Essen.
Verbrechen im Außenamt: Das Auswärtige Amt war am Völkermord an den Juden beteiligt. Das ist das Ergebnis einer Studie einer internationalen Historikerkommission.
Als der Internationale Militärgerichtshof 1945 in Nürnberg die Arbeit begann, saß auch Joachim von Ribbentrop auf der Anklagebank. Der „Nürnberger Prozess” gegen die Hauptkriegsverbrecher des NS-Regimes umfasste die Anklagepunkte: Verschwörung gegen den Frieden, Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskrieges, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In allen Punkten wurde Ribbentrop für schuldig befunden und zum Tode durch den Strang verurteilt. Ribbentrop war Hitlers Außenminister. Und trotz dieser bereits damals offenkundigen Verstrickung des Ministeriums konnte sich in der Nachkriegszeit der Anschein halten, das damalige Außenamt habe sich nach Kräften vom NS-Apparat weitestgehend distanziert. Eine Mär, nun kommt die Wahrheit mit ganzer Schwere ans Licht.
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„Das Auswärtige Amt war eine verbrecherische Organisation”, fasst Eckart Conze das Ergebnis einer Studie einer internationalen Historikerkommission zusammen. Es war am Völkermord an den Juden beteiligt. „Es war „an allen Maßnahmen der Verfolgung, Entrechtung, Vertreibung und Vernichtung der Juden von Anfang an aktiv beteiligt”, so Conze zum Spiegel. Nach 1945 sei großer Aufwand betrieben worden, diese Vergangenheit zu vertuschen.
Conze leitete die Kommission, deren Ergebnisse in dieser Woche vorgestellt werden, die zum Teil jedoch bereits bekanntgeworden sind. Die Studie war 2005 vom damaligen Außenminister Joschka Fischer (Grüne) auf den Weg gebracht worden, um die NS-Geschichte des Außenministeriums und dessen Umgang mit der Vergangenheit nach dem Krieg zu klären.
Aus der Fülle der untersuchten Dokumente legt ein Beispiel dar, dass das Amt sowohl genaue Kenntnisse über Verbrechen des Regimes besaß, als auch, dass es Teil der Mordmaschinerie war: In einer Reiseabrechnung des Leiters des „Judenreferats” im Auswärtigen Amt heißt es als Grund für eine Dienstreise unter anderem: „Liquidation von Juden in Belgrad”. Auch habe ein Besuch im KZ Dachau zur Ausbildung von Diplomaten gehört. Ferner seien Deutsche, die im Ausland als Kriegsverbrecher gesucht wurden, vom Außenamt gewarnt worden, um der Verhaftung bei Auslandsreisen zu entgehen.
Nun bringen die Historiker auch den Namen Ernst von Weizsäcker ins Spiel. Der Vater des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker war seit 1938 Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Er habe im Mai 1936 die Ausbürgerung des Schriftstellers und Nobelpreisträgers Thomas Mann gebilligt, so die Spiegel-Informationen. Es bestünden gegen die Ausbürgerung keine Bedenken, nachdem Mann feindselige Propaganda gegen das Reich im Ausland betrieben habe, heiße es in einem Brief Ernst von Weizsäckers. Diese Stellungnahme habe den Ausschlag gegeben, dass der Literat seine deutsche Staatsangehörigkeit verlor.
Vorzeitig freigelassen
Ernst von Weizsäcker, ein gebildeter, perfekt auftretender Spross des konservativen Bürgertums, hatte im „Dritten Reich” eine glänzende Karriere durchlaufen, hatte Ribbentrop direkt unterstanden. Er war 1947 verhaftet worden, als er als Zeuge bei den Nürnberger Verfahren aussagen wollte. Auch er wurde (u. a. wegen Verbrechen gegen den Frieden) verurteilt, erhielt mehrere Jahre Haft, kam jedoch im Oktober 1950 wieder frei. Als Hilfsverteidiger hatte auch sein Sohn Richard fungiert, der damals Jura-Student war.
Richtig ist, dass der Diplomat für eine Friedensordnung eintrat und häufig mit Ribbentrop Auseinandersetzungen austrug. Doch blieb die Rolle Weizsäckers, der 1951 im Alter von 69 Jahren starb, umstritten. Altbundespräsident Weizsäcker wies die Vorwürfe der Studie zurück: Der Vater habe „bei allen Veränderungen der europäischen Situation unbedingt den Frieden bewahren” wollen, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Auch vom Initiator der Untersuchung liegt eine Stellungnahme zur Außenamts-Studie vor: „Ich las den Bericht und war entsetzt”, lautete Fischers Kommentar.