Berlin. .
Das Gutachtens zur Atomkraft ist veröffentlicht. Jetzt sympathisiert Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut mit einer Laufzeitverlängerung von zehn bis 15 Jahren. Die Kontroverse geht weiter.
Nach Veröffentlichung des Gutachtens zur Atomkraft hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut Sympathien für eine Laufzeitverlängerung von zehn bis 15 Jahren erkennen lassen. Dies bringe „wichtige Vorteile“, sagte Merkel am Dienstag am Rande der Festveranstaltung zum 20. Jahrestag des deutschen Einigungsvertrags in Berlin. In der Koalition setzte sich die Kontroverse über eine verlängerte Nutzung der Atomkraft fort.
Die Regierung verabredete sich bei einem Treffen am Dienstag auf einen Zeitplan zur Fertigstellung des Energiekonzepts bis Ende September. Bei der Zusammenkunft von Merkel und den zuständigen Ministern wurden Arbeitsgruppen gebildet und Aufträge verteilt, wie aus Regierungskreisen verlautete. Mit dabei waren neben Merkel Umweltminister Norbert Röttgen und Finanzminister Wolfgang Schäuble (alle CDU) sowie Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP).
Röttgen will kürzere Laufzeiten
Brüderle und Röttgen hatten am Montag unterschiedliche Schlussfolgerungen aus dem von der Regierung in Auftrag gegebenen Energiegutachten gezogen. Während Brüderle eher für eine Laufzeitverlängerung von bis zu 20 Jahren plädierte, ließ Röttgen seine Präferenz für deutlich kürzere Laufzeiten erkennen. Drei Institute hatten verschiedene Szenarien für Laufzeitverlängerungen der deutschen Atomkraftwerke von vier, zwölf, 20 und 28 Jahren berechnet.
Der CDU-Wirtschaftsexperte Joachim Pfeiffer sagte dem „Hamburger Abendblatt“ vom Dienstag, die Gutachter sähen den größten Nutzen bei einer um zwölf bis 20 Jahre längeren Laufzeit. „Da ist es doch sachlich geboten, die 20 Jahre auch umzusetzen“, forderte er. Auch der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Bareiß (CDU), sagte dem Blatt, er plädiere eher für 20 als für zehn Jahre.
Demgegenüber warnte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Katherina Reiche (CDU), davor, die Energiedebatte allein auf die Laufzeitverlängerung für Akw zu verengen: „Während Strom etwa ein Drittel des Energieverbrauchs ausmacht, haben Gebäude und Verkehr daran einen Anteil von rund 60 Prozent, sagte sie der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom Dienstag.
„Ebenso willkürlich wie politisch gesetzt“
Der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen, Martin Faulstich, kritisierte das Energiegutachten. Es sei kein Szenario in Auftrag gegeben worden, „wie und bis wann denn das eigentliche Ziel hundert Prozent erneuerbare Energien im Strombereich erreicht werden könnte“, schrieb er in einem Gastbeitrag für Zeit Online. „Eine Laufzeitverlängerung von zehn bis 15 Jahren als „fachlich vernünftig“ zu bezeichnen, wird dem wissenschaftlichen Sachstand nicht mehr gerecht“, schrieb er mit Blick auf entsprechende Äußerungen von Merkel.
Das Anti-Atom-Bündnis ausgestrahlt warnte vor einer Täuschung durch die diskutierten Jahreszahlen bei den Laufzeiten. „Denn hinter den Kulissen wird nicht über Jahre verhandelt, sondern über Reststrommengen“, erklärte ausgestrahlt-Sprecher Jochen Stay in Hamburg. Am Ende werde eine entscheidende Rolle spielen, wie hoch die jährlich produzierte Strommenge pro Reaktorblock angesetzt werde. „Da können aus einer behaupteten Laufzeitverlängerung von zehn Jahren schnell 15 oder mehr Jahre werden.“
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin erklärte, viele Annahmen im Gutachten „sind ebenso willkürlich wie politisch gesetzt“. Deswegen würden die Grünen eine Sondersitzung der zuständigen Bundestagsausschüsse beantragen, um die Gutachter erklären zu lassen, wie sie zu ihren Ergebnissen gekommen sind. (afp)