Essen. Wie einst die Kulturhauptstadt soll die Internationale Gartenausstellung wieder ein großer Wurf für die Region werden. Ob das gelingt?
Mehr als nur eine Blümchenschau
Herausgeputzte Parkanlagen, veredelte Privatgärten und Balkone, dazu fünf zentrale „Zukunftsgärten“, die ganze Stadtquartiere im Wortsinn zum Erblühen bringen: 2027 soll das Jahr von Grün und Garten werden im Ruhrgebiet. Der Anspruch der Internationale Gartenschau (IGA) mit ihrem Kernprogramm von Frühjahr bis Herbst 2027 geht aber darüber hinaus. Der Regionalverband Ruhr, die beteiligten Revierstädten und die Bundesgartenschau-Gesellschaft als Treiber des Projekts wollen mehr bieten als Beete und Blumenwiesen. Die IGA soll das Ruhrgebiet als grüne Metropole herausstellen, die weiß, wie man als Ballungsraum dem Klimawandel begegnet. Es geht um neue Jobs, attraktive Gewerbefläche, moderne Freizeitareale. Für viele Menschen war die IGA bislang allerdings nicht mehr als ein abstrakter Begriff. Mit dem Ende der Gestaltungswettbewerbe und den bald beginnenden Baumaßnahmen an den Zukunftsgärten könnte sich das bald ändern.
IGA für alle: Mein Garten, unsere Gärten, Zukunftsgärten
Hauptattraktion der IGA und ihre wohl wichtigsten Publikumsmagneten sind fünf zentrale „Zukunftsgärten“. In ihnen dürfen sich internationale Landschaftsgestalter nicht nur mit Schubkarre und Spaten austoben, sondern abseits von Wiesen und Beeten auch gärtnerische Antworten auf eine in Zeiten des Klimawandels besonders drängende Frage geben: Wie wollen wir morgen leben? Die Sieger der Gestaltungswettbewerbe in Dortmund („Emscher nordwärts“), Bergkamen/Lünen („Landschaft in Bewegung“), Gelsenkirchen („Zukunftsinsel mit Nordsternpark“) und Duisburg („Rheinpark“) wurden in den vergangenen Monaten ermittelt, der Geländeumbau startet ab Herbst 2022, der „Emscherpark“ an der Stadtgrenze Castrop-Rauxel/Recklinghausen ist bereits im Bau. Hinzu kommen zwei weitere „Garten-Ebenen“. Als „Unsere Gärten“ sollen beliebte Grüngebiete im Revier wie die Gruga in Essen oder das Muttental in Witten weiterentwickelt und zudem neue Erholungsflächen erschlossen werden. Dafür sollen rund 70 Millionen Euro fließen. 37 Projekte stehen in allerengster Wahl (siehe Tabelle). In der Ebene „Mein Garten“ rücken private Gärten und gemeinschaftliche Projekte in den Blick. Voraussichtlich noch in diesem Jahr will man dafür auf die Bürger zugehen.
Das Grün und das Geld
Grün geht ins Geld – das weiß jeder Gartenfreund, der nicht nur auf Wildwuchs setzt. Für eine Gartenausstellung mit internationalem Anspruch gilt der Satz erst recht. Auf rund 168 Millionen Euro taxiert die IGA-Gesellschaft die Investitionen, allein in die fünf Zukunftsgärten sollen rund 50 Millionen Euro fließen – wohlgemerkt nicht nur für Blumen und Beete, sondern auch für Landmarken, Wege und eine anspruchsvolle Landschaftsarchitektur. Hinzu kommen rund 83 Millionen Euro an Betriebskosten für das Programm im IGA-Jahr. Dem gegenüber stehen geschätzte gesamtwirtschaftliche Effekte der Gartenschau in Höhe von rund 800 Millionen Euro, darunter allein 48 Millionen aus Ticket-Einnahmen der konservativ prognostizierten 2,6 Millionen IGA-Besucher.
Gartenlust und politischer Gartenfrust
Großprojekte ziehen politischen Streit an wie Blüten das Bienenvolk. Auch im Falle der IGA drohte Gartenlust in Gartenfrust umzuschlagen. Schon vor der IGA-Entscheidung kam es zwischen dem Regionalverband Ruhr als Ausrichter und der NRW-Landesregierung zu Reibereien über Finanzierungsfragen. Noch im vergangenen November brachte Bau- und Kommunalministerin Ina Scharrenbach die IGA-Macher im Revier gegen sich auf. In einem Interview mit dieser Redaktion warf die CDU-Ministerin den beteiligten Kommunen unverblümt eine schleppende Bearbeitung von Förderanträgen vor, was diese prompt zurückwiesen und der Ministerin „Unkenntnis“ attestierten. Inzwischen scheinen sich die Wogen geglättet zu haben. Ein 30-Millionen-Euro-Förderblock des NRW-Umweltministerium grundiert die Finanzierung der Großstandorte. Weitere Städtebaumittel stehen in Aussicht. „Wir fühlen uns sehr gut unterstützt durch das Land“, sagt IGA-Geschäftsführerin Nina Frense.
Was von der IGA bleiben soll
Dem Wesen nach haftet einer Gartenschau etwas Flüchtiges an. Blumen welken, Bäume verlieren ihr Laub. Und wer Grünanlagen nicht intensiv pflegt, hat ohnehin verloren. So soll es der IGA nicht ergehen, wenn das offizielle Programm im Oktober 2027 mit dem Ende der Vegetationszeit ausläuft. „Die IGA wird einen bleibenden Charakter haben“, ist sich IGA-Chefin Nina Frense sicher. Sie rückt die IGA 2027 in eine Liga mit der vielgerühmten Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscherpark, dem in den 1990er Jahren großangelegten Entwicklungsprojekt für das nördliche Revier, und der Kulturhauptstadt 2010. „Mit der IGA richten wir die Zukunft im Ruhrgebiet ein Stück weit neu aus. Man wird noch stärker als bisher wahrnehmen, welches Pfund an Flächen mit Entwicklungspotenzial wir haben“, sagt Frense. Die IGA sei eine großes Chance, eine „nachhaltige klimaangepasste grüne Infrastruktur“ für das Ruhrgebiet zu entwickeln. Das sei keine Selbstverständlichkeit für eine Region mit so vielen Menschen.
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