Berlin.. Nervenstärke und Intelligenz statt Charisma. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist der Beweis dafür, dass Wissen Macht ist. Man sieht es ihr nicht an, dass sie in dieser Woche schon ihren 60. Geburtstag feiert. Doch es gibt Gerüchte über Amtsmüdigkeit.

Manche meinen, Angela Merkel sei so frei: 2015, spätestens 2016 sei Schluss. Peter Hintze glaubt das nicht. Er hält es für möglich, „dass sie die Amtszeit von Kohl übertrifft“. 16 Jahre. Dafür müsste die Kanzlerin 2017 die Wahl gewinnen – und dran bleiben. Amtsmüde wirkt sie nicht. Den Umfragewerten nach hat Merkel ihre Politik in Frischhaltefolie verpackt. Sie selbst wirkt nach einer Diät jünger, fitter. Man sieht es ihr nicht an, dass sie am 17. Juli schon ihren 60. Geburtstag feiert.

Nach zwei Amtszeiten zeigte jeder Kanzler Verschleißerscheinungen – Merkel nicht. Die guten Gene, ihr robustes Naturell, sind nur eine Erklärung. Sie hat vor allem nicht die Bodenhaftung verloren. Schön bescheiden bleiben. Alice Schwarzer, die bei der ersten Vereidigung der Kanzlerin neben der Familie Merkel saß, wunderte sich, dass es danach Erbsensuppe gab. Die Feministin fand, „man hätte auch Champagner knallen lassen können“. Was Merkel von anderen unterscheidet, ist die Fähigkeit, Vertrauen neu zu schenken. In Merkels Welt schaffen es immer wieder auch unverbrauchte Leute, zuletzt der junge CDU-Generalsekretär Peter Tauber.

„Ich habe in meinem Leben keinen Menschen getroffen mit so ei­nem Lernpotenzial“, sagt Hintze, heute Bundestagsvizepräsident. Das Gespräch über Merkel aber presst er kurzfristig in eine Lücke. Als Helmut Kohl sie 1991 ins kalte Becken der Kabinettspolitik warf, als Ministerin für Jugend und Frauen, wurde Hintze ihr Staatssekretär: „Die Idee von Kohl war, dass jemand an ihre Seite sollte, der das politische Geschäft kannte.“ Sie lernten sich beim Chinesen kennen. Hintze war gleich von ihr eingenommen. Mit den Jahren hat ihn fast am meisten beeindruckt, dass sie eigene Entscheidungen infrage stellen kann, „völlig ruhig“.

Früher traute ihr die Partei wenig zu, heute gehört die Partei ihr

Merkel hat auch „Partei gelernt“. Noch Ende der 90er-Jahre hieß es in der CSU, „sie kommt halt nicht von uns, sie muss alles lernen“. Heute rechnet uns ihr Generalsekretär vor: „Rund tausend Mitglieder, die jeden Monat zu uns finden, treten nicht in die CDU Helmut Kohls ein, sondern in die von Angela Merkel.“ Auch da verändere sich die Partei.

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Jung! Frau! Aus dem Osten! Ohne Blockpartei-Vergangenheit! Die DDR-Physikerin war Kohl 1990 vom sächsischen Sozialminister Hans Geisler empfohlen worden, der sie vom „Demokratischen Aufbruch“ kannte. Es ist eine Ironie, dass die damalige CDU nicht die erste Wahl ihrer heutigen Parteichefin war. Sie kam nicht nur in die Politik, sondern auch zu den Christdemokraten auf dem zweiten Bildungsweg. Wie es ihr als Wissenschaftlerin erging, kann man sich schwer vorstellen. Michael Schindhelm, der mit ihr im Institut saß, schrieb den Roman „Roberts Reise“, in dem man unschwer Merkel wiedererkennt: „Renate, mit der ich das Büro teilte, war das Vorbild einer illusionslosen Jungwissenschaftlerin.“

Merkel ist eine ausgebuffte Spielerin

Man muss sich die junge Merkel als hoch begabte Frau vorstellen, die unterfordert war, die Einheit aber als Chance zum eigenen Neuanfang auffasste. Und Kohls „Mädchen“ lernte. Als Jugendministerin, bald als CDU-Vizechefin, im Umweltressort. 1995 reiste sie zur Klimakonferenz, „da konnte man einmal über den eigenen Tellerrand schauen“.

