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Sie sind ehemalige Hauptschüler, Trennungskinder und in ihrer Jugend straffällig geworden. Zwar treffen diese Faktoren nicht auf alle jungen deutschen Männer zu, die zum radikalen Islam übergetreten sind, doch der Landesverfassungsschutz hat herausgefunden, dass sie bei einem Großteil der Konvertiten eine Rolle spielen.

Wie die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS)“ berichtet, haben die Düsseldorfer Verfassungsschützer die Lebensläufe von 140 Konvertiten untersucht, die an Rhein und Ruhr in der islamistischen Szene verkehren. Dabei haben die Beamten festgestellt, dass die Konvertiten eifriger und motivierter als ihre Glaubensbrüder sind. Wie bei rechtsradikalen Jugendlichen auch, sei die Kriminalität – Delikte wie Körperverletzung und Drogenhandel – häufig das Eingangstor in die extreme Szene.

Die Hälfte war bereits vor dem Übertritt in den Islam mit dem Gesetz in Konflikt geraten. In einem Fall war das Gespräch eines straffällig gewordenen Jugendlichen mit einem Imam der Anstoß, zum Islam überzutreten. In anderen Fällen waren es muslimische Mithäftlinge, die im Gefängnis erfolgreich für den Islam geworben haben.

Kriminelle Vergangenheit, zerrüttetes Elternhaus

Eine kriminelle Vergangenheit muss jedoch keine Voraussetzung für die Konversion sein. Oft genügt der Kontakt zu Muslimen in Sportvereinen oder in der Schule. Mit der Zeit ergeben sich so Möglichkeiten, den Islam über einen Moschee-Besuch oder ein Gespräch mit einem Imam kennenzulernen.

Besonders empfänglich dafür seien Kinder und Jugendliche, deren Eltern sich getrennt haben. Eine gescheiterte Ehe der Eltern und fehlende Bindungen könnten bereits bei zwei von vier Mitgliedern der Sauerland-Gruppe großen Anteil am Aufstieg in der islamistischen Szene gespielt haben. Dass nun 25 Prozent der untersuchten Konvertiten auch aus einem zerrütteten Elternhaus stammen, wird vom Verfassungsschutz NRW als eine Bestätigung dieser These angesehen.

Eine fehlende Vaterfigur wird in der Untersuchung ebenfalls als eine Ursache für den Wunsch nach einer Stabilität gebenden Gruppe angeführt. In vielen Fällen sei der Vater der Konvertiten Trinker gewesen oder habe sich nach der Trennung von der Mutter nicht mehr blicken lassen. Nicht selten sei zudem eine Kombination aus Problemen in der Schule, schwachen sozialen Kontakten und Orientierungslosigkeit.

Dieser Cocktail der Hilflosigkeit sei dafür verantwortlich, dass die jungen Männer ansprechbar für eine Ideologie seien, die klare Grenzen aufzeige und Halt gebe, so Burkhard Freier, stellvertretender Leiter des NRW-Verfassungsschutzes.

Gruppe entscheidend

Das sagt auch Saskia Lützinger von der Forschungsstelle Terrorismus des Bundeskriminalamts in einem Interview mit „Der Spiegel“. Es gehe Betroffenen darum, „Kontrolle über das eigene Leben zu bekommen, die sie in ihrer chaotischen Kindheit und Jugend nie gehabt haben“.

Wie beim Rechtsextremismus oder bei religiösen Sekten auch, sei es jedoch weniger die Ideologie, sondern vielmehr die Defizite im eigenen Lebenslauf und in der Persönlichkeit, die die Männer anfällig für radikalislamische Gruppen machten. Entscheidend für den letzten Schritt sei jedoch ein Milieu oder eine Führungspersönlichkeit. „Niemand wird Islamist, wenn es keine entsprechende Gruppe gibt“, sagte Burkhard Freier der FAS. Widerlegt sei durch die Untersuchung die These, dass Konvertiten von islamischen Terrorgruppen gezielt rekrutiert würden.

In Nordrhein-Westfalen leben 1,2 Millionen Muslime, knapp fünf Prozent seien Konvertiten. Unter den Anhängern der Islamisten sollen es genauso viele sein.