Essen. Die Ampel plant 3G am Arbeitsplatz. Wer die Tests zahlen soll, was Verweigerern droht – darüber streiten Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände.
Vor und nach Feierabend ist 3G längst Alltag: Wer ins Theater oder ins Restaurant will, muss nachweisen, dass er geimpft, genesen oder getestet ist, NRW will im Freizeitbereich wie Sachsen nun sogar auf 2G verschärfen. Das Infektionsgeschehen im Büro, der Fabrik, dem Friseursalon oder dem Supermarkt in Grenzen zu halten, ist bisher Sache des Arbeitgebers. Er muss zudem darauf hoffen, dass seine Beschäftigten mitmachen, sprich sich freiwillig testen, wenn sie nicht geimpft sind. Das wollen SPD, Grüne und FDP nun ändern. Und sehen sich prompt gegenteiligen Interessen der Tarifpartner gegenüber.
DGB und Arbeitgeber uneins über 3G-Details
Im Auftrag der sich bildenden Ampel-Koalition lässt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) dieser Tage eine 3G-Pflicht am Arbeitsplatz austüfteln. Sie soll überall dort gelten, wo sich Kontakte nicht vermeiden lassen. Arbeitgeber wie Gewerkschaften sind grundsätzlich dafür, doch das Wie ist hochumstritten. So wehrt sich etwa der DGB in NRW gegen zu harte Sanktionen von Beschäftigten. Dagegen wollen die Arbeitgeber weder die künftig in der Regel täglich erforderlichen Tests für Ungeimpfte bezahlen noch ihren Lohn, sollten sie wegen eines Verstoßes gegen 3G ausfallen.
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Zur Eindämmung der Pandemie, da sind sich DGB und Arbeitgeber einig, ist 3G am Arbeitsplatz ein probates Mittel. Wie das durchgesetzt wird, spaltet die Tarifpartner aber. Wer soll wie bestraft werden, wenn Beschäftigte sich nicht an die Regeln halten? Im ersten Entwurf aus dem Bundesarbeitsministerium ist von Bußgeldern die Rede. Denkbar wären Strafen gegen Beschäftigte, die weder geimpft noch genesen sind, sich aber auch nicht testen lassen wollen. Und gegen Arbeitgeber, die unzureichend kontrollieren. Beides gibt es in anderen Ländern bereits, etwa in Österreich und Italien.
Kirchhoff: Ungeimpfte sollen Tests selbst zahlen
NRW-Arbeitgeberpräsident Arndt Kirchhoff treibt um, was geschieht, wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter nicht arbeiten kann, weil er keines der 3G nachweisen kann oder will. „Wenn sich einzelne Beschäftigte nicht impfen lassen wollen, kann es nicht sein, dass die negativen Folgen auf die Arbeitgeber abgewälzt werden“, sagt er. Heißt im Ernstfall, dass sie „keinen Entgeltanspruch für die ausgefallene Arbeitszeit erheben“ könnten.
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Zudem sei klar, dass Ungeimpfte ihre Tests „eigenverantwortlich beibringen“, sprich selbst zahlen und außerhalb ihrer Arbeitszeiten durchführen müssten. Da die Ampel für ihre 3G-Regel am Arbeitsplatz einen Nachweis für negative Corona-Tests verlangt, bedeutet das im Klartext: Wer nicht an seiner Arbeitsstätte getestet werden kann, müsste vor oder nach Feierabend auf eigene Kosten in eines der Testzentren gehen, um einen Nachweis zu erhalten. Dieser ist bei Schnelltests 24 Stunden lang gültig. Ein negativer PCR-Test hätte zwei Tage lang Gültigkeit, was wegen der deutlich höheren Kosten kaum jemand machen dürfte.
