Berlin.. Es ist die Höchststrafe im Umgang zwischen befreundeten Staaten: Die Bundesregierung fordert Amerikas obersten Geheimdienstler auf, Deutschland zu verlassen. Die USA haben bislang alle Kritik an ihrer Spionagepraxis abtropfen lassen. Im Bundestag baut sich eine Jetzt-reicht-es-Stimmung auf.

Nachdem die Kette der Spionagefälle nicht abreißt, weist die Bundesregierung erstmals einen US-Diplomaten offiziell aus. Sie forderte am Donnerstag den Vertreter der US-Geheimdienste in Berlin auf, Deutschland zu verlassen. Von den USA gab es dazu zunächst keine Reaktion.

Vertreter aller Parteien begrüßten die Ausweisung und verstanden sie als Signal, weil die USA bisher wenig zur Aufklärung der NSA-Affäre beigetragen haben. Hinzu kamen zuletzt zwei Spionagefälle, die in Berlin für Empörung sorgten.

Spionageaffäre zog sich ein Jahr lang hin

Sie haben sich taub gestellt. Die Amerikaner haben weder auf Fragen noch auf Bitten reagiert. So zog sich die Spionageaffäre ein Jahr lang hin. Bis Donnerstag. Da zeigte die Bundesregierung ihrerseits eine Reaktion – und kündigte die Ausweisung des Berliner Vertreters der US-Geheimdienste an.

Der Schritt war fällig. Nach Snowden, nach dem NSA-Skandal baut sich im Bundestag eine Jetzt-reicht-es-Stimmung auf, zumal zuletzt zwei Verdachtsfälle von Geheimnisverrat hinzukamen. Sie zeigen, dass die USA ihr Verhalten nicht geändert haben. In beiden Fällen kam man den Verdächtigen nur zufällig auf der Spur – weil man annahm, dass sie für Russland arbeiteten.

Amerikaner sind auch hilfreich

Die Ironie ist, dass die Amerikaner einerseits Freunde ausspähen, andererseits im Anti-Terror-Kampf aber hilfreich sind. Sie unterhalten zu diesem Zweck eine Anlaufstelle für die deutschen Sicherheitsbehörden. Wenn also der oberste Chef nun ausgewiesen wird, steht die Zusammenarbeit auf dem Prüfstand.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist „not amused“, wie es Finanzminister Wolfgang Schäuble ausdrückt. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) findet die mutmaßlich verratenen Informationen „lächerlich“, Schäuble hält die Spione für „drittklassige Leute“. Was beide sagen wollen: Sie wundern sich, wie leichtfertig die USA die Beziehungen aufs Spiel setzen. Für kleine Münze!

Nicht alle Abgeordneten sind überrascht

Die Entrüstung über das Treiben der US-Schlapphüte ist aber auch eine Frage des Alters – und der Prägung. „Mich erschüttert es nicht so sehr“, sagt SPD-Mann Carsten Schneider. Er habe es „nicht anders erwartet“. Ähnliches bekommt er an den Info-Ständen im Wahlkreis in Erfurt zu hören. Im Osten war das Misstrauen gegenüber den USA stets größer. Dort wunderte man sich wie Andre Hahn von der Linkspartei über die Naivität: „Den Russen und Chinesen traut man offenbar alles zu“, zu den USA aber habe man „blindes Vertrauen“.

Über die aktuellen Spionage-Verdachtsfälle gab es am Donnerstag im Gremium, das im Parlament die Geheimdienste überprüft, Details zu hören. Da ist der BND-Mann, der kürzlich verhaftet wurde. Er hatte den USA 218 Dokumente geliefert, fünf Leitzordner. Er nahm Unterlagen mit nach Hause, scannte sie und übertrug die Kopien auf einen USB-Stick.

Darunter ein Papier für den NSA-Untersuchungsausschuss. Es gab aber keine Anweisung, den Bundestag auszuspähen. „Der Verdacht ist vom Tisch“, so Clemens Binninger (CDU), Vorsitzender des Kontrollgremiums.

Verdächtiger streitet alles ab

Komplizierter ist der Fall im Verteidigungsministerium. Gegen den Mitarbeiter ging die Justiz zwar erst in den letzten 48 Stunden vor, aber es gab bereits im August 2010 Verdachtsmomente. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sprach von einem Vertrauensverlust, der „bitter“ sei. Der gesunde Menschenverstand sage ihr, dass zwischen befreundeten Nationen gar nicht so viele relevante Informationen gesammelt werden könnten, „wie auf der anderen Seite Vertrauen zerstört wird.“ Hinter den Kulissen heißt es, man sei sich sicher, dass er spioniert habe, für die CIA vermutlich. Indes streitet der Mann alles ab. Man hat nicht viel in der Hand. Die USA werden nicht bei Enttarnung von Quellen helfen.

Das weiß auch Norbert Röttgen (CDU), der mit dem Auswärtigen Ausschuss in Washington ist. Er sagt resignierend: „Wir haben keine Informationen und Hinweise darauf erhalten, dass sich die Politik ändert, dass sich die Kommunikation ändert.“