Düsseldorf. .

Horst Seehofers Forderungen nach einer härteren Zuwanderungspolitik stößt in der Union auf Kritik. Der ehemalige NRW-Integrationsminister Armin Laschet meint: Ein Zuwanderungsstopp für Türken und Araber löst die Integrationsprobleme nicht.

Die Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) nach einem Zuzugsstopp für Muslime zielt nach Einschätzung des früheren NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) in die falsche Richtung. „Ein Großteil unseres Integrationsproblems sind jene Zuwanderer, die zum Teil seit vielen Jahren in unseren Sozialsystemen leben und keinen gesellschaftlichen Aufstieg schaffen“, sagte Laschet der WAZ-Mediengruppe. Deutschland sei seit 2008 „Auswanderungsland“, weil mehr Menschen das Land verlassen hätten als gekommen seien. „Vor allem gut ausgebildete und hervorragend integrierte Fachkräfte haben Deutschland den Rücken gekehrt. Eine Industrienation wird in Zukunft auf die Zuwanderung von Hochqualifizierten nicht verzichten können“, sagte Laschet.

Trotz demonstrativer Rückendeckung durch Kanzlerin Angela Merkel verschärfte sich am Montag die von CSU-Chef Seehofer ausgelöste Debatte über den Zuzug von Ausländern. Die Opposition warf ihm geistige Brandstiftung und Rechtspopulismus vor. Der bayerische Ministerpräsident verteidigte sich und erklärte, er habe nie einen Zuwanderungsstopp für Türken und Araber gefordert. Es sei ihm um das Thema Fachkräftemangel gegangen.

Seehofer fühlt sich missverstanden

Seehofer sagte in München, er habe in dem entsprechenden Interview ausschließlich zu der Frage Stellung genommen, ob zusätzliche ausländische Fachkräfte nach Deutschland kommen sollen. Er sei der Ansicht, dass man sich zunächst um die Arbeitslosen in Deutschland kümmern sollte. Seehofer hatte dem „Focus“ gesagt, es sei „doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun. Daraus ziehe ich auf jeden Fall den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen.“

Dies war bereits am Wochenende auf empörte Reaktionen gestoßen. Zuvor hatten Ex-Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin und Bundespräsident Christian Wulff die Integrationsdebatte in Deutschland mit unterschiedlichen Beiträgen befeuert.

Türkische Gemeinde empört

Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach sagte nach einem Telefonat zwischen Merkel und Seehofer, dessen Betrachtung und Motivation seien für die Kanzlerin nachvollziehbar gewesen. „Insofern gibt es da keinen weiteren Dissens“. Auch Merkel sei der Auffassung, dass zur Beseitigung des Fachkräftemangels zunächst das vorhandene Potenzial ausgeschöpft werden müsse. Darüber hinaus gebe es überhaupt keinen Zweifel, dass Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen in Deutschland willkommen seien.

Die türkische Gemeinde in Deutschland sah das anders. Mit solchen Äußerungen könne man Seehofer nicht mehr ernst nehmen, sagte ihr Vorsitzender Kenan Koalt. „Solche Worte sind diffamierend, verletzend und sie machen das Bild der Bundesrepublik Deutschland im Ausland auch nicht gerade positiv.“

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, zeigte sich schockiert. Es gehe nicht an, Menschen aus einem anderen Kulturkreis unter Generalverdacht zu stellen. „Das grenzt aus und läuft allen Integrationsbemühungen zuwider“, sagte sie der „Bild“-Zeitung.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte in Stuttgart, Seehofer wolle offenbar die Religion zum Kriterium für Zuwanderung machen. Was bei einer gezielten und gesteuerten Zuwanderung gebraucht werde, seien jedoch Qualifikationskriterien. „Mich interessiert nicht, ob er ein Christ, ein Jude, ein Atheist oder Moslem ist, sondern zwei Dinge: Was kann er, beziehungsweise können wir ihn gebrauchen.“

Der bayerische Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident Martin Zeil (FDP) distanzierte sich von Seehofer. Deutschland sei darauf angewiesen, im globalen Wettbewerb um die besten Köpfe zu bestehen, sagte er. Dem sei die Art und Weise, wie das Thema Zuwanderung diskutiert werde, nicht angemessen.

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth warf Seehofer vor, seine Thesen seien „nichts anderes als Rechtspopulismus“ und „Brandstiftertum“. Dies sei „brandgefährlich für die Demokratie“. Die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sevim Dagdelen, wurde deutlicher: „Offenbar ist ein wahrer rechtspopulistischer Wettbewerb um Einwanderungsbegrenzung, Nützlichkeitsmigration und Sanktionsforderungen ausgebrochen“, erklärte sie. Mit seiner Forderung nach einem Zuwanderungsstopp befinde sich Seehofer „im braunen Fahrwasser Sarrazins und Geert Wilders““.

Weise für gesteuerte Zuwanderung

Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, sagte der „Süddeutschen Zeitung“, es sei unrealistisch, fehlendes Fachpersonal in erster Linie unter deutschen Langzeitarbeitslosen rekrutieren zu wollen. „Wir brauchen eine gesteuerte Zuwanderung, etwa mithilfe eines Punktesystems wie in Kanada.“

Die CDU-Abgeordnete und Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach hingegen hingegen erklärte, die aktuelle Debatte sei „ein weiteres Indiz dafür, dass noch immer nicht jeder im Lande begriffen hat, dass es in Deutschland ein gravierendes Integrationsproblem bei einem Teil der Zugewanderten gibt“. Es sei „eine Überlegung durchaus wert, diesen Anteil nicht durch Zuwanderung noch zu vergrößern“. (mit dapd)