London. Ministerrücktritte, Spesenskandal und jetzt die Europawahl: Sie könnte den britischen Premierminister Gordon Brown aus dem Amt tragen. Sein politischer Tod vollzieht sich langsam und quälend. Die Rücktritte der Kabinettsmitglieder sind einzelne Etappen dahin.
Schon die Personalien seiner nun scheidenden Innen- und Gemeindeministerinnen zeigen Browns ausweglose Lage: Beide Ministerinnen hatten sich in den größten Spesenskandal der britischen Geschichte verstrickt. Smith wegen der nächtlichen Fernseh-Gewohnheiten ihres Gatten, dessen Pornokosten auf ihrer Abrechnung landeten und Blears, weil sie Kapitalertragssteuern hinterzogen hatte. Für Brown waren die Ministerinnen untragbar, doch mit einem Rausschmiss hätte er einen Aufstand im Kabinett riskiert.
Blears und Smith gelten als gut vernetzte Fangemeinde von Ex-Premier Tony Blair, dessen Fortgang viele noch immer nicht verschmerzt haben. Brown rügte sie, aber ließ sie im Amt – und muss nun ertragen, dass sie ihn auf dem Weg nach unten noch stoßen. „Ich will als Labour-Abgeordnete der Partei helfen, zurück zu den Wurzeln zu finden und Wähler zu überzeugen, dass ihre Werte immer noch unsere sind”, rechtfertigte Blears giftig die Räumung ihres Postens.
Ursprünglich hatte Brown für diese Woche geplant, sein Kabinett umzubauen, um Autorität und Führungsstärke zu demonstrieren. Doch die vier prominenten Abgänge aus seinem Team sabotieren auch diesen letzten, verzweifelten Plan. Heute wird in England mit einem Dammbruch gerechnet, der Brown fortspülen könnte: Bei den Kommunal- und Europawahlen schafft es die Regierungspartei laut Umfragen höchstens auf 17 Prozent, würde hinter Konservative und Liberale zurückfallen.
Wähler kehren Labour den Rücken
Für die Regierung, die mit täglich neuen Enthüllungen im Spesenskandal konfrontiert wird, wäre das Wahlergebnis der letzte Sargnagel. Um zehn Prozentpunkte ist Labour seit Mai in der Wählergunst gesunken; gleichzeitig verzeichnen rechtskonservative und Protestparteien so großen Zulauf, dass sie es heute unter die 72 britischen EU-Abgeordneten schaffen könnten.
Wer oder was dem belagerten Premier Gordon Brown in diesem politischen Horrorfilm jetzt noch helfen könnte, ist ein großes Rätsel. Selbst die Labour-freundliche Tageszeitung „Guardian” verteilte am Mittwoch zum ersten Mal böse Hiebe: In einer einmaligen Aktion setzte das Blatt seinen Leitartikel auf die Titelseite und ätzte darin, dass es „keine Vision von Gordon Brown gibt, keinen Plan, keine Zukunftsargumente und keine Unterstützung.”