DGB-Chefin Weber: Arbeitgeber müssen Tests zahlen
DGB-Landeschefin Anja Weber sieht das grundsätzlich anders, die Arbeitgeber hätten die Tests zu zahlen und bereitzustellen, sagte sie unserer Redaktion. Arbeitnehmervertreter müssten zudem „mitbestimmen können, wer die Tests durchführt, wo das gemacht wird, was mit den Daten passiert und wie das Testen mit der Arbeitszeit verrechnet wird.“ Weber ist auch gegen die von der Ampel-Koalition geplante Auskunftspflicht zum Impfstatus. Diese hatte bisher auch Minister Heil abgelehnt, angesichts der Zuspitzung des Infektionsgeschehens lenkt er hier nun offenbar ein, zumal die Auskunftspflicht im Infektionsschutzgesetz geregelt werden soll und nicht im Arbeitsschutzrecht. Die Arbeitgeber begrüßen das: „In dieser Notsituation geht Infektionsschutz vor Datenschutz“, sagte NRW-Handwerkspräsident Andreas Ehlert unserer Redaktion.
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Sollte es zur 3G-Pflicht am Arbeitsplatz kommen, müsste jede und jeder, der keinen der geforderten Nachwiese erbringt, mit Sanktionen seines Arbeitgebers rechnen, das sieht auch Anja Weber so. Wer sich nicht testen lassen, müsse „mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen“, so die DGB-Chefin in NRW. Vorher solle aber geprüft werden, ob der Testverweigerer nicht ins Homeoffice oder ein Einzelbüro ausweichen könne, fordert sie.
Es drohen Gehaltskürzung und Abmahnung
Für Arbeitgeberpräsident Kirchhoff ist klar: „Es kann doch nicht sein, dass Impf- und Testmuffel faktisch bezahlt freigestellt werden.“ Möglicherweise drohen aber noch härtere arbeitsrechtliche Schritte wie Abmahnungen. Davon geht etwa die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt aus: „Wenn jemand aus eigenem Verschulden nicht zur Arbeit gehen kann, muss der Arbeitgeber deutlich machen, welche Konsequenzen das hat. Und ich glaube, dass es über Gehaltskürzungen hinausgeht“, sagte sie dazu. Handwerkspräsident Ehlert hätte es gern etwas genauer: „Hier brauchen unsere Betriebe schnellstmöglich Klarheit“, sagte er zu den arbeitsrechtlichen Konsequenzen.
Was das in der Praxis vor allem für kleinere Betriebe bedeutet, die auf jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter angewiesen sind, lässt sich nur erahnen. Konzerne können regelmäßige Tests einfacher organisieren, manche wie Thyssenkrupp gehen bereits weiter und setzen auf 1G, wollen also, dass sich auch Geimpfte und Genesene täglich testen. Je dringender aber etwa ein Kleinunternehmer auf jeden Einzelnen angewiesen ist, desto weniger Interesse wird er an scharfen Kontrollen haben. Deshalb stehen auch Bußgelder für Arbeitgeber im Raum, welche die Einhaltung der 3G-Regeln nicht kontrollieren.
IHK Essen sieht in 3G Vorteil für Fachkräfteanwerbung
Vor Ort wird deshalb auf gemeinsame Lösungen und gegenseitiges Vertrauen gesetzt. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Essen etwa sieht für Betriebe, die 3G umsetzen, einen wichtigen Vorteil. Denn: „Sicherheit am Arbeitsplatz ist für die Fachkräftesicherung unabdingbar“, sagt Hauptgeschäftsführerin Kerstin Groß. „Nur Betriebe, die großen Wert auf die Gesundheit, Sicherheit und Zufriedenheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter legen, können Fachkräfte langfristig binden und neue Talente finden.“
Für Handwerkspräsident Ehlert ist entscheidend, damit „pauschale Lockdowns für ganze Branchen zu verhindern“. Er rät dafür zu „flächendeckenden 2G-Regeln, mehr Tests und Tempo bei den Booster-Impfungen“. Denn es könne nicht sein, „dass die Ungeimpften das gesamte wirtschaftliche Leben wieder zum Erliegen bringen. Hier geht es um gesellschaftliche Verantwortung – eine Pandemie ist keine Privatsache“.