Oberhausen. .

Die Grünen sind mitten in der Gesellschaft angekommen, sagt Volker Wilke, mahnt aber trotz Umfragehochs zu Gelassenheit.

Klar, Umfragen sind keine Wahlen. Wenn aber die Grünen erstmals seit ihrer Gründung vor rund 30 Jahren in einer bundesweiten Umfrage vor der SPD liegen, dann dürfte das zumindest eine Entwicklung widerspiegeln – und sei es die, dass das gewohnte Parteiensystem im Umbruch begriffen ist.

NRZ: Werden die Grünen jetzt Volkspartei?

Volker Wilke: Parteien haben Hochs und Tiefs. Wir haben gerade ein Hoch, und das wird sich unter Umständen halten können.

Klingt eher nüchtern.

Natürlich tun die Umfragen gut, aber man sollte sie nicht überbewerten. Ich glaube, dass das gesamte deutsche Parteiensystem vor der Herausforderung steht, Antworten auf die aktuellen Probleme der Gesellschaft zu finden. Und da sind die Grünen zur Zeit eben vorne dabei.


Also doch Volkspartei?

Das kommt immer darauf an, was man unter einer Volkspartei eigentlich versteht. Aber in der Tat: Die Gesellschaft ist grüner geworden. Und liberaler, aber in einem anderen Sinne, als die FDP ‘liberal’ versteht.

Woran machen Sie das fest?

Zum Beispiel an den Ereignissen in Stuttgart. Demonstrieren ist inzwischen im Mainstream angekommen, und das Verprügeln von Demonstranten – das früher übrigens normal war – ist heute nicht mehr angesagt.

Sind es wirklich die vielbeschworenen neuen „Bürgerbewegungen“, die den Trend zu Grün ausmachen?

Es gibt weitere Entwicklungen, die uns zu Gute kommen. Die Ökoschiene wird zunehmend ernst genommen. Die Grünen haben ein Konzept und immer mehr renommierte Wissenschaftler und sogar die Industrie halten es für tragfähig. Nehmen Sie zum Beispiel die Elektroautos. Der Tenor ist: ‘So spinnert sind die Grünen ja gar nicht mehr.’ Wir machen einfach ein gutes Angebot, was das Wertesystem angeht, und das kann sich in solchen Prognosen widerspiegeln.

Wie lange mag dieser Höhenflug anhalten?

Man lebt natürlich auch von den Schwächen der anderen. Die Sozialdemokratie wird aus ihrem Loch nicht herauskommen, ohne sich wieder klarer zu definieren. Entscheidend werden die Wahlen im nächsten Jahr sein.

Ist der derzeitige Schwung auch vor Ort spürbar, etwa bei den Mitgliederzahlen?

Auffallend ist der Zulauf bei unserer Grünen Jugend, das hatten wir über Jahre nur wenig. Ansonsten sind die Mitgliederzahlen zumindest stabil – und es gibt viele Sympathisanten.