Berlin. .

Ein Jahr nach der Bundestagswahl kann die SPD von der Schwäche der schwarz-gelben Bundesregierung nicht recht profitieren. SPD-Fraktionschef Steinmeier und Parteichef Gabriel räumen Schwächen ein - und greifen die Grünen an.

Die Absicht war klar: Seit an Seit waren sie angetreten, um gegenseitige verbale Streicheleinheiten zu verteilen und auf die schwarz-gelbe Regierungspolitik einzuprügeln. Stattdessen aber mussten SPD-Chef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier die Schwäche ihrer Partei erklären und den Höhenflug der Grünen kleinreden.

Es war am Dienstag der erste gemeinsame Auftritt der SPD-Vorderen seit Steinmeiers Nierenspende an seine Frau Elke Büdenbender. Zum Einstand überließ Gabriel dem Fraktionschef den Part, den er wohl selbst gerne übernommen hätte: Attacke auf Schwarz-Gelb. Erwartungsgemäß fiel Steinmeiers Bilanz niederschmetternd aus. Eine Politik zum Abgewöhnen, ohne Strategie, ein Kabinett der Eitelkeiten, eine Regierung, die schlechter als jede andere vorbereitet war und die bislang dreisteste Lobbypolitik betrieben hat. Besser hätte auch Gabriel nicht losledern können, der sich anschließend an all den vergebenen Chancen der Regierung abarbeitete.

Sarrazin, die Rente – all das setzte der Partei zu

Statt weiterer Attacken mussten die SPD-Spitzen im Folgenden die eigene Partei verteidigen – nicht ohne Grund. Seit der Bundestagswahl hat die Partei in den Umfragen nur wenig Boden gutmachen können. Zuletzt haben die Debatte um Thilo Sarrazin und der parteiinterne wochenlange Streit um die Rente mit 67 der Partei zugesetzt. So sieht das Forsa-Institut die SPD aktuell mit 23 Prozent erstmals hinter den Grünen mit 24 Prozent. „Es ist wahr, dass die Schwäche der Regierung den Oppositionsparteien in unterschiedlicher Weise nützt“, räumte Steinmeier ein.

Gleichwohl habe die SPD seit der Bundestagswahl aufgeholt. „Es gibt keinen Grund, als Sozialdemokratie in übergroßer Demut durchs Land zu gehen“, sagte Steinmeier. Man müsse sich losreißen von der Vorstellung, dass die Leute in Scharen zurückkehrten, so Gabriel. Dies zeigt sich nicht nur bei den Umfragen, sondern auch bei den Mitgliederzahlen. Gerade einmal 505.000 Personen haben noch das SPD-Parteibuch. Sogar die CDU hat mehr Mitglieder, was noch vor einigen Jahren undenkbar schien.

Furcht vor einem grünen Ministerpräsidenten

Noch unerfreulicher als im Bund sieht die Lage auf Länderebene aus. In Baden-Württemberg droht der SPD das demütigende Szenario, Juniorpartner unter den Grünen zu werden. Ebenso in Berlin. „Wir sind kein Grünen-Bekämpfungskommando“, sagte Gabriel und nannte die Ökopartei die „neue liberale Partei“ in Deutschland. Er sprach den Grünen die Fähigkeit ab, als stärkste Partei in einem Land Politik für alle zu machen: „Ich will nicht, dass ein grüner Ministerpräsident die Leitlinien bestimmt.“ Die Reduktion auf „einige wenige Themen“, wie sie im Grünen-Kanon von Politik stehe, reiche für politische Führung nicht aus. Diese sieht Gabriel bei der SPD: „Wir verstehen mehr als nur Bahnhof.“