Berlin. .

Der Bundestag hat einen Untersuchungsausschuss zum Atom-Endlager Gorleben eingesetzt. Unter anderem soll die politische Einflussnahme der Kohl-Regierung geprüft werden. Dabei geht es besonders um mögliche Gefahren durch ein Einsickern von Grundwasser.

Der Bundestag hat am Freitag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Atommülllager Gorleben beschlossen. Auf Antrag von SPD, Linken und Grünen soll das Gremium prüfen, ob die Entscheidung, allein Gorleben als Standort für ein atomares Endlager zu erkunden, nach fachlichen Erwägungen erfolgt ist oder aufgrund einer politischen Vorfestlegung.

Hintergrund sind Vorwürfe, wonach 1983 die damalige Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) Einfluss auf wissenschaftliche Expertisen zu Gorleben genommen hat. Dabei geht es besonders um mögliche Gefahren durch ein Einsickern von Grundwasser. Während Redner von SPD und Grünen in der Debatte die Manipulationsvorwürfe bekräftigten, warfen Union und FDP der Opposition vor, sie wollten nur das Verfahren zur Standortauswahl verzögern.

Ergebnisoffenes Verfahren

Die Erkundung des Salzstocks Gorleben war im Jahr 2000 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung für zehn Jahre unterbrochen worden. Sie soll nun nach dem Willen der Koalition von Union und FDP in den kommenden Wochen wiederaufgenommen werden. Die Oppositionsparteien dringen auf ein ergebnisoffenes Verfahren für die Standortsuche, das auch mögliche Alternativen zu Gorleben einbezieht.

Ein Untersuchungsausschuss wird auf Antrag von mindestens 25 Prozent der Abgeordneten des Bundestags eingesetzt. Keine Mehrheit fand der Antrag der SPD, die Wiederaufnahme der Erkundung des Salzstocks so lange auszusetzen, bis der Untersuchungsausschuss seine Arbeit beendet hat.

Regierung aus Union und FDP unter Kohl legte sich auf Gorleben fest

Seit Jahrzehnten ist Gorleben als Endlager für hochradioaktiven Atommüll im Gespräch. Ebenso lange erhitzt die Diskussion um die Eignung des Salzstocks im niedersächsischen Wendland die Gemüter. Auch die Umstände, unter denen der Standort zwischen Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre als mögliches Endlager für eine genauere Erkundung ausgewählt wurde, sind umstritten. Die Entscheidungswege von damals soll nach dem Willen von SPD, Linken und Grünen im Bundestag nun ein Untersuchungsausschuss beleuchten, der am Freitag eingesetzt wurde.

1977 hatte der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) die Entscheidung für Gorleben als möglichen Standort für ein geplantes Atommüll-Endlager bekanntgegeben. Die Erkundungsarbeiten in dem hunderte Meter tiefen Salzstock im Landkreis Lüchow-Dannenberg begannen 1983, nachdem die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) ihre Zustimmung erteilt hatte. Sie berief sich dabei auf einen Zwischenbericht der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), einer Vorläuferbehörde des heutigen Bundesamts für Strahlenschutz (BfS). Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die geplanten Tests eine Eignung Gorlebens als Endlager bestätigen würden und empfahl die Erkundung. Alternative Standorte wurden nicht ernsthaft erwogen.

Schon 1982 wurde an dem möglichen Endlager-Standort mit dem Bau eines oberirdisches Zwischenlagers für hochradioaktiven Atommüll begonnen. Dieses ist seitdem als Ziel für die regelmäßig von Protesten begleiteten Castor-Transporte bekannt. 1986 und 1987 begannen dann die Erkundungsarbeiten an zwei Schächten. Im November 2000 ließ die damalige rot-grüne Bundesregierung die Arbeiten vor dem Hintergrund des Atomausstiegs stoppen. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) gab vor rund zwei Wochen bekannt, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung sie umgehend wieder aufnehmen und bis 2017 abschließen will.

Eignung des Salzstocks als Endlager seit Jahrzehnten umstritten

Die Wahl auf Gorleben als Endlager fiel, weil Steinsalz von vielen Experten als eine äußerst sichere und stabile Umhüllung eingestuft wird. Andere Geologen bezweifeln dies indes. Selbst das für die Atomaufsicht und auch für Gorleben zuständige BfS bemängelte bereits, dass nur eine Einlagerung in Salz geprüft und niemals Vergleichsuntersuchungen mit anderen Materialien erwogen wurden. Laut Einschätzung der BfS-Experten kommen auch Granitgestein oder Ton infrage.

Die Zweifel an der grundsätzlichen Tauglichkeit von Salzstöcken wie Gorleben verstärkten sich insbesondere, als das Ausmaß der Schäden im maroden Atommülllager Asse bei Wolfenbüttel bekannt wurde. Seit den 80er Jahren läuft Wasser in das niedersächsische Bergwerk, in das bis 1978 rund 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Abfall eingelagert wurden. Es gilt inzwischen sogar als einsturzgefährdet. Vor wenigen Wochen empfahl das BfS, das unterirdische Lager in einem weltweit bislang einmaligen Vorgang zu räumen.

Weiter angeheizt wurde die Gorleben-Diskussion, als im vergangenen September Berichte darüber auftauchten, dass die damalige Bundesregierung unter Kohl den für die Gorleben-Vorfestlegung entscheidenden Bericht der PTB von 1983 geschönt haben könnte. Demnach sollen das Forschungs- und Innenministerium die Behörde gedrängt haben, ihren Bericht teils umzuschreiben. Die Gefahr eines Einsickerns von radioaktiven Substanzen ins Grundwasser solle „etwas weiter vom Zentrum der Betrachtung“ weggerückt werden, zitierten Medien aus dem Schriftverkehr. Diese Enthüllungen waren es dann maßgeblich auch, die in der derzeitigen Opposition im Bundestag den Entschluss reifen ließen, die Vorgänge genauer zu untersuchen. (afp/ap)