Stuttgart. .
Der Ton in der politischen Auseinandersetzung um das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ wird schärfer. Die Grünen greifen Ministerpräsident Stefan Mappus an. Der keilt zurück.
Der Streit um die Gewalt-Eskalation bei Protesten gegen das Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ spitzt sich zu. Grünen-Politiker und der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) kritisierten sich wegen der Ausschreitungen mit 130 Verletzten gegenseitig scharf. Am Freitagabend hatten erneut zehntausende Menschen gegen das Projekt protestiert, bei der Demonstration blieb alles friedlich.
Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir sagte der „Passauer Neuen Presse“ vom Samstag, das „brutale Vorgehen“ gegen die Demonstranten mit Wasserwerfen und Pfefferspray sei mit Blick auf die Landtagswahlen im März „knallhartes Kalkül“. Mappus wolle damit die Demonstranten in zwei Lager spalten. Seine eigenen Anhänger, „bürgerliche Demonstrierende“, wolle er abschrecken, indem ihnen Angst gewacht werde. Doch damit schaufle sich Mappus sein „politisches Grab“. Er habe „auf ältere Damen und Kinder einprügeln“ lassen und werde im März abgewählt. Ähnlich äußerte sich der Tübinger Bürgermeister Boris Palmer (Grüne) und sprach in der „Frankfurter Rundschau“ von „kalkulierter Gewalt“.
Mappus wirft Grünen politisches Kalkül vor
Mappus warf den Grünen vor, mit der Organisation der Proteste gegen „Stuttgart 21“ gemeinsame demokratische Spielregeln aufzugeben: „Die Grünen helfen mit, eine außerordentliche Opposition zu organisieren, die so tut als ob wir in einer Diktatur leben“, sagte Mappus der „Welt am Sonntag“. Es sei kein Zufall, dass die Sache ein halbes Jahr vor der Landtagswahl hochgepuscht werde.
Der baden-württembergische CDU-Landtagsfraktionsvorsitzende, Peter Hauk, schloss sich den Vorwürfen an. Die Grünen hätten die Emotionen am Bahnhof „durch ihre Polemik zum Kochen gebracht und damit zu Aggressionen der Demonstranten auch gegen die Polizei beigetragen“, erklärt er.
Experten geben Politik Schuld an Gewalteskalation
Unterdessen machte der Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes ebenfalls die baden-württembergische Landesregierung Für das harte Vorgehen der Polizei verantwortlich. Vieles spreche dafür, dass bei dem Einsatz von Anfang an keine Deeskalation geplant war, sagte der ehemalige Rektor der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen der „Stuttgarter Zeitung“ vom Samstag. Feltes nannte als Beispiel den aus seiner Sicht überzogenen Wasserwerfereinsatz und verwies darauf, dass er grundlos in die Menschenmenge hinein gerichtet gewesen sei. „Man hat das Gefühl, die Politik wollte diesen Konflikt“, sagte er.
Bei den Protesten am Donnerstag waren unter den Verletzten zahlreiche Schüler, ältere Menschen sowie sechs Polizeibeamte. Der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech (CDU) hatte den Einsatz von Wasserwerfern und Pfefferspray mit dem „Selbstschutz“ der Beamten gerechtfertigt, weil auf sie „Pflastersteine“ geworfen worden seien. Später nahm Rech diesen Vorwurf zurück: Jugendliche hatten nur mit Kastanien auf die Polizisten geworfen, wie eine Polizeisprecherin bestätigte.
Die Demonstration am Freitagabend im Stuttgarter Schlossgarten verlief dagegen wieder friedlich. An der Aktion nahmen nach Angaben der Organisatoren mehr als 100.000 Menschen teil, die Polizei sprach von 50.000. Der Protest richtete sich gegen die Baumfällarbeiten, die am Donnerstag zu der Eskalation geführt hatten. Bislang wurden 25 der etwa 280 für den Bahnhofsbau zu fällenden Bäume beseitigt. (afp)