Düsseldorf/Essen. Fachleuten gehen die jüngsten Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern nicht weit genug. In NRW gibt es laute Forderungen nachzubessern.
Nach den Corona-Beschlüssen von Bund und Ländern hagelt es auch in NRW Kritik. Vielen Experten gehen die Pläne, die schärfere Kontaktbeschränkungen erst nach Weihnachten vorsehen, nicht weit genug. So sagte der westfälische Ärztekammerpräsident Hans-Albert Gehle dieser Redaktion: „Bei einer so ansteckenden Virusvariante wie Omikron müssen wir früh handeln, deshalb hätte es eine Art Weihnachtsruhe und konkretere Maßnahmen zur Kontaktreduzierung gebraucht.“
Der Intensivmediziner warb für eine Ausweitung der 2G-plus-Regel, nach der Geimpfte und Genesene einen aktuellen negativen Test vorlegen müssen, und kritisierte, dass volle Geschäfte und Menschenansammlungen auf Weihnachtsmärkten weiter möglich sind. Gehle warnte vor einer Überlastung der Kliniken und Praxen. „Wir rechnen damit, dass die Fallzahlen ab der dritten Januarwoche deutlich steigen werden. Wir haben aber keine stille Personalreserve mehr – wenn unsere Leute wegen der Omikron-Variante nun auch vermehrt krank werden und ausfallen, stehen wir vor großen Problemen.“
Handwerkspräsident kritisiert Politik als „kopflos“ und kurzsichtig
Der Chef des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, verteidigte seine Empfehlung harter Corona-Regeln. Das RKI hatte vor der Bund-Länder-Runde sofortige, „maximale Kontaktbeschränkungen“ gefordert. Ähnlich äußerte sich der Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens.
Handwerk-NRW-Präsident Andreas Ehlert nannte die neuen Einschränkungen „wahrscheinlich unvermeidbar“, forderte aber für die Unternehmen „mehr Stetigkeit und Verlässlichkeit“ in der Corona-Politik. Die Politik agiere „zu kopflos, zu kurzsichtig und zu unehrlich“.
SPD-Chef Kutschaty attackiert Ministerpräsident Wüst
Die SPD attackierte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) für dessen Kritik am Beschluss der Ampel-Parteien im Bund, die epidemische Notlage nationaler Tragweite auslaufen zu lassen. Wüst hatte gesagt: „Wann, wenn nicht jetzt, haben wir eine epidemische Lage nationaler Tragweite?“
NRW-SPD-Chef Thomas Kutschaty warf Wüst vor, Wahlkampf zu betreiben: „Es ist sehr ärgerlich, dass der Ministerpräsident in einer solch dramatischen Krise parteipolitische Spielchen betreibt, indem er die Unwahrheiten darüber erzählt, welche Instrumente er in der Hand hat und welche angeblich nicht.“ Das Infektionsschutzgesetz des Bundes sehe eine Länderöffnungsklausel vor, mit dem Wüst jederzeit auf das Infektionsgeschehen in NRW wirksam reagieren könne.
Auch die Grünen-Fraktionschefin im Landtag, Verena Schäffer, riet Wüst, „nicht nur mit dem Finger auf Berlin zu zeigen“, sondern seine Möglichkeiten zu nutzen. Dazu gehörten Kontaktbeschränkungen, das Aus für Großveranstaltungen und eine FFP2-Masken-Pflicht in geschlossenen Räumen.