Berlin. .

Der rot-grüne Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, Joachim Gauck, geht mit „fröhlicher Gelassenheit“ auf die Wahl zu. Er sei Realist und könne zählen. Es gebe jedoch auch „unwahrscheinliche“ Ereignisse.

Der rot-grüne Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, Joachim Gauck, hat bei seiner offiziellen Vorstellung in Berlin um Stimmen von Union und FDP geworben. „Ich bin Realist und ich kann auch zählen“, sagte Gauck am Freitag über seine geringen Chancen gegen Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) angesichts der klaren schwarz-gelben Mehrheit in der Bundesversammlung. Er habe aber auch „Ereignisse erlebt, die unwahrscheinlich sind“. Daher gehe er mit „fröhlicher Gelassenheit“ in die Wahl am 30. Juni.

Mit seiner Auffassung, dass die Freiheit „viel kostbarer“ sei als gedacht, sehe er sich „im Kernbereich wertkonservativer Vorstellungen“, betonte der frühere Pfarrer und Ex-DDR-Bürgerrechtler. Er werde daher vor der Wahl „gern zu den Liberalen und zu den Christdemokraten“ kommen und habe „zahlreiche Verbindungen in dieses Lager“.

„Ich komme von weit her“

Ausdrücklich fügte Gauck hinzu, er halte „sehr viel“ von der Bundeskanzlerin. Sein freundschaftliches Verhältnis zu Angela Merkel beschrieb er mit den Worten: „Wir mögen uns, aber sagen Sie zueinander“. Zugleich äußerte er Verständnis für die innerparteilichen Zwänge der CDU-Chefin: „Jeder macht das politische Geschäft so, wie er es machen kann.“

„Ich komme von weit her“, beschrieb der 70-Jährige seinen persönlichen Werdegang. Geboren in der Nazi-Zeit, aufgewachsen in einer „anderen Diktatur“, die den Menschen Lebensräume und Freiheit nahm, habe er das „wunderbare Glück“ gehabt, eine Freiheitsrevolution erleben zu dürfen. Er trete daher mit einer „Freiheitsbotschaft“ an. „Ich bringe eine Liebe zur Freiheit mit, die sich manche verwöhnte Freiheitskinder so gar nicht mehr zutrauen“, sagte der Ostdeutsche an die Adresse der Westdeutschen.

Während der Vorstellungsrede Gaucks blickten die Spitzen von SPD und Grünen stolz auf ihren Kandidaten. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel zitierte genüsslich eine Lobpreisung Merkels, die Gauck als „Demokratielehrer“ gewürdigt habe. Der rot-grüne Kandidat bringe in die Bundesversammlung „ein Leben“, Wulff nur „eine politische Laufbahn“ mit. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier lobte Gauck als „unabhängigen Kopf“ und „großen Ermutiger der Demokratie“.

Grüne frohlocken

Grünen-Chef Cem Özdemir vermutete, dass es einige in der Union geben werde, die sich „sehr ernsthaft überlegen“, für Gauck statt für Wulff zu stimmen. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin räumte ein, dass SPD und Grüne und auch Gauck selbst mit der Nominierung des Seiteneinsteigers ein Risiko eingehen. In den schwierigen Zeiten der Wirtschaftskrise führe aber „der Weg nicht da lang, wo die Angst ist“.

Einen sonderlich furchtsamen Eindruck machte Gauck tatsächlich nicht. „Angst kann nicht der Kompass eines Lebens sein“, sagte der frühere Chef der Stasiunterlagenbehörde bei seinem selbstbewussten Auftritt vor den versammelten Hauptstadtjournalisten und gestand: „Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass ich mal in dieser Rolle neben Jürgen Trittin sitze.“ Aber die andere Seite habe sich eben „nicht gemeldet“.

Als er sich als Leiter der Behörde, die bis heute seinen Namen trägt, vor zehn Jahren verabschiedete, hatte Gauck noch versichert, Bundespräsident wolle er nicht werden. Ein Mecklenburger wisse um seine eigenen Grenzen. Nun versucht er es doch. Schließlich sei dieser Staat „nicht nur der Staat derer, die den Staat machen“ sondern auch eine Sache „der Bürger, die sich Sorgen machen um die Zukunft“ des Landes. Da klang der Kandidat fast ein bisschen so wie der zurückgetretene „Super-Horst“ Köhler. Kommt da ein „Super-Gauck“ für Union und FDP?.

Am Donnerstagabend hatte die schwarz-gelbe Koalition den niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff nominiert. Da Union und Liberale in der Bundesversammlung, die den Nachfolger von Horst Köhler am 30. Juni wählen soll, eine deutliche Mehrheit haben, gilt Wulffs Wahl als sicher. (ddp)