Düsseldorf. .

Im Kampf um den CDU-Landesvorsitz geht Bundesumweltminister Norbert Röttgen das Risiko eines Karriereknicks ein. Der 45-jährige Meckenheimer erklärte sich zu einem kompletten Wechsel in die Landespolitik bereit.

Das Bild passt: Bundesumweltminister Norbert Röttgen empfängt unsere Zeitung ganz allein, ohne die übliche Entourage von Mitarbeitern. Das Sakko hat er abgelegt, den Kaffee serviert er selbst. Der 45-jährige Meckenheimer verlässt sich im Kampf um den CDU-Landesvorsitz offenbar nur auf sich. Ein Gespräch über Ziele und Motive.

Sie können sich als Bundesumweltminister nicht über Langeweile beklagen, warum wollen Sie sich auch noch die Führung des größten CDU-Landesverbandes zumuten?

Röttgen: Wir leben in einer Parteiendemokratie. Der Zustand der Parteien entscheidet darüber, ob Regierungen den geistigen Fundus haben, der Gesellschaft eine Richtung zu geben. Ich trete an, um die nordrhein-westfälische CDU zu einem inhaltlichen Impulsgeber zu machen. Partei- und Regierungsarbeit sind kein Widerspruch, sondern gehören zusammen. Die Bundeskanzlerin muss als CDU-Vorsitzende sogar zwischen einem G20-Treffen in Kanada und einer Regionalkonferenz der Partei pendeln. Es kann ja nicht die eine Sorte von Politikern geben, die in der Welt herumschwirrt, und die andere, die die Basisarbeit macht.

Der letzte Bundesminister, der die NRW-CDU führte, war Norbert Blüm. Haben Sie keine Sorge, Erinnerungen an eine sympathische, aber erfolglose Zeit zu wecken?

Röttgen: Geschichte wiederholt sich nicht. Die CDU war in Düsseldorf 39 Jahre in der Opposition, nicht nur zu Zeiten Norbert Blüms. Es gibt außerdem einen wichtigen Unterschied: Ich bin hier aufgewachsen, der Landesverband Nordrhein-Westfalen ist meine Heimatbasis.

Sie gehen ein erhebliches Risiko ein: Bestenfalls werden Sie eines Tages Ministerpräsident, vielleicht aber auch Oppositionsführer, oder sie tragen als Bundesminister den Makel einer Abstimmungsniederlage.

Röttgen: Es entspricht nicht meinem Politikverständnis, mir pausenlos den Kopf darüber zu zerbrechen, was taktisch für mich gerade von Vorteil sein könnte. Ich stelle mich der wichtigen Aufgabe, die nordrhein-westfälische CDU zu führen. Da ist es selbstverständlich, auch für die Spitzenkandidatur bei der nächsten Landtagswahl und als Ministerpräsident oder Oppositionsführer zur Verfügung zu stehen.

Sie wollen die CDU wieder zu einem „Ort politischer Diskussion“ machen. Welches Defizit sehen Sie?

Röttgen: Wir sollten als Partei insgesamt wieder politischer sein, ein Ort von Diskussionen. Das kann man aber nicht immer nur von oben einfordern, man muss es von der Basis aus, aus den Landesverbänden heraus organisieren. Was ist unsere Vorstellung von Wachstum in der Zukunft bei immer knapperen Ressourcen? Wie schaffen wir Generationenverträglichkeit und -gerechtigkeit? Wie erreichen wir beste Bildung? Wie gestalten wir Politik mit den Augen unserer Kinder? Wir leben in Umbruchzeiten, da muss eine Partei ein relevantes Forum für Ideen sein. Das rituelle Applaudieren bei Parteitagen bringt uns nicht weiter.

Wie übersetzt sich dieser Anspruch in konkrete Landespolitik?

Röttgen: Der Zugang zu Bildung etwa ist die entscheidende soziale Frage der Zukunft. In der Schulpolitik brauchen wir keine Strukturdebatten und keine Reideologisierung. Als Vater von drei schulpflichtigen Kindern erlebe ich, dass Eltern ganz praktische Verbesserungen im Alltag wollen und keine neuen ideologischen Schlachten um Schulformen. Hier muss die CDU Ort der Orientierung sein und die besten Ideen liefern.

Wie stillen Sie die Sehnsucht vieler Christdemokraten nach konservativen Elementen?

Röttgen: Der entscheidende Anspruch von Konservativen ist wertegebundene Politik. Wir sprechen zu viel über technische Details und Expertenfragen und zu wenig über unser Gesellschafts- und Menschenbild. Im Kern ist es das, was als konservatives Defizit wahrgenommen wird. Außerdem geht es um bürgerliche Werte wie Stilfragen, zu denen im übrigen auch der Anstand im Umgang mit dem politischen Gegner gehört.

Die Ruhrgebiets-CDU leidet darunter, dass sie im Landtag kaum noch vertreten ist.

Röttgen: Es ist traurig, dass ein Ballungsraum mit 5,5 Millionen Einwohnern nur zwei Abgeordnete im Landtag hat. Das muss uns motivieren, hier in Zukunft einen besonderen Akzent in unseren Botschaften zu setzen.

Wie wollen Sie als Landesvorsitzender mit einer Führungsebene der Partei zusammenarbeiten, die sich fast geschlossen für Ihren Konkurrenten Laschet ausgesprochen hat?

Röttgen: Wir können nur als Mannschaft erfolgreich sein. An einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der gesamten Breite der Partei habe ich keinerlei Zweifel.