Düsseldorf. .

Der Gewerkschaftschef der IG BCE, Michael Vassiliadis, kündigte in Düsseldorf zwar das Ende der Wirtschaftskrise an, warnte aber auch vor gesellschaftlichem Widerstand gegen industrielle Großprojekte.

Michael Vassiliadis macht sich erkennbar Sorgen. Als Gewerkschaftschef der IG BCE ist er für Bergbau, Chemie und Energie zuständig – also für Industriezweige, die besonders um Akzeptanz in der Politik und bei den Bürgern werben müssen. Seit gut einem Jahr steht der 46-jährige gebürtige Essener an der Spitze der drittgrößten deutschen Gewerkschaft mit ihren rund 700 000 Mitgliedern. Mitten in der Wirtschaftskrise hat er das Amt übernommen. Heute bilanziert er: „Wir können das Ende der Krise erkennen.“ Aber er sagt auch: „Mit den guten Zeiten ist keine Ruhe eingekehrt.“

Gerade angesichts des Aufschwungs gebe es bei vielen Unternehmen Bestrebungen, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern. Eindringlich warnt Vassiliadis davor, dass die Industrie aus Deutschland vertrieben werden könnte. Investitionen würden durch explodierende Energiepreise ebenso gefährdet wie durch gesellschaftlichen Widerstand ge­gen industrielle Projekte. „Wir müssen die Folgen einer Blockade in diesem Land diskutieren“, sagt Vassiliadis vor der „Wirtschaftspublizistischen Vereinigung“ in Düsseldorf.

Es stehen gleich zwei Großprojekte auf der Kippe

Insbesondere in NRW lässt sich das Spannungsfeld beobachten, in dem sich Politik und Wirtschaft bewegen. Mit der am Niederrhein geplanten Chemie-Pipeline des Bayer-Konzerns und dem Dattelner Steinkohlekraftwerk des Ener­gieriesen Eon stehen gleich zwei Großprojekte auf der Kippe. Aufmerksam wird in der Industrie verfolgt, wie sich die neue rot-grüne Landesregierung positioniert. Vassiliadis sagt, „es wäre fatal“, wenn das Projekt in Datteln zur „800-Millionen-Euro-Ruine“ verkommen würde. Er sei sich indes noch nicht sicher, ob sich die Landesregierung geschlossen für den Kraftwerksneubau einsetze.

In ihrem Koalitionsvertrag verweisen SPD und Grüne nüchtern auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster, das vor gut einem Jahr den Bebauungsplan des Eon-Projekts für unwirksam erklärt hatte. Die Stadt Datteln habe Vorgaben zum Naturschutz nicht ausreichend beachtet, so die Richter. Die Bauarbeiten mussten zum Teil gestoppt werden. Der Rechtsstreit läuft weiter.

China schmiede Pläne für Mega-Städte

Die Landesregierung hat den Standpunkt, zunächst seien weiterhin die Gerichte am Zug. Grundsätzlich sagt Vassiliadis: „Wir können ja nicht am Ende die Gerichte zum Ma­nagement dieser Nation werden lassen.“

Aus Sicht des IG-BCE-Chefs besteht die Gefahr, dass Deutschland im globalen Wettlauf ins Hintertreffen ge­rät. China schmiede Pläne für Mega-Städte, „und wir sind mit dem Baumschutz befasst“. Ziel müsse sein, ein positives Verständnis für Wachstum und Arbeit bei den Menschen zu erzeugen. Dieser Tage veröffentlicht Vassiliadis ein Buch mit dem Titel: „Für den Fortschritt – Industriepolitik für das 21. Jahrhundert“. Notwendig sei ein Modell, das den Menschen Teilhabe am Wachstum ermögliche, sagt er und fordert eine „neue Fortschrittskultur“.