Hannover. .
Präses Nikolaus Schneider hat die 11. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland eröffnet. Schneider, der zum Nachfolger von Margot Käßmann gewählt werden soll, setzte in seiner Rede auffällig politische Akzente.
Es war die erste Synode seit etlichen Jahren, an der ihr einstmaliger Kirchenstar Margot Käßmann nicht teilnahm. Die ehemalige Ratsvorsitzende der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland) absolviert nach ihrem Rücktritt von den Kirchenämtern wegen einer Alkoholfahrt einen Studienaufenthalt in den USA. Statt der früheren Führungsfrau legte nun ihr designierter Nachfolger Nikolaus Schneider vor der Synode, die bis Mittwoch in Hannover tagt, Bericht ab.
Und der offenbarte nicht nur die unterschiedlichen Temperamente der beiden protestantischen Prominenten. Schneider setzte darin auch schon erste politische Akzente für die Ratspräsidentschaft. Er wird voraussichtlich am Dienstag zum neuen „Chef“ gewählt. Kontroverse Debatten über den einen oder anderen Punkt seines Ratsberichts deuten sich bereits an.
Kritik am Afghanistan-Einsatz
Schneider, statt der Medienfrau Käßmann eher ein Moderator, setzte auffällig Akzente in seinem Ratsbericht. Zum einen zeigt der Präses der rheinischen Landeskirche, dass er das gesellschaftspolitische Engagement der Kirche stark theologisch deutet. Er leitet ihr Eintreten für Arme, für Arbeitslose, für Behinderte, direkt aus dem Evangelium ab. Er kommt von dem biblischen Schöpfungsauftrag an den Menschen, sich die Erde untertan zu machen, sogleich auf die Debatte um die Atomkraft und die Friedensethik der Kirche. Schneider zeigte sich als ausdrucksstarker Theologe.
Und er - wird - ein politischer Ratsvorsitzender. Er bezieht klar Stellung zum Thema Atomkraft. „Die Verlängerung der Laufzeit der Atomreaktoren sehe ich deshalb kritisch“, erklärt er vor der Synode und damit auch gegenüber der protestantischen Bundeskanzlerin. Die Frage eines Endlagers sei nicht geklärt, kritisiert er. „Für mich übersteigt die Dauer der Strahlung der einzulagernden Brennelemente das dem Menschen gegebene Maß an Verantwortungsmöglichkeiten.“
Kritisch äußert er sich gegenüber dem Afghanistan-Einsatz der Bundesregierung. Margot Käßmann hatte diese Debatte in ihrer Neujahrspredigt im vergangenen Januar noch angestoßen. Schneider hatte die damals öffentlich dafür Gescholtene verteidigt. Doch nicht nur aus kirchlicher Solidarität; er stützte ihren Kurs aus Überzeugung. Jetzt stellte er noch einmal klar, dass der Einsatz auch ein umfassendes Konzept und eine Ausstiegsstrategie braucht. „Deren Fehlen stellt die ethische Legitimation des Einsatzes in Afghanistan in Frage“, sagte er jetzt.
Neue Diskussion über Präimplantationsdiagnostik (PID)
Ein dritter Akzent dürfte in der Synode umstritten sein. Schneider stellt eine frühere Entscheidung des Gremiums in Frage: Das Verbot der PID, also der gentechnischen Untersuchung von Embryonen, die im Reagenzglas erzeugt werden. Dabei werden die Embryonen auf Erbkrankheiten untersucht und gegebenenfalls vernichtet. So können aber auch „Designer-Babys“ entstehen. Nun will Schneider, dass die Synode die gesamte Diskussion darüber noch einmal aufrollt. Er könne „Mit-Leiden“ mit Eltern, die an schweren Erbkrankheiten leiden, begründete er das. „Im Interesse dieser Eltern setze ich mich also für eine Neuaufnahme der ethischen Diskussion ein.“ Beifall erhielt er an dieser Stelle nicht.
Aufmerksam werden aber nicht die Synodalen seine Neuausrichtung aufgenommen haben. Auch die Politik. Sie debattiert über ein neues Gesetz. Auch innerhalb der Koalition ist das Thema umstritten. Und die katholische Kirche. Bisher gab es hier einen ökumenischen Gleichklang. Der ist nun gestört.
Uneingeschränkter Beifall war dem „amtierenden“ Ratsvorsitzenden jedoch sicher, als er auf Debatte über die Integration einging. Er dankte Bundespräsident Wulff, der zum Auftakt der Synode ein Grußwort hielt, ausdrücklich für seine Reden dazu. Mit Blick auf die Worte Thilo Sarrazins jedoch sagte er, pauschale Vorwürfe gegenüber Muslimen als „genetisch oder doch kulturell bedingt weniger intelligent“ oder integrationsunwillig stigmatisierten einen Teil der Bevölkerung.
Käßmanns bewegtes Leben
Wulff vorsichtiger
Wulff hatte in seinem Grußwort auch für einen Dialog der Religionen geworben. Als er über die Nächstenliebe und das daraus folgernde politische Handeln sprach, ging er auch auf die christliche Tradition des Landes ein. Bemerkenswert dabei war, dass er anders als bei seiner Rede zum 3. Oktober die Akzentuierung anders setzte. Hatte er damals noch gesagt, dass unsere Geschichte christlich-jüdisch geprägt sei, dass aber auch der Islam inzwischen zu Deutschland gehöre, so sagte er jetzt: „Keineswegs war das Christentum die einzige prägende Kraft, die bis in die Gegenwart wirkt. Unsere Kultur ist ebenso geprägt von der Aufklärung, vom Judentum, von der Arbeiterbewegung, vom Liberalismus und von der Frauenbewegung.“
Viel Debatten-Stoff also für die 126 Synodalen. Am Dienstag, bei der Wahl ihres Ratsvorsitzenden, lässt vielleicht auch ablesen, wie sie über diese Themen debattiert haben.