Essen.

„Hartz IV“ soll jetzt „Basisgeld“ heißen. Mit dieser begrifflichen Veränderung soll das schlechte Image von „Hartz IV“ entsorgt werden. Wie man mit Worten die Wahrheit bemänteln und verschleiern kann.

Hartz IV“ soll einen neuen Namen bekommen. Ar­beitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will bei der Neuberechnung der Regelsätze auch einen neuen Begriff im Sozialgesetzbuch etablieren. Ein endgültiger Name stehe aber noch nicht fest, so das Arbeitsministerium. Laut Süddeutscher Zeitung soll das „Basisgeld“ die im Volksmund gebräuchliche und negativ be­setzte Bezeichnung „Hartz IV“ für die Grundsicherung für Erwachsene und Kinder ablösen.

Einen Teil des Gesetzentwurfs will von der Leyen nach Angaben ihres Hauses am Montag vorstellen. Die Ministerin arbeitet an einer weitreichenden Reform der Fürsorgeleistungen. Vor allem müssen die Hartz-IV-Regelsätze für die knapp 6,8 Millionen Langzeitarbeitslosen neu berechnet werden, da sie verfassungswidrig sind. Das Bundesverfassungsgericht hatte sie als willkürlich und intransparent ge­rügt.

„Ich hab’ Hartz“

„Ich hab’ Hartz.“ Diesen Satz hört man zuweilen vor dem Arbeitsamt. Das klingt nicht gut. Das klingt eher nach einem juckenden Hautausschlag als nach sozialer Grundsicherung. Arbeitsministerin von der Leyen spricht deshalb nur noch von „Basisgeld“. Das hört sich schon viel besser an: „Basis“, das erinnert an „Fundament“, und das ist gemeinhin fest und gibt Sicherheit. „Damit wird versucht, die negative Konnotation zu vermeiden, die mitschwingt, wenn man von Hartz spricht“, sagt der Essener Germanist Albert Bremerich-Vos. Er sieht darin „ein positives semantisches Manöver“ der Ministerin.

Mit dieser begrifflichen Veränderung soll das schlechte Image von „Hartz IV“ entsorgt werden. Entsorgt – das ist auch so ein Wort. Euphemismus nennt das die Germanistik. Euphemismen wollen Un­an­genehmes angenehmer ausdrücken. Es ist ein sprachlicher Trick, der in Wirtschaft, Werbung und Politik gern verwendet wird. Euphemismen nennen das Anstößige oder Verletzende nicht klar beim Namen, sprechen es gleichwohl an. Wenn mit „Entsorgungspark“ eine profane Müllkippe gemeint ist, darf man das einen Euphemismus nennen. Otto Schily sprach einst von „Begrüßungszentren“, hatte aber Sammellager für afrikanische Flüchtlinge im Sinn.

Beschönigende Begriffe

Auch der Begriff „Ehrenmord“ ist beschönigend, verbindet er doch das Verbrechen mit einem positiv besetzten Be­griff und verschleiert so den Sachverhalt. Wer Angestellte „freisetzt“ will nicht sagen, dass er sie „auf die Straße setzt“, was wiederum ein Euphemismus ist für „rauswerfen“. Durch die Umschreibung einer Entlassung als Freisetzung wird dem Betroffenen be­deutet, man könne auch an­ders und so gehe es noch glimpflich für ihn aus. Euphemismen wirken wie sprachliche Masken, wobei man ahnt, was eigentlich dahinter steckt.

Die Wurzel des Euphemismus liegt in religiösen Tabus, bestimmte Sachverhalte anzusprechen. Der „Gottseibeiuns“ oder der „Leibhaftige“ sind Umschreibungen des Teufels, dessen Namen man nicht aussprechen soll, denn „wenn man den Teufel nennt, dann kommt er gerennt“. Auch Sex­ualität und Körperlichkeit werden oft mit Euphemismen umschifft. Man behilft sich mit Kinderbegriffen, um Ge­schlechtsteile zu benennen, sagt lieber „Toilette“ statt Klo, spricht von „vollschlank“, „üppig“ oder einer „Rubensfigur“, wenn „dick“ angebracht wäre. Euphemismen sollen also nicht nur täuschen und vertuschen, sondern zuweilen auch schonen. Gesellschaftliche Ta­bus wie Tod und Sterben werden daher gerne be­grifflich sanft ummantelt durch „ableben“, „von uns gehen“ oder „entschlafen“.

„Null-Wachstum“

Besonders in Krisenzeiten verwendet die Wirtschaft reichlich Euphemismen. Von „Null-Wachstum“ ist die Rede, wenn es kein Wachstum mehr gibt. Und mit einer „Gewinnwarnung“ wird keineswegs vor Gewinnen gewarnt, sondern vor drohenden Verlusten – das wäre dann der richtige Zeitpunkt, um von „Minuswachstum“ zu sprechen.

Euphemismen wandeln sich wie die Sprache selbst. Eine Frau ist heute schwanger und nicht mehr „in anderen Um­ständen“. „Schwarze“ werden auch so genannt und sind nicht mehr „farbig“. Der Euphe­mismus „Gastarbeiter“ indes wurde durch einen neuen ersetzt: „Menschen mit Migrationshintergrund“. Ob es in Zukunft vor dem Arbeitsamt heißt: „Ich hab’ Basisgeld“ bleibt abzuwarten.