Wiesbaden. .
Beim Auftakt zu einer Reihe von CDU-Regionalkonfernzen hat Bundeskanzlerin Merkel am Mittwoch in Wiesbaden den Widerstand gegen Großprojekte wie „Stuttgart 21“ gerügt. Unterdessen mahnten Parteimitglieder Merkel zu mehr Führungsstärke.
Die CDU-Basis hat auf der ersten Regionalkonferenz im Vorfeld des Bundesparteitags im November ihrer Chefin Angela Merkel deutliche Kritik mitgegeben. „Was erwartet die Basis? Das ist gar nicht viel: dass der ständige Krach in der Koalition aufhört“, sagte der CDU-Chef des Verbandes Offenbach-Land, Frank Lortz, am Mittwochabend in Wiesbaden. Für die Kommunalwahlen in Hessen 2011 „erwarten wir keinen großen Berliner Rückenwind, aber wir sind sehr zufrieden, wenn wir keinen Gegenwind bekommen“, sagte er. Kritik kam auch an der Politik der Rente mit 67 und an der Kommunikation zwischen Spitze und Basis. Merkel sprach von einer „ehrlichen und guten Aussprache“ und rief ihre Partei auf, selbstbewusst und kämpferisch auch für schwierige Entscheidungen einzutreten.
Die CDU will auf insgesamt sieben Regionalkonferenzen im Vorfeld des Karlsruher Parteitags mit der Basis über aktuelle Themen diskutieren. Den Auftakt machte die Konferenz in Wiesbaden, zu der die Landesverbände Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland eingeladen waren. Der Gastgeber, der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), sprach von einer „Standortbestimmung“ für die Partei. „Die Union ist gefordert, die Umfragen sind schlecht - und das wollen, müssen und können wir ändern“, betonte er. Die Union sei immer erfolgreich gewesen, wenn sie klar formuliert und ihre Politik einig vertreten habe. „Unsere Parteimitglieder erwarten von uns die Richtung, den Kompass und die gute Entscheidung - das haben wir“, unterstrich Bouffier.
Merkel wirbt um Unterstützung für Großprojekte
Merkel gab vor den knapp 2000 Zuhörern in Wiesbaden als Kompass Standhaftigkeit und Entschlossenheit aus. Die schwarz-gelbe Koalition werde in diesem Herbst harte Entscheidungen treffen und damit die Weichen für die nächsten 10 bis 20 Jahre stellen. Deutschland müsse zukunftsfähig bleiben und deshalb für neue Infrastrukturprojekte eintreten, sagte Merkel weiter. Wer Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern wolle, müsse solche Strecken wie bei „Stuttgart 21“ bauen. „Wir treten für solche Projekte ein und wir sind bereit mit den Menschen darüber zu sprechen“, fügte Merkel mit Blick auf das Gesprächsangebot von Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) hinzu.
Auch die anstehenden Entscheidung zu Hartz-IV-Sätzen, Gesundheit, Atomkompromiss und Aussetzen der Wehrpflicht verteidigte die Kanzlerin als notwendig, weitsichtig und solidarisch. Die müsse angesichts des Herbstes der Entscheidung „die Kraft zur Kontroverse haben“ und zusammen stehen, forderte sie: Die CDU treffe nicht nur die richtigen Entscheidungen, sondern müsse auch „kämpferisch, nicht verbissen, aber überzeugt dafür eintreten.“
Merkel regt neue Werte-Debatte an
Den Nerv traf die Kanzlerin aber vor allem mit Aussagen zu Islam und Christentum: Der Islam habe „manche Ausprägung“ wie Zwangsverheiratungen, sogenannte Ehrenmorde und die Benachteiligung der Frau, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar seien. „Da hört unsere Toleranz auf“, betonte Merkel unter lautem Beifall. Allerdings müsse die CDU mehr darüber reden, „wer wir als Deutsche sind“, dafür sei niemand besser geeignet als die Union mit ihren christlichen Wurzeln. „Sprechen wir doch wieder mit fröhlichem Herzen vom C - wir sind Christdemokraten, und sagen das deutlich und laut“, forderte die Kanzlerin, und fügte hinzu: „Wir müssen mit leuchtenden Augen über unseren Glauben sprechen.“
Die rheinland-pfälzische CDU-Landeschefin Julia Klöckner sagte, das Thema bewege die Basis sehr und habe „mitunter sogar zu Austritten“ geführt. Der Islam sei Teil von Deutschland, „aber er ist nicht Fundament unserer Gesellschaft“, betonte Klöckner. Sie und Merkel mussten sich aber auch anhören, dass eine türkische Muslimin und CDU-Kreisvorstandsmitglied sagte: „Ich engagiere mich für diesen Staat, ich erwarte mehr Toleranz.“ Ein Mitglied der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) warnte zudem, die Rente mit 67 werde vor Ort zum Symbolthema dafür, „dass wir als CDU die Sorgen der Menschen nicht ernst nehmen.“ Viele Menschen hätten Angst, dass ihre Kinder keine ordentliche Rente mehr bekämen, „wir sollten genau hinhören und die Leute mehr bei ihren Nöten abholen“.“ (dapd)