Dazu kam, dass sie als Vorsitzende eine Lehrstunde in Verhandlungspsychologie bekam. Als es vorbei war, verriet ihr indischer Kollege: „We never reached the bottom line.“ Sie haben uns nicht bis an den Rand geführt. Wenn sie heute zu einer Sitzung des EU-Rates fährt, weiß sie von jedem Kollegen, was sein Thema ist und ist eine ausgebuffte Spielerin. „Stellen Sie sich mal eine Lakritzrolle vor, die sie dehnen. Sie glauben nicht, wie weit die sich dehnen lässt. Je mehr ich das merkte, desto sicherer wurde ich. Sie dürfen nur den Zeitpunkt nicht verpassen, an dem der Faden reißt.“

Sie hat viel an sich gearbeitet, an Auftritt, Sprache, an ihrer Stimme, die tiefer klingt

Früher hat sie solche Sätze im Interview fallen lassen. Heute ist sie weniger offen. Sie hat viel an sich gearbeitet, an ihrem Auftritt, ihrer Sprache, ihrer Stimme, die tiefer klingt, zwei Oktaven, wie Biografin Evelyn Roll meint. Am Aussehen, wie der TV-Moderatorin Anne Will auffiel: „Sie hat sich eine Garderobe zugelegt, die immer funktioniert, egal, wo sie auftritt. Sie hat sich eine Frisur schneiden lassen, über die man keine Witze mehr machen kann.“

Wie Kohl hat sie Netzwerke geknüpft. In der CDU hat sich Merkel auf junge Leute gestützt, viele aus NRW. Hintze, Hildegard Müller, Ronald Pofalla, Hermann Gröhe, Norbert Röttgen, dazu der Saarländer Peter Altmaier. Einige Mitstreiter aus dem Jugendministerium begleiteten sie viele Jahre lang. Thomas de Maizière kennt sie aus der Wendezeit. Der Innenminister ist ein enger Vertrauter, der Merkel diskret berät. Er gilt neben seiner Kabinettskollegin Ursula von der Leyen als möglicher Merkel-Nachfolger. Von der Leyen sagt dazu, dass jede Generationen nur einen Kanzler stelle: „Aus meiner Generation ist das Angela Merkel.“

Qualitäten einer Schachspielerin

Das schaffte die Pfarrerstochter auch ohne großes Charisma. Sie fasziniert eher wie eine Schachspielerin – mit Nervenstärke, Klarheit, Intelligenz. Wenn es nur eine winzige Chance für eine Lösung gibt, kann sie die über viele Züge entwickeln. Das zeigte sich nicht erst in der Finanzkrise, sondern schon früher, in schier ausweglosen Situationen: In der Spendenkrise, als sie als CDU-Generalsekretärin mit Kohl brach; 2002, als Edmund Stoiber ihr die Kanzlerkandidatur wegschnappte; nach der Neuwahl 2005, als Gerhard Schröder sie abdrängen wollte.

Was Schröder nicht erkannte, das sah Jacques Chirac in ihr. Hintze erinnert sich, wie Merkel zu Oppositionszeiten alle wichtigen EU-Politiker besuchte und in Paris 30 Minuten im Èlysée-Palast bekam: „Nach Ablauf dieser Zeit kam das Protokoll und signalisierte dem Präsidenten die Zeit.“ Es wurden eine Stunde und 15 Minuten. „Chirac war so fasziniert von dieser Frau, die so unscheinbar auftrat, aber bei der er spürte: Die wird mal total wichtig.“

Was trägt Merkel bei den Festspielen?

