Düsseldorf. Der Bundesgesundheitsminister sorgt mit seiner “Booster für alle“-Botschaft für Unruhe unter Hausärzten und ihren Patienten.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zieht mit seinem politischen Vorstoß, auch ohne entsprechende Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) das „Boostern für alle“ zu ermöglichen, den Zorn von Hausärzten in NRW auf sich. Ein Teil von ihnen fühlt sich von Spahn überrumpelt. Denn sie sehen sich plötzlich mit einer großen Nachfrage nach Auffrischungsimpfungen konfrontiert.

„Meine Kolleginnen und Kollegen möchten jene zuerst impfen, die es brauchen und nicht die, die am schnellsten laufen können“, sagte Dr. Eugen Breimann als Sprecher der Hausärzte in Duisburg dieser Redaktion. Spahns Booster-Initiative führe bei vielen Hausärzten und ihrem Personal zu Verstimmung. Manche Praxen seien angesichts der Anfragen nach Corona-Booster-, Erst- und Zweitimpfungen sowie nach Grippe-Immunisierung regelrecht verstopft. Zudem seien die Rahmenbedingungen für die Corona-Impfungen wegen der langen Bestellzeit und der komplizierten Dosierung weiter ungünstig.

Das Praxis-Personal muss viel gleichzeitig leisten

Dr. Achim Horstmann, Sprecher der Hausärzte in Oberhausen, sieht die Lage ähnlich. Der Spahn-Vorstoß bringe das Praxis-Personal an die Grenze der Belastbarkeit. Zu den vielen Impfungen und der normalen Grundversorgung der Patienten komme ab Januar noch ein weiteres Problem, das „Chaos“ heraufbeschwöre: Die komplizierte Umstellung auf elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.

Kritik übt auch der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Nordrhein, D. Oliver Funken: Wir halten uns an die aktuelle Stiko-Empfehlung und setzen die Auffrischungskampagne bei den relevanten Zielgruppen zügig und konsequent um. Politischer Aktionismus bringt uns jetzt nicht weiter“, sagte er dieser Redaktion.

Die Hausarztpraxen seien im „Impf-Flow“. Der Impfstoff müsse aber flexibler und kurzfristiger in die Praxen geliefert werden. Funken: „Von der Bestellung des Impfstoffs bis zur Auslieferung dauert es bis zu zwei Wochen. Wenn Minister Spahn die schnelle Booster-Impfung für alle fordert, müssen Ärzte auf die kurzfristig erhöhte Nachfrage reagieren können.“  Impfstofflieferungen innerhalb eines Tages seien dazu zwingend notwendig. Genug Impfstoff sei da. 

Verbands-Vorsitzende aus Westfalen-Lippe: Das Problem sind die vielen Ungeimpften

Die Vorsitzende des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe, Anke Richter-Scheer, relativiert: „Die Ärztinnen und Ärzte treffen ihre Impfentscheidungen nicht auf der Basis von politischen Vorstößen, sondern in Abstimmung mit den Patienten und unter Berücksichtigung ihrer individuellen Situation“, sagte sie dieser Zeitung. Die Stiko-Empfehlung biete hier nur eine Empfehlung, die den Ärzten durchaus die Möglichkeit einräume, auch Menschen zu impfen, die nicht unter die aktuelle Empfehlung der Stiko fallen, also jünger seien als 70 Jahre

Entscheidend sei, dass es immer noch zu viele Menschen gebe, die sich nicht impfen lassen würden, obwohl sie es könnten. „Da ist es doch nachvollziehbar, dass der andere Teil der Menschen sich und seine Umgebung schützen möchte. Ein unter 60-Jähriger möchte vielleicht seine kranken Eltern schützen.“ Da sei es gut, dass Mediziner Impfentscheidungen unter Berücksichtigung der Gesamtsituation treffen könnten, findet Richter-Scheer.

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern ringen am Donnerstag und Freitag um einen gemeinsamen Kurs im Kampf gegen die Pandemie.