Essen. Für NRW-Pflegeheime ist eine Testpflicht auch für geimpfte Besuchende und Beschäftigte im Gespräch. Unklar ist, wer das Testen übernehmen kann.

Die Bilder aus den Pflegeheimen im Corona-Winter, sie sind nicht vergessen: „Diese Zeit ist für unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen noch sehr präsent“, sagt Elke Hammer-Kunze, stellvertretende Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt Westliches Westfalen. Sie spricht von Todesfällen, von den Personalsorgen und der hohen Belastung, die die Pflegeheime vor einem Jahr zu spüren bekommen haben.

„Das ist wie ein schlechtes Kopfkino“, das von den aktuell wieder steigenden Corona-Inzidenzen befeuert werden, sagt Hammer-Kunze. Die Sorge in den Pflegeeinrichtungen, dass sie auch in diesem Herbst und Winter stark von der Pandemie betroffenen sein könnten, gehe derzeit „in Richtung Hysterie“.

Testpflicht unabhängig vom Impfstatus im Gespräch

Auch deshalb plädiert die AWO-Vize-Geschäftsführerin im Einklang mit der Freien Wohlfahrtspflege NRW für eine neue Testpflicht in den Heimen. Die Betreiber von Altenheimen in NRW begrüßen einen entsprechenden Vorstoß von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Besucher und Besucherinnen sowie Beschäftigte sollten unabhängig vom Impfstatus regelmäßig auf eine Infektion mit dem Corona-Virus getestet werden, sagt Hammer-Kunze. „Nötig wäre eine Teststrategie, gestaffelt nach Inzidenzen und Impfstatus. Wir brauchen den Schutz unserer Bewohner.“

Wüst hatte sich am Mittwochabend erstmals für eine generelle Testpflicht in den Pflegeheimen ausgesprochen. Es könne nicht sein, „dass wir nach all den Monaten der Erfahrungen wieder die Fehler machen vom Anfang der Pandemie, wo Menschen einsam gestorben sind“, so Wüst.

Gesundheitsminister entscheiden über Änderung

In NRW-Pflegeheimen gilt derzeit eine Testpflicht nur für ungeimpfte Beschäftigte und Besuchende. Mitarbeitende müssen mindestens zweimal in der Woche getestet werden, Besucher und Besucherinnen einen maximal 48 Stunden alten Schnelltest vorlegen. Eine Testpflicht für Geimpfte und Genesene gibt es aktuell nicht. Geimpfte und genesene Beschäftigte können sich aber freiwillig einmal in der Woche in den Einrichtungen testen lassen. Die Kosten für die Corona-Tests in den Heimen übernimmt noch bis Jahresende der Bund.

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Auch das Bundesgesundheitsministerium will vermehrtes Testen in den Heimen ermöglichen, wie aus Medienberichten hervorgeht. Laut Beschlussvorlage des Bundesministeriums für die Gesundheitsministerkonferenz, die noch bis Freitag tagt, sollen Pflegeeinrichtungen im Herbst und Winter verpflichtet werden, Personal unabhängig vom Impfstatus zweimal pro Woche auf das Coronavirus zu testen. Auch geimpfte oder genesene Besuchende würden demnach einen negatives Ergebnis benötigen, wenn die Landesminister dem Vorschlag des Bundes folgen.

Geimpftes Personal kann in NRW freiwillig einen Corona-Test machen

Dass auch Geimpfte eine Corona-Infektion in ein Pflegeheim tragen könnten, musste Awo-Vizechefin Hammer-Kunze unlängst erfahren. In einem AWO-Heim habe eine geimpfte Mitarbeiterin nach einer kurzen Reise von dem Angebot eines freiwilligen Corona-Tests Gebrauch gemacht. So sei ihre Infektion erkannt worden. Bei einer Reihentestung seien 15 weitere Corona-Fälle unter den 112 Bewohnern und Bewohnerinnen aufgefallen.

Es komme immer wieder zu Impfdurchbrüchen. Infektionen verliefen aber in der Regel mit unauffälligem Krankheitsverlauf. Damit blieben sie aber eben auch eher unentdeckt, sagt Hammer-Kunze. Bei rund 6200 Pflegeheimplätzen, die die AWO im westlichen Westfalen anbietet, gebe es aktuell 33 infizierte Bewohner und Bewohnerinnen und etwa gleich viele Mitarbeitende mit einer Infektion – allerdings in zwei Einrichtungen.

Ruhrgebietskonferenz-Sprecher: Heime können das Testen nicht alleine stemmen

Innerhalb der Branche wird eine generelle Testpflicht intensiv diskutiert. Akteure und Akteurinnen machen auch darauf aufmerksam, dass durch jeden Impfdurchbruch Personal ausfalle und vermehrt erkrankte Bewohner und Bewohnerinnen in ihren Zimmern zu versorgen seien. Daher wären die Testungen aller durchaus zu befürworten. Forderungen werden auch laut, Tagespflegen und pflegebedürftige Menschen, die dieses teilstationäre Angebot nutzen, einzubeziehen. Bislang wird das nicht diskutiert.

Ulrich Christofczik, Sprecher der Arbeitgeberinitiative „Ruhrgebietskonferenz Pflege“, fordert indes, wenn über eine Testpflicht diskutiert werden, müsse mitgedacht werden, wer diese dann umsetzt. „Zum Schutz der Menschen in unseren Einrichtungen würde ich mir natürlich wünschen, dass mehr getestet wird, aber mit der Kernbelegschaft in den Einrichtungen schaffen wir das nicht“, sagt der Duisburger. Viele Altenheime erlebten derzeit Langzeitfolgen aus der Hoch-Inzidenz-Zeit: Auffallend viel Personal falle derzeit aus - wegen Erschöpfung. „Die Leute sind fertig“, sagt Christofczik.