Berlin/Düsseldorf.

Mit schwindendem Respekt vor dem Gewaltmonopol der Polizei haben immer mehr Beamte im Einsatz zu kämpfen. Dabei kommt es neben Beleidigungen und Angriffen auch zu Versuchen, Gefangene zu befreien.

Die Polizei warnt vor einem bedrohlich wachsenden Kriminalitäts-Phänomen: der „Gefangenen-Befreiung“. Allein 2009 versuchten meist jugendliche Täter in 540 Fällen, frisch festgenommene Personen wieder aus polizeilichem Gewahrsam zu befreien. Dabei komme es nicht selten zu Beleidigungen oder Gewalt gegen Beamte, kritisiert die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Allein in NRW wurden im vergangenen Jahr laut Innenministerium 115 einschlägige Fälle registriert.

Aus Langeweile und Frust

Nach Angaben von Gewerkschaftschef Konrad Freiberg handelt es sich vorwiegend um ein Großstadt-Problem. Aus „Langeweile und Frust auf den Staat“, sagte er der WAZ, mischten sich vorwiegend jüngere Migranten häufig bei Festnahmen ein und bedrohten dabei Polizisten. „Diese Respektlosigkeit gegenüber dem Gewaltmonopol der Polizei gab es früher nicht“ so Freiberg, „die Politik muss dem Aufmerksamkeit schenken.“

Auch Frank Richter, Vorsitzender der GdP in NRW, kritisiert die sinkende Hemmschwelle im Umgang mit Polizisten. Der größte Teil derartiger Delikte, die erst seit drei Jahren in der offiziellen Kriminalstatistik detailliert erfasst werden, ereigne sich bei Demonstrationen oder am Rande von Fußballspielen. Seitdem seien landesweit rund 400 Fälle von „Gefangenen-Befreiung“ registriert worden – bei steigender Tendenz, warnt Richter. Mitunter, so der Gewerkschaftschef zur WAZ, würden festgenommene Täter sogar aus Streifenwagen herausgeholt. In anderen Fällen, etwa bei Demonstrationen, würden Einkesselungen der Polizei durchbrochen. „Das ist nicht die Gefangenen-Befreiung wie in einem James-Bond-Film“, so Richter.

Nur zwölf Prozent ohne deutschen Pass

Häufig schlägt der Versuch auch fehl. Bundesweit waren die Täter im vergangenen Jahr laut Freiberg in 130 Fällen erfolgreich. Eine ähnliche Quote melden die Behörden für NRW. Nach Zahlen des Düsseldorfer Innenministeriums wurden 95 Prozent der Angriffe auf die Polizei aufgeklärt, wobei unter den 157 Tatverdächtigen lediglich 12 Prozent keinen deutschen Pass hatten.

Richter fordert konsequentes Eingreifen, um den Negativtrend zu stoppen. Der Staat dürfe „nicht die weiße Fahne hissen“.

Freiberg nannte Zahlen für die steigende Gewalt gegen Polizisten. Im vergangenen Jahr sei jeder vierte der 265 000 Beamten in Deutschland geschlagen oder getreten worden. 80 Prozent wurden nach GdP-Angaben im Dienst beleidigt.

Insgesamt fühlt sich die Polizei durch zunehmende gesellschaftliche Groß-Konflikte überfordert. „Wir wollen als Polizisten nicht für ungelöste gesellschaftliche Konflikte den Kopf hinhalten“, sagte Freiberg angesichts wieder aufgeflammter Anti-Atom-Proteste oder der Demonstrationen gegen das Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“.