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Vor allem ihr Outfit wird jedes Jahr bei der Eröffnung in Bayreuth kritisch beäugt. Schließlich sorgte Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits zwei Mal für Aufsehen: 2012 trug sie auf dem grünen Hügel dasselbe Kleid, das sie bereits 2008 präsentierte. Bei der Eröffnung der Oper in Oslo 2008 löste sie Diskussionen um ihr tiefes Dekolleté aus. Dieses Jahr ...
Vor allem ihr Outfit wird jedes Jahr bei der Eröffnung in Bayreuth kritisch beäugt. Schließlich sorgte Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits zwei Mal für Aufsehen: 2012 trug sie auf dem grünen Hügel dasselbe Kleid, das sie bereits 2008 präsentierte. Bei der Eröffnung der Oper in Oslo 2008 löste sie Diskussionen um ihr tiefes Dekolleté aus. Dieses Jahr ... © dpa | dpa
... zeigte sich Angela Merkel ganz züchtig an der Seite ihres Mannes Joachim Sauer. Mit der Farbe Blau fürs Kleid ...
... zeigte sich Angela Merkel ganz züchtig an der Seite ihres Mannes Joachim Sauer. Mit der Farbe Blau fürs Kleid ... © dpa | dpa
... lag sie voll im Trend. Nicht nur Daniela Schadt, die Partnerin von Bundespräsident Joachim Gauck, kam ebenfalls in Blau, sondern ...
... lag sie voll im Trend. Nicht nur Daniela Schadt, die Partnerin von Bundespräsident Joachim Gauck, kam ebenfalls in Blau, sondern ... © dpa | dpa
... noch einige andere weibliche Wagner-Gäste.
... noch einige andere weibliche Wagner-Gäste. © dpa | dpa
Schauspielerin Veronica Ferres entschied sich für Lila - an der Seite ihres Partners Carsten Maschmeyer.
Schauspielerin Veronica Ferres entschied sich für Lila - an der Seite ihres Partners Carsten Maschmeyer. © dpa | dpa
Auch die Frau von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) setzte auch ein lilafarbenes Kleid.
Auch die Frau von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) setzte auch ein lilafarbenes Kleid. © dpa | dpa
Ebenfalls dabei: Familienministerin Kristina Schröder und ihr Ehemann Ole ...
Ebenfalls dabei: Familienministerin Kristina Schröder und ihr Ehemann Ole ... © Getty Images | Getty Images
... Schauspielerin Stephanie Stumph mit ihrem Partner ...
... Schauspielerin Stephanie Stumph mit ihrem Partner ... © Getty Images | Getty Images
... und Opernsängerin Eva Lind. Sie glänzte in Rosa.
... und Opernsängerin Eva Lind. Sie glänzte in Rosa. © Getty Images | Getty Images
Mut zu tiefem Dekolleté bewies dieses Jahr die Ehefrau von FDP-Politiker Wolfgang Kubicki.
Mut zu tiefem Dekolleté bewies dieses Jahr die Ehefrau von FDP-Politiker Wolfgang Kubicki. © dpa | dpa
Edmund Stoiber und seine Frau Karin ...
Edmund Stoiber und seine Frau Karin ... © Getty Images | Getty Images
... Kickboxerin Christine Theiss und ihr Ehemann Hans ...
... Kickboxerin Christine Theiss und ihr Ehemann Hans ... © dpa | dpa
... Vizekanzler Philipp Rösler an der Seite von Ehefrau Wiebke und ...
... Vizekanzler Philipp Rösler an der Seite von Ehefrau Wiebke und ... © dpa | dpa
... Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer mit Frau Karin.
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Auf Schwarz und Weiß setzte die Frau von Günther Beckstein.
Auf Schwarz und Weiß setzte die Frau von Günther Beckstein. © Getty Images | Getty Images
Markus Söder war nach Kuscheln mit Frau Karin zumute.
Markus Söder war nach Kuscheln mit Frau Karin zumute. © Getty Images | Getty Images
Und auch sie hatten Spaß: Außenminister Guido Westerwelle und sein Lebenspartner Michael Mronz (l.).
Und auch sie hatten Spaß: Außenminister Guido Westerwelle und sein Lebenspartner Michael Mronz (l.). © dpa | dpa
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