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Auch nach der Verabschiedung der Hartz-IV-Reform ist völlig offen, ob und wie bedürftige Kinder Leistungen aus dem Bildungspaket erhalten. Dabei gibt es ab Januar einen Rechtsanspruch auf Förderung. Doch Vereine und Schulen hängen in der Luft.

Kinder von Hartz-IV-Empfängern und Ge­ringverdienern sollen ab dem 1. Januar die Beiträge für Vereine, Schulessen oder Klassenfahrten bezahlt bekommen. Doch bei den Jobcentern, Vereinen und Schulen herrscht Ratlosigkeit, wie das umgesetzt werden soll. Klarheit brachte auch nicht die Debatte im Bundestag.

Nach einer Stunde hatte Hermann Otto Solms (FDP) die Nase voll. „Ich bestimme jetzt, wie es weitergeht“, tütete der Bundestags-Vizepräsident die Opposition für ihre permanenten Zwischenrufe ein. Ar­beitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) war gerade ein zweites Mal am Rednerpult – dieses Mal als einfache Abgeordnete – um SPD-Chef Sigmar Gabriel zu kontern.

Es war eine ungewohnt giftige Debatte mit Unterbrechungen, bevor die Regierungsparteien am Freitag die Neuregelung der Hartz-IV-Gesetze auf den Weg brachte. In trockenen Tüchern ist die vom Bundesverfassungsgericht vorgeschriebene Neuregelung ab dem 1. Januar damit aber nicht. Derzeit weiß niemand genau, was passiert, wenn der Bundesrat, wo Schwarz-Gelb eine Stimme fehlt, am 17. De­zember nicht zustimmt. Be­kommen Hartz-IV-Kinder die Leistungen aus dem Bildungspaket sofort? Müssen sie Geld vorstrecken und erhalten es dann rückwirkend, wenn das Gesetz irgendwann in Kraft tritt?

„Betroffene werden nicht sofort an das Bildungspaket kommen“

„Das ist alles noch nicht genau geklärt“, sagte eine Sprecherin aus dem Arbeitsministerium. „Wir ge­hen von einer Einigung im Bundesrat aus.“ Bei der Bundesagentur für Arbeit sei alles so vorbereitet, dass das Gesetz am 1. Januar umgesetzt werden könne.

NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) hält das Gesetz für „einen Schlag ins Gesicht der Betroffenen, da die Regierung die Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach sachgerechter und transparenter Bemessung der Leistungen ignoriere und hilfsbedürftige Kinder diskriminiert und benachteiligt werden“. Man wolle versuchen, „das über den Bundesrat wieder gerade zu rücken“.

Wenn die Länderkammer blockiert, müsste sich der Bund vorerst eine Ersatzlösung ausdenken. Denkbar wä­re etwa ein Weg, nach dem die Regierung die Leistungen aus dem Bildungspaket ab Januar auch ohne gesetzliche Neuregelung vorübergehend be­zahlt. Der sozialpolitische Sprecher der Union, Karl Schiewerling (CDU), will da­von nichts hören. Die Koalition setze darauf, dass das nun beschlossene Gesetz auch so umgesetzt werde.

Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland, Ulrike Mascher, hält das Bildungspaket bis zu ersten Januar in jedem Fall für unumsetzbar. „Die Betroffenen werden jedenfalls nicht sofort an das Bildungspaket kommen“, sagte Mascher dieser Zeitung. „Ich wünsche es mir nicht, aber die Sozialgerichte werden mit Klagen überhäuft werden“, befürchtet Mascher – und ist damit nicht allein.

Träger ahnungslos

„Das Gesetz lässt viel Spielraum für Streit“, sagte Ulrich Schorn vom Sozialgericht Dortmund. Es sei nicht ausreichend geklärt, wer welche Leistung aus dem Bildungspaket bekommt. „Wir können keine weiteren Verfahren brauchen“, sagte Schorn. Schon heute müssten die rund 50 Richter am Dortmunder Sozialgericht insgesamt noch 23 500 Verfahren abarbeiten, 6500 davon zu Hartz IV.

Aus den Jobcentern im Re­vier, von denen sich Schulen und Vereine das Geld für Beiträge wiederholen sollen, das zuvor als Gutschein verteilt wurde, heißt es: „Wir sind in­tensiv dabei, mit den Leistungsträgern ins Gespräch zu kommen“. Mit den größten of­fenbar noch nicht. „Wir wissen von nichts,“ sagte Gudrun Janning, Geschäftsführerin des TSC Eintracht Dortmund, ein Sportclub mit 2500 Mitgliedern unter 18 Jahren. Die Re­aktion bei anderen Vereinen wie Rot-Weiß Essen, Schulträgern wie dem Stadtsportbund Duisburg und bei Wolfgang Pähler, Sprecher der Dortmunder Grundschulen, war die gleiche. Information: Fehlanzeige.