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Die Neuregelung des Jugendschutzes im Netz sorgt für Uneinigkeit im Landtag. Die Grünen wollen bei ihrer Ablehnung des Staatsvertrages bleiben, werden aber von der SPD zur Zustimmung gedrängt. Die Blogger sind sauer.

Ein Wortungetüm namens Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) sorgt für Uneinigkeit in der rot-grünen Koalition in Düsseldorf: Während die SPD offenbar auf Zustimmung drängt, möchte die Fraktion der Grünen an ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem JMStV festhalten. Dieser Konflikt wurde am Montagabend in einer Twitter-Nachricht deutlich, die die Online-Welt auf den Kopf stellte: „Wir sind weiterhin gegen den #JMStV, die Fraktion hat sich aufgrund parlamentarischer Zwänge anders entschlossen.“, hieß es da von Seiten der Grünen in NRW.

Nach dem Tweet war ein Sturm der Entrüstung losgebrochen. Blogger Thomas Knüwer verfasste eine Wutrede, in der er gegen die Beeinflussbarkeit der deutschen Politik wettert. Sie sei „kein Eintreten für eine Sache sondern ein Geschacher, das einen marokkanischen Teppichmarkt seriös erscheinen lässt“, die Abgeordneten seien nichts als „jämmerliche Gestalten“. Und im Pottblog gibt es gleich den kompletten Entschließungsantrag der SPD und der Grünen, mit dem sich die beiden Fraktionen für die Zustimmung zum neuen Staatsvertrag aussprechen.

Grüne verhandeln über Nichtzustimmung

Jetzt äußerte sich Matthi Bolte, netzpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, zu den Vorwürfen. Er wollte nicht von einer vorzeitigen Entscheidung seiner Fraktion in Sachen JMStV sprechen. Der Tweet vom Montagabend sei auf Missverständnisse zurückzuführen. „Man hatte den Eindruck, aus der SPD viele Signale zu bekommen, die auf Zustimmung drängen“, sagte er. Und immerhin sei im Koalitionsvertrag niedergelegt, dass beide Fraktionen geschlossen abstimmen wollten.

Die Fraktion der Grünen habe am Dienstag noch einmal über das Thema JMStV beraten und nun die Fraktionsführung beauftragt, mit der SPD über eine Nichtzustimmung zu verhandeln – und bleibt damit bei ihrer vormals ablehnenden Haltung. „Im Moment könnte man von einer inhaltlichen Dissenz sprechen. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass sich bei der SPD noch etwas dreht.“ Bolte gehe davon aus, dass man sich verständigen könne. Und die abschließenden Beratungen der Fraktion zu diesem Thema fänden immerhin erst in der kommenden Woche statt.

Neu ist die Alterskennzeichnung

Die Grundidee des Staatsvertrages ist nicht neu. Bereits seit 2003 ist die alte Fassung des JMStV in Kraft und regelt den Zugang zu jugendgefährdenden Inhalten. Anbieter mussten demnach entweder eine technische Zugangskontrolle installieren, um sicherzustellen, dass ihre Angebote nur von Volljährigen genutzt werden können. Auf Pornoseiten wurde das beispielsweise durch die Eingabe der Personalausweisnummer realisiert. Anbieter konnten ihre Webseite auch tagsüber vom Netz nehmen, um Kindern und Jugendlichen den Zugang unmöglich zu machen.

Die neue Fassung des JMStV, die zum 1. Januar 2011 in Kraft treten soll, beinhaltet eine dritte Möglichkeit, wie Medienanbieter mit ihren Inhalten umgehen können. Demnach sollen sie ihre Webseite mit einer Alterskennzeichnung – ohne Altersbeschränkung, ab 6, 12, 16 oder 18 Jahren – versehen. Verpflichtend ist diese Kennzeichnung nicht, denn auch weiterhin können die altgedienten Schutzmaßnahmen des bisherigen Vertrages genutzt werden. Nachrichtenportale sind von dieser Regelung ausgenommen.

Hohe Mahngebühren bei falscher Klassifizierung

Das Problem der Neuregelung: Sie kommt beispielsweise Blogger teuer zu stehen. Denn die Kennzeichnung der Seite kann zwar vom Anbieter selbst durchgeführt werden. Allerdings hat eine Studie des Arbeitskreises gegen Internet-Sperren und Zensur (AK Zensur) ergeben, dass es dabei in vielen Fällen zu Fehleinschätzungen kommt -- und das wird teuer, denn für falsch klassifizierte Webseiten muss ein hohes Bußgeld gezahlt werden. Natürlich kann man diese Alterskennzeichnung auch von externen Anbietern durchführen lassen, gebührenpflichtig, versteht sich. Für viele Blogger ist keine der Alternativen zu finanzieren.

Bevor der neue JMStV in Kraft treten kann, muss er noch von den Bundesländern unterzeichnet werden. Im NRW-Landtag steht das Thema Mitte Dezember auf der Tagesordnung.