Wustrow/Berlin. .

Linken-Chef Ernst hält nichts von drastischen Sabotage-Akten vor den nächsten Castor-Transporten. Zusammen mit Atom-Gegnern haben mehrere Bundestagsabgeordnete zum „Castor schottern“ aufgerufen, darunter auch Gregor Gysi.

Zum Aufruf mehrerer Bundestagsabgeordneter der Linken und des NRW-Landesverbandes, bei den Demonstrationen gegen die kommenden Atommüll-Transporte Anfang November nach Gorleben aktiv Straftaten zu begehen, geht der Parteivorsitzende Klaus Ernst auf Distanz zu seinen Parteifreunden. „Ich halte es für legitim, dass sich die Gegner der Atompolitik der Bundesregierung überlegen, mit welchen Mitteln sie sich wehren können. Ich halte aber nichts davon, es auf Auseinandersetzungen mit der Polizei oder technische Zwischenfälle an Gleisen sogar direkt anzulegen“, sagte Ernst im Gespräch mit DerWesten.

Hintergrund: Die Initiatoren der Kampagne „Castor schottern“ rufen dazu auf, Steine aus dem Gleisbett der Strecke zu entfernen, auf der um den 6. November herum der nächste Atommülltransport ins niedersächsische Gorleben stattfinden soll. Die Route soll so unbefahrbar gemacht werden. Zu den Unterzeichnern gehört unter anderem der Stellvertreter von Linken-Fraktionschef Gregor Gysi, Jan van Aken.

Kampagne „Castor schottern“

„Atomausstieg ist Handarbeit“. Darunter verstehen die Unterstützer der Kampagne „Castor schottern“ den möglichst tausendfachen Griff ins Gleisbett jener Zugstrecke, auf der Anfang November wieder strahlender Atommüll quer durch Deutschland in den niedersächsischen Salzstock bei Gorleben transportiert werden soll. Wo kein Steine im Gleisbett, da kein funktionstüchtiges Gleis. Wo kein Gleis, da kein Transport.

Dieser Logik, noch im Zustand der Wunschvorstellung, haben sich, wie ein Blick auf einschlägige Internetseiten zeigt, nicht nur bekannte Atom-Aktivisten verschrieben. Sondern mit hochrangigen Vertretern der Linkspartei in Bund und NRW, auch Teile des politischen Establishments. Jan van Aken, Bundestagsfraktionsvize, sieht die Sache so: Das jüngste Atom-Laufzeiten-Bonbon „12 Jahre plus“ für die Energiekonzerne sei ein drastischer Eingriff in den gesellschaftlichen Frieden. Folglich seien nun die Gegner dieser Politik legitimiert, „auch zu drastischen Mitteln zu greifen“.

Paragraf 316 b Strafgesetzbuch hält da einige wertvolle Informationen parat. Danach handelte es sich um eine Störung der öffentlichen Ordnung, die in besonders schweren Fällen mit Gefängnisstrafen bis zu zehn Jahren belegt werden kann. Die Lüneburger Staatsanwaltschaft überlegt bereits, ob sie präventiv ein Ermittlungsverfahren einleiten soll.

Castor-Gegner wehren sich gegen vorauseilende Kriminalisierung

Castor-Gegner, für sie sind die Fuhren aus dem französischen La Hague ins Wendland Symbol für die nach wie vor ungelöste Endlagerung der strahlenden Atom-Abfälle, sehen darin eine vorauseilende Kriminalisierung. Ziel sei es allein, die Schienen vorübergehend unbefahrbar zu machen, nicht, die Polizei zu attackieren, erklärte gestern ein Sprecher der Initiative. Gefahren für Bahnfahrer und Unbeteiligte im regulären Bahnverkehr schloss er aus. Außer dem Castor gebe es an den prekären Tagen zwischen dem 5. und 7. November keinen Bahnverkehr auf der Strecke.

Polizeigewerkschafter ahnen dennoch Schlimmes: Die kommenden Anti-Atom-Proteste „könnten die militantesten seit vielen Jahren werden“, befürchtet die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Man rechnet mit weit über 50.000 Demonstranten. Denen steht ein Großaufgebot von rund 20.000 Polizisten gegenüber.

Dass führende Linke das höchstrichterlich verbriefte Recht auf zivilen Gehorsam derart weit auslegen, passt dem Linken-Chef nicht so richtig. „Ich halte es für legitim, dass sich die Gegner der Atompolitik der Bundesregierung überlegen, mit welchen Mitteln sie sich wehren können“, sagte Parteivorsitzender Klaus Ernst im Gespräch mit DerWesten, „ich halte aber nichts davon, es auf Auseinandersetzungen mit der Polizei oder technische Zwischenfälle an Gleisen sogar direkt anzulegen.“ Käme es dazu, hat Ernst den Hauptschuldigen bereits ausgemacht: die schwarz-gelbe Bundesregierung. „Wir hatten einen befriedeten gesellschaftlichen Konsens, der niemals hätte aufgegeben werden dürfen“, sagte Ernst in Anspielung auf den rot-grünen Atomausstieg.