zurück. Die Ausgangslage ist freilich kompliziert. Ein Überblick über Sünden der Vergangenheit, Hoffnungsträger und die Grenzen des Machbaren.

Wo liegen die Probleme?

Laut einer vom Regionalverband Ruhr beauftragten Stärken-Schwäche-Analyse stehen dem guten fahrplanmäßigen ÖPNV-Angebot auf der Ost-West-Achse im Kern-Revier dramatisch schlechte Nord-Süd-Verbindungen, fehlende Anbindungen im Schienen-Personen-Nahverkehr und große Entfernungen zu Haltepunkten gegenüber. Gerade in weniger dicht besiedelten Revierstädten lassen sich demnach wichtige Einrichtungen wie Universitäten, Schulen oder Krankenhäuser schlechter mit dem ÖPNV und mit dem Rad kaum erreichen, so die Gutachter. Zwölf der 53 Revierkommunen verfügen zudem nicht einmal über einen Bahnanschluss, darunter Herten und Bergkamen. Der vergleichsweise hohe Anteil des Autoverkehrs im Revier sei direkte Folge dieser Struktur.

Was sagen die Pendler?

Die Abstimmung mit den Füßen ist eindeutig. Der Anteil des ÖPNV an allen Verkehrsmitteln im Ruhrgebiet ist vergleichsweise gering. Laut früheren Erhebungen des Statistischen Landesamtes hat er sich in den vergangenen Jahren zudem kaum verändert. Eine repräsentative Umfrage des Duisburger Sozialwissenschaftlichen Umfragezentrums vom März kam zu einem wenig schmeichelhaften Bild: Pendler halten den ÖPNV für keine Alternative. 78 Prozent der Befragten, die „selten oder nie“ den Nahverkehr nutzen, gaben an, Autofahren sei bequemer, 60 Prozent dauerten Bus- und Bahnfahrten zu lange, 42 Prozent beklagten „keine passenden Verbindungen“ und 36 Prozent Unpünktlichkeit.

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Was sagt der Fahrgastverband?

Pro Bahn kritisiert den Flickenteppich des Nahverkehrs in der Region seit Jahren. Dem VRR attestiert NRW-Sprecher Ebbers mangelndes Durchsetzungsvermögen gegenüber den mächtigen Verkehrsbetrieben. „Laut ÖPNV-Gesetz soll der VRR koordinieren. Doch wenn er sich bei Bogestra, DSW21 und Co. eine blutige Nase holt, koordiniert er nur noch auf kleinstmöglichem Level oder bügelt Konflikte gleich mit Geld weg“, monierte Ebbers.

Hilft dem Revier eine zentrale Verkehrsgesellschaft?

Die oft geforderte Verschmelzung sämtlicher Nahverkehrsbetriebe zu einer zentralen Gesellschaft für das Ruhrgebiet hält Pro Bahn trotz der Kritik am VRR für problematisch. Übertragen auf Berlin sei die Situation im Ruhrgebiet zwar so, als ob jeder einzelne Hauptstadt-Bezirk ein eigenes Nahverkehrs-Netz betreiben und finanzieren würde. Eine Zentralisierung sei dennoch kaum zielführend. Ebbers: „Es bringt uns nicht weiter, wenn in der VRR-Zentrale in Gelsenkirchen das Stadtbus-Netz für Essen-Fischlaken aufgestellt wird.“ Eine Zusammenlegung gefährde zudem das gängige Finanzierungsmodell des Nahverkehrs aus Energie-Erträgen und anderen Beteiligungsgewinnen der Städte und die damit verbundenen Steuervergünstigungen.

Kann das Land eingreifen?

http://Land_will_Spurbreiten-Chaos_im_Ruhrgebiet_beenden{esc#216854335}[news]Die Möglichkeit besteht. Das Land könnte über die gezielte Verteilung von Fördermitteln nachhaltigen Einfluss auf die Verkehrspolitik in der Region nehmen. Doch nach Meinung von Pro Bahn dreht die schwarz-gelbe Landesregierung nicht entschieden genug an den Stellschrauben. „Soll das Geld eher ins Tarifsystem fließen, in die Betriebskosten oder in die Fahrzeugförderung? Diese Fragen muss das Land beantworten“, meint Lothar Ebbers. Der Katalog förderfähiger Maßnahmen sei in den letzten Jahren zwar erweitert worden, aber es gebe keine Festlegung, wie viel es für welchen Bereich gibt. Ebbers fordert eine „Quotierung“ nach Bereichen, damit der Topf der ÖPNV-Förderprogramme nicht einseitig leergesaugt werden könne.

Letzte Hoffnung RVR?

Als mögliche Lösung bringt Ebbers den Regionalverband Ruhr (RVR) ins Spiel, der ohnehin als Planungsbehörde für das Ruhrgebiet auftritt. Der RVR könne als eine Art Koordinator für den Nahverkehr im Revier wirken, in dem er beispielsweise einen ÖPNV-Rahmenplan aufstellt. Diese Aufgabe könne dem RVR als Körperschaft des öffentlichen Rechts ohne weiteres übertragen werden, glaubt Ebbers.

Entscheidend sei, dass der RVR dafür entsprechende Finanzmittel an die Hand bekomme, um Anreize für die kommunalen Verkehrsbetriebe setzen zu können. Eine solche Rahmenplanung könne zunächst die Defizite und Taktbrüche im städteübergreifenden Verkehr identifizieren. Der Regionalverband könne dann Vorgaben machen für städteübergreifende Linien und einheitlichere Takte. Eine vom RVR gesteuerte Verkehrsplanung könne zudem das gesamte Ruhrgebiet abbilden, auch diejenigen Teile des Reviers östliche von Dortmund, die nicht mehr zum VRR-Gebiet gehören.