Düsseldorf. .
Die rot-grüne Landesregierung will die geplante Gemeinschaftsschule ohne eine große Gesetznovelle auf den Weg bringen. Neben Ascheberg hätten mehr als zehn Gemeinden bereits Interesse angemeldet.
Ohne eine große Schulgesetznovelle will die neue rot-grüne Landesregierung die geplante Gemeinschaftsschule auf den Weg bringen. Den bereits vorliegenden ersten Antrag auf Bildung einer solchen Schule durch die CDU-regierte Kommune Ascheberg im Münsterland werde man bis spätestens November gemäß Paragraf 25 des Schulgesetzes genehmigen, sagte Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) in Düsseldorf. Der Paragraf 25 erlaube „Schulversuche und Versuchsschulen“.
Auch weitere Anträge auf die Bildung von Gemeinschaftsschulen werde man unter Berufung auf diese „Experimentierklausel“ genehmigen, kündigte Löhrmann an. Das Konzept von Rot-Grün sei „offensichtlich sehr attraktiv“. Mehr als zehn Gemeinden hätten schon Interesse angemeldet. Die Gemeinschaftsschule sei „die ideale Antwort auf das veränderte Wahlverhalten der Eltern und den demografischen Wandel“. Löhrmann rief die NRW-CDU auf, den Widerstand gegen die neue Schulform aufzugeben. CDU-Lokalpolitiker seien hier weiter als die Landes-CDU.
Längeres gemeinsames Lernen angestrebt
Löhrmann lud zu Konsensgesprächen über die NRW-Schulpolitik ein. Mit Kommunen, Parteien, Kirchen, Lehrern, Eltern, Schülern und Sozialpartnern will Löhrmann erstmals am 23. September in Düsseldorf beraten.
Ziel von SPD und Grünen ist ein längeres gemeinsames Lernen der Schüler, um die Chancengleichheit zu verbessern. Bis 2015 sollten möglichst 30 Prozent der weiterführenden Schulen Gemeinschaftsschulen sein. Rot-Grün fehlt ein Mandat zur absoluten Mehrheit im Landtag.
Ende der Kopfnoten naht
Am 30. August beginnt in NRW das Schuljahr 2010/2011. Die Regierung werde auch eine „Lehrerlücke“ schließen und 1100 zusätzliche Stellen für Lehrer schaffen, sagte Löhrmann. Als erste konkrete Änderung können sich Schüler und Lehrer auf das Ende der Kopfnoten zur Bewertung des Sozialverhaltens einstellen. Wenn das entsprechende Gesetz wie geplant durch den Landtag komme, könnten die Verhaltenszensuren schon auf dem Halbjahreszeugnis wegfallen, sagte die Schulministerin. Die alte schwarz-gelbe Regierung hatte die Kopfnoten 2007 eingeführt.
Die CDU kritisierte die Strategie der Ministerin. „Statt die Möglichkeiten der Verbundschule zu nutzen, fällt die Minderheitsregierung in die alten Fehler der einseitigen Bevorzugung einer Schulform zurück“, sagte der schulpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Thomas Sternberg. „Mit der CDU ist ein Konsens darüber nicht möglich“, betonte er. Die Christdemokraten hatten mit einer Volksinitiative gegen die rot-grünen Pläne gedroht.
Lob von den Lehrergewerkschaften
Die ebenfalls abgewählte FDP ging auf Konfrontationskurs zu Löhrmann. „Rot-Grün diskriminiert Schüler an Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen“, sagte die Bildungsexpertin der Liberalen, Ingrid Pieper-von Heiden. Die neue Schulministerin bevorzuge die politisch gewollte Gemeinschaftsschule.
Lob kam dagegen von den Lehrergewerkschaften. Die neue Schulform sei „folgerichtig“, sagte Landeschef Udo Beckmann vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) und nahm die Einladung zu Bildungs-Konsensgesprächen an. Die Realschullehrer-Organisation lehrer nrw fand es „positiv“, dass Löhrmann keine Schulformen abschaffen will. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) lobte ein „neues pädagogisches Denken im Schulministerium“.
Info: Die Pläne von Rot-Grün für eine Gemeinschaftsschule
Längeres gemeinsames Lernen will Rot-Grün durch die Bildung von Gemeinschaftsschulen erreichen. Eine Gemeinschaftsschule soll nach Angaben aus dem rot-grünen Koalitionsvertrag in der Regel dort gegründet werden, „wo bestehende Schulen in ihr zusammengeführt werden“. Alle Schulformen seien hierzu ausdrücklich eingeladen.
„Die Gemeinschaftsschule ist eine Ganztagsschule, die gymnasiale Standards mit einschließt“, formulierten SPD und Grüne. In den Klassen 5 und 6 findet demnach für alle Schülerinnen und Schüler gemeinsamer Unterricht statt. Schule, Schulträger und Eltern entscheiden darüber, wie es ab Klasse 7 oder später weitergeht: Entweder werden integrierte Lernkonzepte weitergeführt oder es wird nach Bildungsgängen differenziert. Am Ende der Klasse 10 können alle Schulabschlüsse der Sekundarstufe I erreicht werden.
Jede Gemeinschaftsschule ist mit einer Sekundarstufe II verbunden. Das kann eine gymnasiale Oberstufe am Standort sein, ein Oberstufenzentrum oder eine Kooperation mit Gesamtschule, Gymnasium oder Berufskolleg. (ddp)