Düsseldorf. Meinungsforscher haben herausgefunden, dass die Unkenntnis der Bürger über Landespolitik sehr groß ist. Je jünger, desto größer Wissenslücken und Desinteresse. Bei so viel Teilnahmslosigkeit überrascht ein Teilergebnis der Umfrage: Das Vertrauen in die Arbeit der Landespolitiker ist groß.
Es gibt Ansichten, die kann auch der 71-jährige Manfred Güllner, einer der erfahrensten Meinungsforscher Deutschlands, nicht recht ergründen. Die jungen Erwachsenen in Nordrhein-Westfalen etwa geben ihm Rätsel auf.
In einer großen Studie über das Verhältnis der Bürger an Rhein und Ruhr zu Landtag und Landespolitik hat Güllners Institut Forsa herausgefunden, dass sich nur 30 Prozent aller 18- bis 29-Jährigen für das politische Geschehen in NRW interessieren. Nur 15 Prozent von ihnen haben in der letzten Zeit etwas über die Arbeit des Landtags gehört oder gelesen. Gerade einmal 40 Prozent der Unter-30-Jährigen wissen, dass Rot-Grün in Düsseldorf regiert. Und nur 16 Prozent kennen einen Landtagsabgeordneten. Doch siehe da: Eben jene Altersgruppe der 18- bis 29-Järhigen hat von allen das höchste Vertrauen in den Landtag, zeigt die größte Zufriedenheit mit der Politik und lebt am allerliebsten in NRW.
Gibt es also ein blindes Vertrauen der Jungen in die Institutionen?
Zwar teilnahmslos, aber zufrieden
Güllner findet es zwar „kritisch“, dass die nachwachsende Generation kein gesteigertes Interesse am landespolitischen Geschehen zeige. Es sei gleichwohl positiv, dass diese Passivität nicht umschlage in Ablehnung des demokratischen Systems oder der Parteien und ihrer Entscheidungsträger. „Wir müssen etwas tun und uns überlegen, über welche Wege wir diese Altergruppe ansprechen können“, sagte Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD). Eine neue Landtags-App oder Twitter als zusätzlicher Informationskanal werden diskutiert, um sich den teilnahmslos Zufriedenen zumindest technisch zu nähern.
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Gödecke hat das Verhältnis der NRW-Bürger zur Landespolitik erstmals wieder seit 1990 demoskopisch analysieren lassen. Die Bochumerin will wissen, wie die Menschen ihr Parlament sehen und verstehen. Der Hauptbefund ist auch abseits der 18- bis 29-Jährigen wenig schmeichelhaft: Nur 53 Prozent aller Bürger interessieren sich für das politische Geschehen im Land. Wie schon 1990 bringen die Menschen der Bundespolitik das größte Interesse entgegen, gefolgt von der Kommunal- und der Europapolitik. Das landespolitische Geschehen steht allenfalls bei Beamten und Älteren höher im Kurs.
Immerhin leben 80 Prozent der Menschen gerne in NRW, was über dem durchschnittlichen Zufriedenheitswert liegt und auf eine hohe Identifikation mit dem „Bindestrichland“ schließen lässt. Allzu großer politischer Verdruss ist ebenfalls nicht zu ermitteln: 89 Prozent halten unsere Demokratie für eine gute Regierungsform.
Politik will direkt erlebt werden
Ihre Position als wichtigste landespolitischen Informationsquellen haben der Hörfunk sowie die Zeitungen und ihre Online-Ableger in den vergangenen 23 Jahren gehalten oder ausgebaut. Als „recht bemerkenswerten Befund“ bezeichnet Forsa die Tatsache, das trotz des Internets das persönliche Gespräch mit Freunden, Bekannten, Nachbarn und Arbeitskollegen über landespolitische Themen heute den Befragten weitaus wichtiger ist als noch 1990. Auch die direkte Begegnung mit den Institutionen, etwa durch einen Landtagsbesuch, ist gefragt. Politik will offensichtlich unmittelbar erlebt und diskutiert werden. Fast die Hälfte aller NRW-Bürger kennt ein örtliches Stadtratsmitglied, aber nur ein Drittel weiß den Namen eines Landtagsabgeordneten.
Landtagspräsidentin Gödecke will das Parlament deshalb weiter für Besucher öffnen. Schon heute sehen sich pro Jahr 70 000 Bürger, darunter 10 000 Kinder, das Düsseldorfer Abgeordnetenhaus an. „Mein Ziel ist es, vor allem die Jugend zu ermuntern, sich politisch einzumischen“, so Gödecke.