Essen/Berlin. .
Der Straßenkartendienst Google Street View schreckt die Parteien in der Sommerpause auf. Eine Internet-Strategie ist allerdings nicht erkennbar.
Es ist schon eine Weile her, dass langsam fahrende Autos mit Dachaufbauten durch Wohngebiete fuhren. Google steckte dahinter, und das Ziel des Internet-Giganten war kein geringeres, als im Internet Städte, Dörfer, Straßen und Häuser abzubilden. Zunächst herrschte Unruhe, dann waren die seltsamen Autos kein Thema mehr.
10 Tipps für Google
Bis Google zu Beginn dieser Woche verkündete, noch dieses Jahr in deutschen Städten Street View zu starten. Seitdem füllen düstere Prognosen der Daten- und Verbraucherschützer die Schlagzeilen, Bundesinnenminister Thomas de Maizière kündigte gegenüber unserer Zeitung eine Internet-Strategie für diesen Herbst an; am Donnerstag erklärte die Koalition, sie denke an gesetzliche Regelungen.
Zu unbedarft
„Man hätte schon früher aktiv werden können“, sagt Thomas Hoeren, Professor für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht an der Universität Münster, doch die Politik habe sich bislang kaum mit Google auseinandergesetzt. „Viele Politiker erkennen über den einzelnen Baum hinaus nicht den Wald.“ Gesetze, sagt Hoeren, brächten aber gar nichts, „solange nicht die bestehenden konsequent angewandt werden“.
Auch der Kommunikationsberater und PR-Blogger Klaus Eck wirft der Politik vor, die Entwicklungen im Internet verschlafen zu haben. Er kann an Google Street View nichts Anrüchiges erkennen, allerdings sei in Deutschland der Umgang mit den sozialen Netzwerken im Vergleich zu den USA viel zu unbedarft, sagt der Experte und Autor des Buches „Karrierefalle Internet“. Die Politik laufe den Entwicklungen im Internet allenfalls hinterher. „Statt unsinnige Gesetze zu schaffen, sollten Politiker dafür sorgen, dass Kompetenz im Umgang mit sozialen Netzwerken in den Schulen vermittelt wird.“
Aufklärung statt Gesetze
Aufklärung und Kompetenzvermittlung statt neue Gesetze – dazu haben auch die Experten der vom Bundestag einberufenen Internet-Enquete-Kommission geraten. Bei Google will die Politik dies offenbar nicht beherzigen. Eine Reihe von Politikern der Berliner Koalition denkt inzwischen über eine gesetzliche Regelung nach, mit der die Privatsphäre besser geschützt wird – wenngleich es „eine Lex Google nicht geben kann“, sagt Christian Ahrendt, rechtspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. „Wie will man verbieten, dass jemand durch die Straßen zieht, Informationen sammelt und öffentlich zugängliche Gebäude fotografiert oder filmt?“ Verböte man Google den Kamera-Zug durch die Gemeinde, müsste dies, alles andere sei verfassungswidrig, „auch für Presse-Fotografen und Fernsehsender gelten.“ Erfolgsaussichten: gleich Null.
Mit seiner Einschätzung liegt Ahrendt recht nahe beim CDU-Innenexperten Wolfgang Bosbach. Dessen Bilanz des Google-Theaters: „Wenn gegen Persönlichkeitsrechte verstoßen wird, kann man gegen Google klagen. Häuser-Fassaden haben aber keine Persönlichkeitsrechte.“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, kritisierte hingegen, die Bundesregierung hätte längst eine „solide gesetzliche Basis zum Schutz der Privatsphäre schaffen müssen“. Wie diese Basis aussehen soll, sagt er nicht. Der Grüne Volker Beck bedauert, dass der Gesetzgeber nicht tätig geworden ist, bevor Google seine Autos durch die Straßen schickte. Wie ein verfassungskonformes Anti-Google-Gesetz hätte aussehen können, sagt auch er nicht.
Striktere Regeln
Gleichwohl verfehlt die Kritik ihr Ziel nicht. Bereits in der Kabinettssitzung am 18. August will die Regierung über striktere Regeln für die Datenerfassung zu Panorama-Aufnahmen im Internet entscheiden. So verlangen die Länder eine gesetzliche Pflicht, dass Menschen und Autokennzeichen gepixelt, also unkenntlich gemacht werden.
Ahrendt will die geltende Widerspruchslösung (der Bürger muss erklären, dass sein Haus unkenntlich gemacht werden soll) umdrehen in eine Einwilligungslösung, bei der jeder Haushalt vorher um sein Einverständnis gebeten werden muss. Bis es soweit ist, wenn es soweit käme, hält Ahrendt es mit anderen Politikern, allen voran Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU): „Ich erteile der Abbildung meines Hauses bei Street View eine Absage.“