Berlin/München. .

„Die Integrationsprobleme konzentrieren sich in einem Anteil der muslimischen Zuwanderer“, so Vertriebenenpräsidentin Steinbach. CSU-Chef Seehofer hatte am Wochenende gesagt, die Integrationsfähigkeit hänge auch von der Herkunft ab.

Die Empörung über die integrationspolitischen Äußerungen von CSU-Chef Horst Seehofer ist nach Einschätzung von Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach „kurzsichtig“. Die aktuelle Debatte sei „ein weiteres Indiz dafür, dass noch immer nicht jeder im Lande begriffen hat, dass es in Deutschland ein gravierendes Integrationsproblem bei einem Teil der Zugewanderten gibt“, erklärte die CDU-Politikerin am Montag in Berlin.

Latente Denk- und Sprechverbote hätten auch bei der Union „über einen viel zu langen Zeitraum die Probleme zusätzlich“ verschärft, saget Steinbach. „Wer den Kopf in den Sand steckt , ist nicht in der Lage, die Probleme zu erkennen und wird sie auch nicht lösen können.“

„Probleme konzentrieren sich auf muslimische Zuwanderer“

„Die deutschen Integrationsprobleme mit Zuwanderern liegen nicht bei Bahai, Buddhisten oder Hindus und auch nicht bei Atheisten, sondern konzentrieren sich besorgniserregend in einem Anteil der muslimischen Zuwanderer“, sagte Steinbach. So sei es „eine Überlegung durchaus wert, diesen Anteil nicht durch Zuwanderung noch zu vergrößern“, sagte Steinbach, die auch menschenrechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist.

Steinbach erklärte, Seehofer habe aufgrund der Erfahrungen der letzten 30 Jahre das angesprochen und eingefordert, was in den klassischen Einwanderungsländern gang und gäbe sei: „Man legt Maßstäbe für Zuwanderer fest. Zu diesen Maßstäben gehört, dass sie sich an unsere Grund- und Freiheitswerte anpassen und diese akzeptieren müssen“.

„Anstatt sich zu empören, sollten Sprecher muslimischer Gruppierungen ihre Glaubensbrüder dazu anhalten, Menschenrechte und Menschenwürde in den eigenen Familien zu leben“, sagte Steinbach. Sie sollten treibende Kraft sein, „die eigenen Volksgruppen aufzufordern, hier im Lande mitzumachen und auch Respekt vor diesem Lande, seiner Kultur und seinen Menschen aufzubringen.“

Merkel stellt sich hinter Seehofer

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich im Streit über die Zuwanderung hinter CSU-Chef Horst Seehofer gestellt. Die Kanzlerin halte Seehofers Äußerungen zur Begrenzung des Zuzugs ausländischer Fachkräfte für „nachvollziehbar“, sagte Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach am Montag vor Journalisten in Berlin. Insofern gebe es zwischen beiden Politikern keinen Dissens. Nach Heimbachs Angaben hat Seehofer der Kanzlerin am Montag in einem Telefonat seine Haltung erläutert und seine Motivation dargelegt.

Dem bayerischen Ministerpräsidenten gehe es darum, dass vor einem Zuzug von Fachkräften aus Drittländern zunächst die Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt berücksichtigt werden müsse, sagte Heimbach. Wenn es um Zuwanderung gehe, solle das vorhandene Potenzial ausgeschöpft werden, auch durch Qualifizierung. Dies sei auch die Meinung der Kanzlerin. Heimbach verwies zudem auf die Freizügigkeit von Fachkräften aus anderen EU-Staaten, die ab dem kommenden Jahr auch für Menschen aus den mittelosteuropäischen Ländern gelten wird.

Seehofer hatte am Wochenende dem Magazin „Focus“ gesagt, die Integrationsfähigkeit von Zuwanderern hänge auch von ihrer Herkunft ab. „Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun. Daraus ziehe ich auf jeden Fall den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen.“ Dazu sagte Heimbach lediglich, arabische und türkische Zuwanderer seien „natürlich“ auch weiterhin in Deutschland willkommen.

Seehofer fühlt sich missverstanden

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer war sich keiner Schuld bewusst, als er nach der Welle der Empörung vom Wochenende über seine Äußerungen zur Zuwanderung bei einem Kongress der Hanns-Seidel-Stiftung in München auftrat. Bei dem Treffen ging es am Montag eigentlich um die Außen- und Verteidigungspolitik. Seehofer ließ jedoch in seine Rede den Satz einfließen: „Jeder beurteilt ein Interview von mir, aber die wenigsten haben es gelesen.“

Er sagte am Rande des Kongresses, es sei wohl eine Erscheinung der gegenwärtigen Zeit, dass Leute sagen: „Ich habe zwar das Buch nicht gelesen, aber ich kann es bewerten.“ Seehofer verwies darauf, dass er in dem „Focus“-Interview keinen generellen Zuwanderungsstopp für Türken und Araber gefordert habe. Vielmehr sei er ausschließlich auf die Frage eingegangen, ob zusätzliche ausländische Fachkräfte von außerhalb der EU nach Deutschland geholt werden sollen.

Keine Entschuldigung

Seehofer fügte hinzu, bei diesem Thema vertrete er bereits seit einiger Zeit die Ansicht, dass man sich zunächst um die Arbeitslosen in Deutschland kümmern sollte. Auch für die älteren Arbeitnehmer müsse es bessere Beschäftigungsmöglichkeiten geben. Schließlich dürfe die Verlängerung der Lebensarbeitszeit nicht eine Rentenkürzung bedeuten. Ferner müsse die kurz bevorstehende Freizügigkeit in der Europäischen Union bedacht werden.

Forderungen aus der Türkischen Gemeinde in Deutschland nach einer Entschuldigung kann Seehofer nicht nachvollziehen. In dem Interview sei „nichts dabei“, was er für problematisch halte. Der CSU-Chef betonte, er sei ganz sachlich auf die Integrationserfordernisse eingegangen. Er fügte hinzu: „Naturgemäß haben es halt Leute mit einer anderen Religion schwieriger.“ Die bayerische Integrationspolitik sei aber besser als zum Beispiel die des Bundeslandes Berlin.

Seehofer mahnte zugleich, Politiker müssten Sorgen in der Bevölkerung ernst nehmen, die Probleme „beim Namen nennen“ und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. Auf diese Weise könne man erreichen, dass „radikale Kräfte und Volksverführer“ keine Chance bekommen. (afp/dapd)